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„Nachhaltigkeit und Demokratie gehen Hand und Hand.“

Foto: followfood GmbH

Das Interview mit Julius Palm von followfood

Friedrichshafen (csr-new) – In einem Post auf LinkedIn äußerte sich Julius Palm, Stellvertretender Geschäftsführer bei followfood, ungewöhnlich klar und differenziert zum Thema „Corporate Political Responsibility“. Dadurch wurde die CSR NEWS-Redaktion auf ihn aufmerksam. Followfood, ein Unternehmen der Bio-Lebensmittel-Branche, hatte eine Pizza kreiert, die für erhebliche Aufmerksamkeit und Diskussionen sorgte. Das Interview führte Achim Halfmann.

CSR NEWS: Mit Ihren Pizzen „Bio Pizza Antirassisti“ und „Bio Pizza Diversi“ haben Sie Produkte gestaltet, die ein gesellschaftspolitisches Statement transportieren. Wie ist es dazu gekommen?

Julius Palm: Vor etwa eineinhalb Jahren entwickelten wir das Bedürfnis, ein Produkt zu entwickeln, das klar Haltung bezieht für Vielfalt und Toleranz. In einem Umfeld, in dem Rassismus immer stärker sichtbar wurde und es mehr darum geht was uns trennt, statt was uns verbindet, wollten wir zeigen: Wir stehen für Vielfalt und Toleranz. Es ging uns dabei nicht nur um Marketing, sondern darum, ein Produkt mit gesellschaftlichem Impact zu schaffen. So entstand die Idee zu zwei Pizzen:

Die „Bio Pizza Antirassisti“ steht für eine antirassistische und weltoffene Haltung. 1% des Erlöses geht an die NGO „exit Deutschland“, die Menschen beim Ausstieg aus rechtsextremen Szenen unterstützt.

Die „Bio Pizza Diversi“ steht dafür, dass Vielfalt ein Naturgesetz ist. Diversität gehört zu den Wurzeln der ökologischen Landwirtschaft. Und ebenso wie auf dem Acker brauchen wir Diversität für eine vielfältige und offene Gesellschaft. 1% des Erlöses geht hier an die Aktion „Queeramnesty“ von Amnesty International Deutschland und deren Einsatz für die Rechte queerer Menschen.

Julius Palm (Foto: David Maupilé / followfood GmbH)

Welche Reaktionen erleben Sie auf diese Pizzen?

Vor allem die „Bio Pizza Antirassisti“, die vor einem Jahr herauskam, wird heute wieder viel rezipiert. Am häufigsten erreichen uns Zustimmung und Anerkennung: Menschen lieben es, das Unternehmen in diesem Bereich endlich Stellung beziehen.

Es gab auch konstruktiv-kritische Rückmeldungen von Menschen, die hinterfragen, ob wir mit dieser klaren Positionierung auf dem richtigen Weg sind.

Eine Minderheit reagierte mit Anfeindungen und signalisierte damit, dass sie für Rassismus und gegen Diversität sind. Für mich heißt das: Wir befinden uns an einem Punkt, an dem Antirassismus keine Selbstverständlichkeit ist.

Wie verkaufen sich die beiden Pizzen?

Sie sind keine Kassenschlager, aber sie laufen gut und bewegen sich im Mittelfeld.

Welche Reaktionen haben sie von innen, von ihren etwa 100 Mitarbeitenden, erhalten?

Die Themen haben wir mit unseren Kolleg:innen besprochen. Einige haben eine solche klare Positionierung erwartet und viele zeigten ihre Freude darüber, bei einem Unternehmen zu arbeiten, das hier nicht schweigt.

In Ihrem LinkedIn-Post schreiben Sie: „Unternehmen können nie neutral sein.“ Wie begründen Sie das?

