Potsdam (csr-news) – Soll der Staat die Ausgabe von Nothilfekrediten in der Pandemiezeit nutzen, um Unternehmen in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu lenken? Dafür spricht sich die in diesem Jahr gegründete Initiative „Neues Wirtschaftswunder“ im Blick auf große Unternehmen – wie etwa die Lufthansa – aus. Der Staat habe ein Interesse an einem starken Stimmrecht in solchen Unternehmen, so der Pressesprecher der Initiative, Marc Liebscher. Anders sei das bei kleinen und mittleren Unternehmen. „Jemand, der insolvent ist, der muss nicht noch zusätzlich mit staatlichen Auflagen belastet werden“, so Liebscher.
Auf der Diskussionsveranstaltung „Neues Wirtschaftswunder für Brandenburg?“ am 12. Mai ging es um Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten von sozial-ökologischen Förderpaketen in Brandenburg. Neben Liebscher sprachen Jan Redmann, der Vorsitzender der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, und Julia Schmidt, die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg. 25 Personen nahmen an der Online-Veranstaltung teil.
Staatliches Management oder Ordnungsrahmen?
Für die Verbindung der Kreditvergabe mit klaren Kriterien – etwa zur CO2-Reduktion oder zur transparenten Unternehmensführung – sprach sich Julia Schmidt aus. „Wenn wir Geld geben, muss das mit ganz klaren Kriterien verbunden sein.“ Der Lufthanse etwa sollten klare Vorgaben zur CO2-Reduktion gemacht werden. Bei der Transparenz gehe es darum, womit Unternehmen Geld verdienten und wo sie Steuern zahlten.
Auch Jan Redmann sprach sich dafür aus, dass der Staat einen Ordnungsrahmen setzen solle, der das ökologisch und sozial verantwortliche Verhalten von Unternehmen fördere. Die Abwrackprämie hält der CDU-Politiker allerdings nicht für eine geeignete Rahmensetzung: „Ich glaube auch, dass eine Abwrackprämie überhaupt nicht dazu helfen würde, den Innovations-Gap aufzuholen“, so der CDU-Politiker. Zugleich sprach er sich gegen einen Eingriff des Staates in die Unternehmensführung aus: „Ich bin eher davon überzeugt, dass der Staat kein besonders guter Manager ist“, so der CDU-Politiker.
Ökologie und Ökonomie im Fokus?
Kritisch äußerte sich Redmann zu den von der Initiative Neues Wirtschaftswunder in einem offenen Brief an die Bundesregierung und in einer Petition formulierten Forderungen: „Neues Wirtschaftswunder, das klingt sehr schön, gerade auch für die Verbindung von Ökologie und Ökonomie“, so der CDU-Politiker. Er lese dann aber eine Fokussierung auf ökologische und soziale Ziele und es fehlten Vorschläge, wie die Wirtschaft gestärkt werden könne.
„Wir müssen uns fragen: Wie sieht die Welt der Zukunft aus? Welche Produkte und Dienstleistungen werden gefragt sein?“ Brandenburg sei „im industriellen Bereich immer noch ziemlich unterentwickelt“. Redmann sprach sich konkret für Investitionen in die Schienen-Infrastruktur aus. Das stärke den Wirtschaftsraum Brandenburg und trage zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei.
Auf die Bedeutung der Landwirtschaft in Brandenburg verwies Julia Schmidt. Sie sprach sich dafür aus, regional angebaute Produkte auch regional zu vermarkten und zu nutzen. „Das würde auch Gastwirten in der Nähe nutzen“, so Schmidt.
Nachhaltige Produkte sind teurer
Wichtig sei es, die Konsumenten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise mitzunehmen, denn: „Wenn man ganz ehrlich ist in der Debatte, muss man sagen: Nachhaltige Produkte sind teurer“, sagte Schmidt. Eine Landwirtschaft ohne Pestizideinsatz oder Lieferketten mit angemessenen Arbeitsbedingungen verteuerten die Herstellung. Menschen müssten sich den Kauf nachhaltiger Produkte leisten können. Deshalb gelte es, an den Löhnen anzusetzen – etwa über allgemeinverbindliche Tarifverträge. Ein angemessener Lohn sei insbesondere in den Berufen erforderlich, die sich in der aktuellen Krise als systemrelevant gezeigt hätten, etwa für Pflegerinnen, Kassiererinnen und Erzieherinnen.
Wie Marc Liebscher berichtete, entstand die Initiative „Neue Marktwirtschaft“ zu Jahresbeginn auf einem von der Bundesregierung initiierten Hackathon. Die Mitglieder der Initiative arbeiten ehrenamtlich und vernetzen sich digital. Angesichts der Dringlichkeit für eine sozial-ökologische Transformation sei es „wichtig, dass alle Akteure aufeinander zugehen“, sagte Liebscher. Seine Initiative will über die Formulierung von sieben Kernthesen auf die politische Gestaltung der Konjunkturhilfen Einfluss nehmen. Die online verfügbaren Dokumente hätten bereits viele Unterzeichner aus Zivilgesellschaft und Unternehmen gefunden, so Liebscher.
Die Initiative im Internet: https://neues-wirtschaftswunder.de/