Wuppertal (csr-news) – Eigentlich wollte Greenpeace am vergangenen Samstag vor diesem Supermarkt in Wuppertal gegen Lidl protestieren. Der Anlass: Lidl zeichnet Schweinefleisch seiner Eigenmarke „Landjunker“ mit einem Logo der Tierwohl-Initiative aus. Im Rahmen dieser Brancheninitiative führen teilnehmende Lebensmittelhändler 6,25 Cent pro verkauftem Kilogramm Schweine- und Geflügelfleisch ab, mit denen die Haltungsbedingungen der Schlachttiere verbessert werden sollen.
Der Großteil des Schweinefleischs stammt aus tierquälerischer und umweltschädlicher Haltung, sagt Greenpeace. Enge, Dunkelheit, Dreck und Langeweile in den Ställen machten Schweine krank. Und auch in den wenigen Betrieben der Brancheninitiative „Tierwohl“ gehe es Schweinen kaum besser. Dagegen wollte Greenpeace protestieren, aber der Protest wurde abgesagt.
Was ist geschehen? „Lidl hat zentrale Forderungen der Demo erfüllt.“ „Lidl schafft endlich Transparenz“, heißt es bei Greenpeace Wuppertal.
Lidl will seine Kunden künftig bei Frischfleischprodukten über die Art der Tierhaltung informieren. Ab April werden dafür alle Frischfleischprodukte der Eigenmarken des Discounters mit dem “Lidl-Haltungskompass” gekennzeichnet, wie das Unternehmen mitteilte. Dabei soll ein Vier-Stufen-Modell den Kunden erklären, nach welchen Kriterien die Schweine, Rinder, Puten und Hähnchen gehalten wurden: “Stallhaltung”, “Stallhaltung Plus”, “Auslauf” oder “Bio”.
Die erste Stufe “Stallhaltung” entspricht Lidl zufolge den gesetzlichen Bestimmungen. “Stallhaltung Plus” bietet den Tieren mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial, bei der dritten Stufe werden die Tiere zusätzlich “gentechnikfrei gefüttert und haben Zugang zu Außenklimabereichen”. Die vierte Stufe soll den gesetzlichen Bestimmungen für Bio-Fleisch entsprechen. Diese sehen unter anderem vor, dass die Tiere genug Auslauf haben und das Leiden während der gesamten Lebensdauer und bei der Schlachtung so gering wie möglich ist.
Kunden würden mit dem “Haltungskompass” dabei unterstützt, bewusst zu wählen, wie das Tier gehalten wurde, erklärte Lidl. Das Unternehmen setzt nach eigenen Angaben auf den Effekt, dass Verbraucher so verstärkt zu Fleisch aus artgerechterer Haltung greifen – und so “das Frischfleischangebot aus tierwohlgerechteren Haltungsformen ausgebaut werden kann”. Diese Erfahrungen habe bereits vor einigen Jahren bei Eiern gesammelt werden können.
“Lidl ist gleichzeitig überzeugt, dass für eine dauerhafte Verbesserung der Situation ein Engagement aller Akteure in der Lebensmittelbranche unabdingbar ist”, so eine Unternehmenssprecherin gegenüber CSR NEWS. In vielen Fällen erzeugten Lieferanten nicht ausschließlich für Lidl, sondern zugleich für andere Handelsunternehmen oder internationale Marken.
Der Deutsche Tierschutzbund begrüßte den Schritt von Lidl. “Konventionelle Produkte, die keinen Mehrwert im Vergleich zum gesetzlichen Standard bieten, sind nun als solche auch erkennbar”, erklärte der Verband. Der “Haltungskompass” werde die Bauern motivieren, “den Weg Richtung tiergerechte Haltung konsequent weiter zu gehen”, lobte auch der Verein Die Verbraucher Initiative.
Auf die schwierige Ausgangssituation weist Prof. Ute Knierim, Expertin für Tierhaltung an der Universität Kassel, hin:
„In der Schweinehaltung treffen wir auf eine ungünstige Ausgangslage mit einer sehr einheitlichen Haltung und sehr standardisierten Systemen, die sich nicht so einfach verändern lassen. Zudem geht es um viele einzelne Betriebe, die mit ökonomischen Herausforderungen und baulichen Gegebenheiten kämpfen.“ Verbesserungen des Tierwohls – wie die Abschaffung des Schwanzkürzens bei den Schweinen ohne hohe Verletzungszahlen – könnten deshalb nicht von heute auf morgen gelingen.