„Unternehmen können nie neutral sein“ gilt für die Nachhaltigkeits-Debatte genauso wie für die demokratietheoretische Debatte. Unternehmen sind von Menschen für Menschen gemacht – letzteres hoffe ich zumindest. Von Anfang an sind sie ein integraler und interdependenter Teil der Gesellschaft. Und als Teil der Gesellschaft müssen wir uns mit den dort diskutierten Themen auseinandersetzen und Haltung zeigen. Ich glaube Unternehmen haben eine Corporate Political Responsability (CPR). Als Unternehmen muss ich über meine Wirkung nachdenken. Das macht mich automatisch politisch.

Zugleich sind unternehmerisches Handeln ursächlich für die Überschreitung planetarer Grenzen und für manche soziale Ungleichheit, weil wir die falschen Dinge incentivieren.

Unternehmen sind zugleich der größte Hebel, wenn wir über die ökologische und soziale Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft nachdenken.

In Ihrem Post schreiben Sie auch: „Gelder für und die Machtunterstützung von Antidemokraten und Neofaschisten kommt aus Unternehmer:innen-Kreisen.“ Und weiter: „Das ist auch der Grund, warum wir uns bei followfood für nachprüfbare Transparenz einsetzen, damit man nicht nur der Unternehmenskommunikation vertrauen muss“. Was genau meint diese „nachvollziehbare Transparenz“?

Zuletzt sahen wir in der Correctiv-Recherche zu dem Geheimtreffen in Potsdam, dass rechtsextreme Szenen von Unternehmern finanziert werden. Ich wünsche mir eine Transparenz darüber, ob Unternehmer:innen und Unternehmen zu den Grundwerten einer offenen Gesellschaft stehen , damit Menschen eine informierte Kaufentscheidungen treffen können. Wenn Unternehmen sich politisch engagieren – etwa für rechtsextreme Parteien oder Gruppierungen – sollten das lieber offen passieren. Transparenz hilft immer, um klar zu sehen. Deshalb legen wir bei followfood über unseren Trackingcode unsere Lieferketten offen und lassen uns Gemeinwohl-Ökonomie bilanzieren. Damit Konsument:innen wissen von wem und was sie kaufen.

Ein letztes Zitat aus Ihrem LinkedIn-Post: „Nachhaltigkeit und Demokratie gehen Hand und Hand.“ Warum ist das so?

Es kann nur stabile Demokratien geben, wenn unsere Lebensgrundlagen stabil sind. Ökologische Kipppunkte sind auch Kipppunkte für Demokratien. Es muss klar sein, dass die ökologische Transformation, also gut gemachter Klima- und Biodiversitätsschutz, längst kein Öko-Projekt mehr ist. Es geht um Lebensverhältnisse, Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit, Migration, Gesundheitsversorgung. Die sozial verträgliche Einhaltung der planetaren Grenzen und damit der sozial-ökologische Umbau der globalen Wirtschaft ist eines der größten politischen Projekte aller Zeiten.

Zusätzlich sehen wir in der Forschung, dass demokratische Staaten in Sachen Nachhaltigkeit besser aufgestellt sind als autoritär regierte. Ich bin überzeugt davon, dass wir zentrale Probleme wie die Überschreitung planetarer Grenzen oder soziale Ungleichheit nur in einer demokratischen Gesellschaft effektiv angehen können, in der alle Beteiligten Stellung beziehen können und gehört werden.

Als Unternehmen sind wir auf eine funktionierende Demokratie angewiesen. Nehmen Sie das Beispiel ökologische Nachhaltigkeit: Wenn wir Lebensmittel so produzieren wollen, dass die Produktion planetare Grenzen nicht überschreiten, werden diese Produkte deutlich teurer. Und wenn wir nicht wollen, dass diese Nachhaltigkeit ein Elitenprojekt bleibt, müssen wir über Verteilungsmechanismen nachdenken. Die Lasten können wir nicht alleine den Landwirt:innen oder den Verbraucher:innen aufladen. Die Aushandlung solcher Verteilungsmechanismen braucht ein demokratisches Gefüge.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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