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Risiko Greenwashing: Wie gefährdet sind Unternehmen weltweit?

Grafik: Unsplash+ / Alex Shuper

Rund um den Globus entstehen neue Gesetze gegen ‚grüne‘ Aussagen, die nicht ausreichend belegt sind. Und die zunehmende Pflicht zur ESG-Berichterstattung erhöht die Transparenz zum Thema Nachhaltigkeit drastisch. Wer sich nicht an die neuen Vorschriften hält, muss mit Geldstrafen rechnen.

Von Daniel Silberhorn

Der Slogan ‘Fly Responsibly’ ist in den Niederlanden einigen sauer aufgestoßen. Er ist Teil einer Werbekampagne von KLM, die sich auf die Nachhaltigkeitsbemühungen der niederländischen Fluggesellschaft konzentriert. Das sei Greenwashing, so zwei regionale NGOs.

Das Bezirksgericht Amsterdam gab ihnen im März 2024 recht: Die Aussagen seien irreführend, denn einige Behauptungen seien zu vage und zeichneten ein zu positives Bild. Damit suggerierten sie laut Gericht nachhaltige Flüge, obwohl die getroffenen Umweltschutz-Maßnahmen ‚nur wenig nutzten‘.

Ein richtungsweisendes Urteil. Und weitere Entscheidungen sind zu erwarten: Ende April 2024 haben die EU-Regulierungsbehörden die Ermittlung aufgenommen gegen 20 Fluggesellschaften wegen möglichen Greenwashings. Ein klarer Trend: Die Anzahl der Klagen mit Bezug zum Klimawandel hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt, wie das UN-Umweltprogramm (UNEP) berichtet. Diese Zahl dürfte angesichts zunehmender Berichtspflichten in der EU und somit mehr Transparenz noch steigen.

Wegen Greenwashings kritisiert zu werden ist äußerst unangenehm. Negative Berichterstattung kann zu einem beträchtlichen Reputationsschaden führen, bis hin zu Boykotten. In jedem Fall untergräbt Greenwashing das Vertrauen von Verbrauchern und Investoren in das Unternehmen. Mehr noch: Immer mehr Greenwashing-Fälle landen vor Gericht. Und überall auf der Welt entstehen neue Gesetze.

Dabei geht es sowohl um die Finanzmärkte als auch und ganz besonders um den Verbraucherschutz. Und es gibt keine Region, in dem Vorschriften gegen Greenwashing derzeit nicht diskutiert werden.

Von den USA bis Australien: Neue Anti-Greenwashing-Gesetze

In der größten Volkswirtschaft der Welt ist Bewegung: In den USA hat die Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission) erst im März 2024 Regeln zur Verbesserung und Standardisierung der klimabezogenen Offenlegung verabschiedet. Dieser Schritt folgt auf das dritte kalifornische Klimagesetz, das im Oktober 2023 erlassen wurde und Greenwashing aufs Korn nimmt.

Im asiatisch-pazifischen Raum beschleunigen einige Regierungen ihre Initiativen. Südkorea zum Beispiel war das erste ostasiatische Land, das im Januar 2023 ein entsprechendes Gesetz entwickelt hat. China publizierte im März 2024 Vorschriften gegen Greenwashing, und im selben Monat gab es in Australien sogar die erste erfolgreiche Zivilklage wegen Greenwashings in der Geschichte des Kontinents.

Auch in Lateinamerika arbeiten verschiedene Länder eifrig an neuen Regelungen, die Greenwashing ausbremsen sollen. Perú hat über seine Wettbewerbsbehörde Sanktionen eingeführt, und Chile arbeitet an der Verabschiedung durch den Kongress. Auch in Kolumbien liegt ein Antrag im Parlament vor.

In Afrika ist die Regulierungslandschaft bisher eher zersplittert. Einige Beobachter beklagen, dass generell umfassende, klare Vorschriften und Standards für die Überprüfung von Ansprüchen fehlen. Dennoch gibt es sie: In Südafrika beispielsweise ist die Gesetzgebung zwar nicht explizit, aber einschlägige Normen sind Teil des Verbraucherschutzgesetzes und freiwilliger Standards.

