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Aufwachsen im Krisenmodus

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Eine große Mehrzahl der jungen Deutschen, legt Wert auf eine intakte Umwelt und hält mehr Umweltschutz für notwendig. Das geht aus einer aktuellen Studie des Bundesumweltministeriums hervor. Die Verantwortung dafür sehen sie beim Staat.

Berlin (csr-news) > Ein knappes Zehntel der Bevölkerung in Deutschland ist zwischen 14- und 22 Jahren alt. Ihre Haltung zu Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und nachhaltigem Konsum war Gegenstand der Studie „Zukunft? Jugend fragen!“. Dafür wurden im vergangenen Jahr über 1.000 Jugendliche mit unterschiedlichem familiären Hintergrund, unterschiedlichen Bildungsabschlüssen und aus verschiedenen sozialen Milieus befragt. Doch bei allen Unterschieden, gibt es auch gemeinsame Merkmale, die sie als Generation charakterisieren. „Dies hat damit zu tun, dass diese Altersgruppe – wie jede andere auch – in einer bestimmten zeitgeschichtlichen Epoche aufwächst. Die Gegebenheiten, Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Probleme und Herausforderungen der Zeit, in der Menschen sozialisiert werden, prägen ihr Weltbild auch in späteren Jahren“, schreiben die Autoren. So ist diese Generation mit weltweiter Vernetzung und Globalisierung aufgewachsen, aber ebenso mit der Realität sozialer Ungleichheit oder einer weltweiten Finanzkrise und Klimadebatte. In der Summe hat diese Generation neben den Vorzügen vor allem auch instabile Verhältnisse erlebt. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang vom „Aufwachsen im wirtschaftlichen Krisenmodus“. Stabilität und Sicherheit suchen die jungen Menschen deshalb vor allem im Familien- und Freundeskreis. Sie verstehen sich als „politisch“, meinen damit aber nicht die etablierte Politik. Sie wollen verändern, setzen sich aber nur ein, wenn sie meinen, unmittelbar etwas bewirken zu können.

Wem junge Menschen die Verantwortung für Umweltschutz zuschreiben

Quelle: BMUB-Studie „Zukunft? Jugend fragen!“

Dieser Blick auf die Lebensrealität ist wichtig, um auch die Einstellung beispielsweise zu Umweltschutz oder nachhaltigem Konsum zu verstehen. So sehen zwei Drittel der Befragten eine gute Ausbildung als Voraussetzung für ein erfolgreiches und vor allem selbstbestimmtes Leben. So suchen mehr als die Hälfte der Jugendlichen Anerkennung und Erfüllung im Beruf, genauso wichtig ist ihnen aber auch, das Leben „in vollen Zügen genießen“ zu können. „Wichtiger als eine traditionelle Karriere – verbunden mit hohen hierarchischen Positionen und Statussymbolen – ist ihnen Inspiration, Erfüllung und Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit“, heißt es in der Studie.

Die Natur ist schön, die Umwelt bedroht, Nachhaltigkeit abstrakt

Umwelt und Nachhaltigkeit sind Themen, die für Jugendliche einen hohen Stellenwert haben – grundsätzlich. In ihrem Alltag haben allerdings oft andere Dinge Vorrang – wie Ausbildung, Freizeit, Entspannung, Neues erleben und Lebensgenuss. Das sind die Themen, in die junge Menschen die meiste Zeit und Energie investieren. Dennoch haben sie ein ausgeprägtes Problembewusstsein im Hinblick auf die langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, das Thema Nachhaltigkeit muss angestoßen werden. Immerhin erachten 86 Prozent eine intakte Umwelt als wichtig für ein gutes Leben. In der Folge sind mehr als 70 Prozent auch grundsätzlich dazu bereit, für umweltverträgliche Produkte mehr zu bezahlen. „Doch nur mehr umweltfreundliche Produkte reichen nach ihrer Einschätzung nicht aus. Vielmehr sind fast drei Viertel der Befragten der Ansicht, dass für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen grundsätzliche Einschränkungen unseres bisherigen Lebensstandards unvermeidlich sind.“ Mehr Wirtschaftswachstum, auch wenn dies nur auf Kosten der Umwelt möglich ist, erteilte die Mehrheit denn auch eine Abfuhr. Vielmehr erwarten sie mehrheitlich (86 Prozent) vom Staat, durch gezielte gesetzliche Maßnahmen für den Schutz von Umwelt und Natur zu sorgen. Fast ebenso viele sehen aber auch die Verbraucher in der Pflicht. „Daneben sehen zwei Drittel auch die Wirtschaft in der Verantwortung. Allerdings stimmt nur ein Fünftel dem voll und ganz zu: Dahinter steht sicherlich auch die Sichtweise, dass „die Wirtschaft“ ja zunächst andere, nämlich wirtschaftliche Ziele verfolgt und verfolgen muss, während „Umweltschutz“ nicht in ihrem unmittelbaren Verantwortungs- und Interessensbereich liegt“, heißt es in der Studie.

Assoziationen zu Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit – kognitive und emotionale Bedeutungen

Quelle: BMUB-Studie „Zukunft? Jugend fragen!“

Dies führt zu der Frage, was die Jugendlichen eigentlich mit Begrifflichkeiten wie Umwelt und Nachhaltigkeit konkret verbinden. Mit besonders positiven Assoziationen wird der Begriff Natur verbunden, insbesondere, weil eine intakte Natur unmittelbar erlebbar ist. Negative Assoziationen im Zusammenhang mit Natur beziehen sich meist auf deren Zerstörung, Verschmutzung oder Ausbeutung. „Doch negativ getönte Assoziationen zu „Natur“ sind auffällig selten“, schreiben die Autoren.

