Dresden (csr-news) – Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD halten landesweit an. Sollten sich Unternehmen gegen Rechtsextremismus positionieren? Und auch gegen die AfD? Wie konkret, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Strategie sollten Unternehmen handeln? Und wie wäre ein solches Engagement wirtschaftsethisch begründet? Darüber sprach CSR NEWS mit Markus Scholz, der an der Technischen Universität Dresden Betriebswirtschaft lehrt – mit einem Schwerpunkt auf Responsible Management. Das Gespräch führte Achim Halfmann.
CSR NEWS: Sollten sich Unternehmen politisch gegen Rechtspopulismus und Extremismus positionieren?
Prof. Dr. Markus Scholz: Ja, ich würde diesbezüglich rekurrieren auf Unternehmen als Corporate Citizens, als republikanische Unternehmensbürger. Sie verfügen über eine Reihe von Rechten, sind selbst in die Gemeinschaft eingebunden und ihren Stakeholdern gegenüber verpflichtet. Auf das Funktionieren einer freien und offenen Gesellschaft sind sie angewiesen.
Damit unterscheide ich mich von einigen anderen Wirtschaftsethikern, die sagen: Die Rolle von Unternehmen beschränkt sich auf ihre Rolle als Steuerzahler, Innovationsschaffer, Produkt- und Servicegeber. So eine Reduzierung ist m.E. nicht durchzuhalten.
Wie weit sollte ein solches politisches Engagement reichen?
Es geht nicht darum, dass Unternehmen Parteipolitik betreiben, sie dürfen sich nicht zu jedem politischen Thema positionieren. Gefragt sind sie aber dann, wenn es um die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften, also den größeren Kontext, geht.
Einige Wirtschaftsethiker, zu denen ich auch zähle, konstatieren, dass die Rechtspopulisten und Extremisten mit ihren antiliberalen Zügen per se die Bedingungen für die Möglichkeiten des Wirtschaftens, wie wir es kennen, gefährden. Mein St. Gallener Kollege Thomas Beschorner und ich schreiben an anderer Stelle: „Eine der zentralen Errungenschaften in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ist die Soziale Marktwirtschaft. Diese erfordert eine demokratische Verfassung, wie sie umgekehrt – will sie das Soziale in ihrem Namen verdienen – zur freiheitlich-demokratischen Gesellschaft beiträgt. Walter Eucken, einer der Begründer des Ordoliberalismus, nannte das die ‚Interdependenz der Ordnungen‘. Das freie Individuum, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sind dabei aufeinander angewiesen. Gerät eine dieser Säulen in Gefahr, so wanken auch die anderen. Unternehmen können an derlei Unsicherheit nicht interessiert sein.“
Ich würde deshalb bezweifeln, dass eine Positionierung gegen die AfD parteipolitisches Engagement ist. Es geht nicht um das Engagement gegen eine Partei, sondern gegen Rechtsextremismus … was die AfD insoweit trifft, als sie in Sachsen und Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt.
Wir müssen jedenfalls der Diskussion um die politische Verantwortung von Unternehmen mehr Raum geben.
Wo wird diese Diskussion, die Sie einfordern, bereits geführt?
Wir haben uns im Arbeitskreis Wirtschaftsethik der Schmalenbach-Gesellschaft, den ich leite, in diesem Jahr für den thematischen Schwerpunkt „politische Verantwortung“ entschieden. Dort diskutieren wir, ob und welche politische Verantwortung Unternehmen tragen und wie sie diese umsetzen können.
Vor 30 Jahren war dieses Thema ein No-Go. Der Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine hat etwas verändert. Weltweit gibt es immer weniger Demokratien und die Sorgen vor dem Verlust liberaler Gesellschaften wachsen angesichts kriegerischer Konflikte und eines zunehmenden Populismus. Da spielen Unternehmen eine Rolle und sie können sich nicht einfach politisch wegducken.
Zum Wie dieses Engagements gibt es in Ausbildung und Forschung allerdings noch erhebliche Defizite. Nicht beim klassischen Lobbying, aber wenn es beispielsweise um den Schutz liberaler Demokratien geht. Zu der Frage, welche Strategien und Taktiken wirken, haben wir bisher wenig geforscht, und entsprechende Themen fehlen in unseren Curricula. Das Interesse der Studierenden an diesem Thema ist seit dem Ukraine-Krieg deutlich gewachsen.
Wann und wie sollten Unternehmer oder CEOs also konkret politisch handeln?
Grundsätzlich bestimmt jedes Unternehmen den Zeitpunkt und den Umfang des Engagements selbst.
Auch wenn jede einzelne nichtwidersprochene menschenverachtende Aussage eines Rechtsextremen eine zu viel ist, können sich Manager nicht ständig in die Tagespolitik einmischen. Es würde sie nicht nur überfordern, sondern maßgeblicher: Ihre Stimmen würden in der allgemeinen Kakophonie untergehen.
Sinnvoller ist die Bestimmung des Zeitpunkts für das unternehmerische Engagement an den Dimensionen „eigener Einfluss“ und „Dringlichkeit“. Je stärker der eigene Einfluss als Unternehmen und je größer die Dringlichkeit des Themas, je konkreter wird der Handlungsbedarf.
Ausgehend von dieser Bestimmung können grundsätzliche Strategien des politischen Engagements abgeleitet werden. Bei geringem eigenen Einfluss und geringer Dringlichkeit bietet sich eine nicht-konfrontative Strategie an. Unternehmen können sich in diesen Situationen dennoch engagieren, beispielweise indem sie zivilgesellschaftliche Initiativen und NGOs unterstützen. Ist der Einfluss eines Unternehmens hoch, kann es sich im ansonsten gleichen Szenario direkter etwa mit Aufklärungs- und Bildungskampagnen nach innen und außen einbringen.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
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