In Europa gibt es in den Mitgliedstaaten einige Gesetze auf nationaler Ebene, wie z. B. das deutsche Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Nachbar Frankreich hat als eines der wenigen Länder weltweit Greenwashing sogar unter Strafe gestellt sowie die entsprechenden Sanktionen in seinem Klima- und Resilienz-Gesetz von 2021 noch weiter verschärft.

Europäische Union Vorreiter bei grünen Gesetzen

Die Europäische Union kann mit seiner Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UCPD) aus dem Jahr 2007 als Vorreiter im Kampf gegen Greenwashing gelten. Und im Rahmen des Europäischen Green Deals kündigte die Europäische Kommission bereits 2019 Pläne zur Verringerung des Risikos falscher umweltbezogener Angaben an und schrieb sich ins Buch, sie zu unterbinden:

  • generische Umweltaussagen ohne Nachweis
  • Umweltaussagen, die sich stark auf Offsetting stützen
  • Nachhaltigkeits-Labels, die Standards nicht einhalten

Die EU-Green-Claims-Direktive ist die jüngste europäische Neuerung. Die am 12. März 2024 verabschiedete neue Richtlinie legt fest, welche Details zugänglich gemacht werden müssen, bevor eine Umweltaussage veröffentlicht werden darf. Die Direktive enthält auch Einzelheiten zur Überprüfung durch Dritte und zu Sanktionen. Mögliche Geldstrafen könnten mindestens 4% des Jahresumsatzes betragen. Behauptungen, die ausschließlich auf Kompensation von CO2 beruhen, sind gänzlich illegal.

Die Gefahr ist real für die Unternehmen: Mehr als die Hälfte der Befragten gab in einer Studie an, dass sie Aussagen zum Umweltschutz treffen. Allein in der Europäischen Union gibt es 230 unterschiedliche Umweltzeichen. Gleichzeitig stellte die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (CMA) fest, dass 40 % der online getroffenen Umweltaussagen von Unternehmen wahrscheinlich irreführend oder gar falsch sind. Dies stellt ein ernsthaftes Risiko für Unternehmen dar – über die Reputation hinaus.

Gefahr von Greenwashing für viele Unternehmen real

Die Verwendung des Begriffs „klima-neutral‘ stellt ein besonderes Risiko dar. NGOs verklagen immer wieder Unternehmen, deren Klimaneutralität größtenteils auf Kompensation beruhen. Im vergangenen Jahr haben daher mehrere große Marken ihre Behauptung, klima-neutral zu sein, zurückgenommen.

Wenig überraschend, dass Unternehmen nun verstärkt nach Instrumenten suchen, die ihnen dabei helfen, zu verstehen, welche Risiken in ihrer Wertschöpfungskette bestehen könnten. Der online verfügbare SLR Greenwashing Risk Detector bietet dafür einen nützlichen Ausgangspunkt – kostenfrei.

Das Prinzip ist sehr einfach: Greenwashing findet in der Lücke zwischen Taten und Worten statt.

Der erste Schritt ist daher, sich darüber klar zu werden, wie sehr das Unternehmen einem möglichen Risiko ausgesetzt ist – wie sehr ist es exponiert: Ist es in einer Branche mit hohem Einfluss auf die Umwelt tätig? Ist es ein großes Unternehmen? Wurde es in der Vergangenheit bereits kritisiert?

Als zweiter Schritt: Wie etabliert und ausgereift ist der aktuelle Ansatz für das ESG-Management von Strategie bis Reporting? Und als Drittes: Wie wird darüber kommuniziert und in welchem Maße sind die Stakeholder einbezogen sowie Nachhaltigkeit in der Kultur des Unternehmens verankert?

Generell gilt natürlich: Wer nicht kritisiert werden möchte, sollte sein Haus in Ordnung bringen und wahrheitsgemäß und mit stabilen Nachweisen über die Reise kommunizieren. Wer sich an die einschlägigen Standards hält mit Blick auf die Gesetzgebung, muss sich die geringsten Sorgen machen.


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