Anders sieht es beim Begriff Umwelt aus. „Hier herrschen negative Assoziationen vor und es wird eine Vielzahl von Umweltproblemen benannt.“ Besonders kritisch wird wahrgenommen, dass die Umwelt bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen oftmals keine große Priorität hat. Die Umwelt stellt sich für die Jugendlichen vor allem als eine bedrohlich komplexe Mischung von Problemzusammenhängen dar, die ein Gefühl von Verwirrung, Unsicherheit und Machtlosigkeit hinterlässt.

Mit „Nachhaltigkeit“ verbinden die Befragten vor allem einen sparsamen Umgang mit Ressourcen. In diesem Zusammenhang werden vor allem Themen wie Mobilität, Energie und Konsum genannt. Ökonomische oder soziale Aspekte des Nachhaltigkeitsbegriffs sind bei jungen Menschen wenig präsent. „Bei vielen Assoziationen zum Stichwort Nachhaltigkeit kommt keine – sei es positive oder negative – emotionale Bewertung oder Beteiligung zum Ausdruck. Die Äußerungen wirken rational, faktisch, abstrakt und äußerlich. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass der Begriff der Nachhaltigkeit für viele junge Menschen mit wenig Leben gefüllt und weit weg von ihrer Lebenswirklichkeit ist“, so die Autoren.

Statusorientierter und nachhaltiger Konsum spielen eine Rolle

Nachhaltiges Verhalten und schneller, statusorientierter Konsum passen für junge Menschen problemlos zusammen. Viele Reisen, ein eigenes Auto und preiswert einkaufen werden von rund der Hälfte der Befragten genannt, wenn sie zu den Dingen befragt werden, die ihnen wichtig sind. Nachhaltigkeit im Konsum wird beispielsweise bei der Vermeidung von Plastik oder beim Kauf fair gehandelter und/oder biologisch angebauter Produkte sichtbar. Neue Techniktrends ist nur für eine Minderheit bedeutend, ebenso wie eine vegane oder vegetarische Ernährung. „Insgesamt zeigt sich, dass die Dinge des statusorientierten und beschleunigten Konsums für junge Menschen aus Haushalten mit einem überdurchschnittlichen Lebensstandard besonders wichtig sind“, so ein Ergebnis der Studie. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ein großer Teil der Jugendlichen von einer zunehmenden Bedeutung des statusorientierten Konsums ausgeht. Die Forscher erklären dies mit der Projektion der eigenen Wünsche in die Zukunft. Denn während sich viele junge Menschen heute noch nicht immer die neueste Technik, die neueste Mode oder ein Auto leisten können, so hoffen sie doch, dass dies in Zukunft der Fall sein wird. Überraschen war für die Forscher die Tatsache, dass gerade die neueste Technik und Mode nur für wenige junge Menschen als wichtig genannt wurde, da gerade diese Produkte unter Jugendlichen oftmals den Charakter von Statussymbolen haben. „Möglicherweise werden diese Produkte von den jungen Menschen selbst aber als so normal wahrgenommen, dass ihnen aus diesem Blickwinkel der Selbstverständlichkeit heraus keine besondere Wichtigkeit zugeschrieben wird“, so die Autoren der Studie.

Wichtige Anreize für nachhaltiges Verhalten

Quelle: BMUB-Studie „Zukunft? Jugend fragen!“

Im Gegensatz zum statusorientierten Konsum glauben die Jugendlichen nicht an eine Zunahme nachhaltigkeitsorientierter Verhaltensweisen. „Obwohl umweltfreundliche Verhaltensweisen von vielen jungen Menschen ausdrücklich befürwortet und gewünscht werden, so geben sie doch einem verallgemeinerten nachhaltigen Konsumverhalten eher geringe Chancen“, heißt es dazu in der Studie. Eine Erklärung liegt vielleicht in der mangelnden Bereitschaft zum Verzicht. Das eigene nachhaltige Verhalten zeigt sich am ehesten beim Verzicht auf Plastiktüten. Weniger Flugreisen, weniger Fleisch oder die Beachtung von Ökosiegeln sind dagegen für die Mehrheit keine denkbaren Optionen. Ein wirksamer Hebel zur Verhaltensänderung könnte im veränderten Verhalten der jeweiligen Peer-Group liegen. So heißt es in der Studie: „Wenn umweltfreundliches Verhalten zu einer akzeptierten und breit praktizierten Norm würde, sähen diese Befragten darin einen Anlass, auch sich selbst stärker um ein solches Verhalten zu bemühen.“

Nachhaltigkeit in der Bildung

Bildungsinstitutionen sind nah an den jungen Menschen und können Einfluss auf deren Handlungen haben. Im Kontext von Nachhaltigkeit zeigt sich dies vor allem bei sehr alltagsnahen Themen wie dem Energiesparen. So ist es für einen großen Teil inzwischen selbstverständlich das Licht auszuschalten, wenn niemand mehr im Raum ist. Grundsätzlich hält zwar nur ein kleiner Teil die Integration von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung für wichtig, allerdings ist das Interesse größer, je näher das Thema am Alltag ist. Die Bereitschaft sich beispielsweise im Rahmen von Projekten auch außerhalb der regulären Bildungsangebote mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen ist allerdings wenig ausgeprägt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Jugendliche haben ein hohes Interesse an Bildungsangeboten zu Nachhaltigkeitsthemen. Wenn wir diesen Bildungsauftrag ernstnehmen, können wir junge Generationen für Umwelt- und Klimaschutz begeistern und sie motivieren, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen.“


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