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„Unter den Geflüchteten sind Talente, die wir als Unternehmen an Land ziehen wollen“

Diaa Almsouty und Diana Klömpken, 3M Neuss (Foto: Achim Halfmann / CSR NEWS)

Inklusion und Diversität bei 3M

Neuss (csr-news) – Wie gelingt die Integration von Geflüchteten in Arbeit? CSR NEWS besucht Betriebe, die Menschen mit Migrationshintergrund Arbeit und Ausbildung ermöglichen. Am Hauptsitz von 3M Deutschland in Neuss sprechen wir mit Diana Klömpken, bei 3M zuständig für junge Talente in der EMEA-Region, und mit Diaa Almsouty, CRM-Experte und ehemaliger Auszubildender des Unternehmens.

Seit 1951 ist der rund 50 Jahre zuvor in Minnesota, USA, gegründete Multi-Technologiekonzern mit einer Niederlassung in Deutschland tätig. Hierzulande ist er durch seine Haftnotizen Post-it‘s bekannt. Global ist 3M mit Niederlassungen in über 70 Ländern und rund 93.000 Mitarbeitenden tätig.

Für 3M ist der Fachkräftemangel eine Herausforderung. Bei der Gewinnung neuer Talente setzt 3M auch auf jüngst nach Deutschland migrierte Menschen. „Unter den Geflüchteten sind Talente, die wir als Unternehmen an Land ziehen wollen“, sagt Diana Klömpken. Dass Menschen mit Migrationshintergrund zu 3M finden, ist nicht selbstverständlich. Anfangs habe sie sich über die geringe Zahl an Interessenten aus diesem Personenkreis gewundert, berichtet die Talent-Verantwortliche. Bewerbungen kamen über Netzwerke, persönliche Empfehlungen oder – klassisch – Stellenausschreibungen.

3M gehört zum DIHK-Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“, Diana Klömpken war ein Jahr lang als Regionalbotschafterin NRW für das Netzwerk unterwegs.

Engagement in 3M Employee Resource Networks

Der Technologiekonzern präsentiert sich als globales, weltoffenes Unternehmen. „Diversität und Inklusion sind fest in unserer Unternehmenskultur verankert“, sagt Klömpken. Eine 3M-Besonderheit sind die Employee Resource Networks (ERNs): von Mitarbeitenden geführte Interessensgruppen, die sich für Vielfalt und Diversität im Unternehmen einsetzen und vom Konzern gefördert werden. Beispiele sind 3M Pride, das Women Leadership Forum oder das Diverse Ability Network.

Mitarbeitende können 15% ihrer Arbeitszeit unternehmensintern für Projekte einsetzen, die ihnen persönlich besonders wichtig sind. Das sind häufig Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch Themen wie Umweltschutz oder die ERNs. Klömpken: „Wir feiern den International Womens Day und den Pride Month mit. Da setzen wir ein Zeichen und dabei kommt auch extern sichtbar die Regenbogenflagge raus.“

„Kompass D“

Etwa 25 Mitarbeitende von 3M bringen ihre flexible Arbeitszeit in ein Mentoringprogramm der Initiative „Kompass D“ ein. „Kompass D“ startete als Unternehmenskooperation mit dem Ziel, junge Geflüchtete in die Arbeitswelt zu integrieren. Inzwischen wird die Initiative vom Rhein-Kreis Neuss in Kooperation mit der Stadt Neuss und Neusser Unternehmen getragen und zielt darauf, junge Menschen ohne Schulabschluss – egal welcher Herkunft – ausbildungsfähig zu machen.

Mentor und Mentee verbringen einmal in der Woche Zeit miteinander, tauschen sich aus und lesen Texte. Das fördert den Sprach- und Kulturerwerb. Seit drei Jahren beteiligt sich 3M an „Kompass D“.

Engagierte Ausbilder

Einen wichtigen Beitrag für die erfolgreiche Integration Geflüchteter in Ausbildung leisten engagierte Ausbilder, die Besuche bei Botschaften oder Ausländerbehörden begleiten, wenn es um Passangelegenheiten oder den Aufenthaltsstatus geht. „Das ist teilweise äußerst kompliziert“, weiß Klömpken. Und so kommt es vor, dass Auszubildende weinend in den Betrieb kommen –  mit Schreiben in den Händen, die auf eine drohende Abschiebung hinweisen.

Mehr Flexibilität – mehr Unterstützung

Angesichts der vielseitigen Herausforderungen wünscht sich Diana Klömpken mehr Unterstützung seitens der Industrie- und Handelskammern. Und mehr Flexibilität in den Berufskollegs: Bei 3M Deutschland sind Menschen aus zwölf Nationen in Ausbildung, die Prüfungen werden für alle in deutscher Sprache gestellt. „Auch in gewerblich-technischen Berufen werden etwa in Mathematik-Prüfungen komplexe Textaufgaben gestellt“, so Klömpken, die sich angesichts globaler Arbeitsmärkte auch mehrsprachige Prüfungen vorstellen könnte.

Mit 30 Jahren aus Damaskus nach Neuss

Über eine Ausbildung zum Industriekaufmann hat Diaa Almsouty in das Unternehmen 3M hineingefunden. Er war 30 Jahre alt, hatte das Abitur in der Tasche und arbeitete als Qualitätsbeauftragter in einer Firma in Damaskus, als er aufgrund des Bürgerkrieges aus Syrien fliehen musste. Seine Schwester lebte bereits seit 2008 in Neuss und half ihm bei den ersten Schritten in Deutschland.

Inzwischen ist Almsouty in Deutschland eingebürgert, ist verheiratet und Vater zweier Töchter. „Ohne Sprache geht nichts“, sagt der 3M-Mitarbeiter, der sein Unternehmen über ein Praktikum kennenlernte. Der Weg in den Beruf eröffnete ihm zugleich einen Zugang zur deutschen Kultur. „Ich würde jedem empfehlen, hier bei null anzufangen. In meiner Ausbildung habe ich so viele neue Worte gelernt – und dadurch auch, wie Deutsche denken.“

Besonders aufgefallen ist Almsouty, dass Deutsche für alles Termine vereinbaren – auch für private Verabredungen zum Essen. „In Syrien ist vieles spontaner.“ Eine schöne Erfahrung war für den Berufseinsteiger, dass Kollegen und Vorgesetzte seine Kultur akzeptierten –wenn es etwa um Elemente des muslimischen Glaubens wie das Fasten oder das Zuckerfest ging.

Sprachkenntnisse als Schlüssel zum Erfolg

Mit einem Sprachkurs auf B2-Niveau bereitete sich Almsouty auf die Ausbildung vor, aber: „Allgemeine Sprachkenntnisse reichen in der Berufsschule nicht“, so seine Erfahrung. Hilfreich war, dass ihm Ausbilder und Kollegen vieles in einfachen Beispielen erklärten. Almsouty weiter: „Die ersten sechs Monate waren sehr herausfordernd, ohne Unterstützung hätte ich das nicht geschafft. Danach hat sich das gelockert.“

Nach verschiedenen Stationen im Unternehmen ist der junge Mann heute verantwortlich für CRM-Projekte. „Ich weiß, dass die Berufsausbildung ein guter Berufseinstieg ist. Die Ausbildung zum Industriekaufmann hier in Deutschland ist ein Traum“, sagt Almsouty. Allerdings sei das duale Ausbildungssystem vielen Geflüchteten unbekannt: „Viele wollen studieren.“

Rechtsextreme Positionen bereiten Sorgen

Die Diskussionen um rechtsextreme Überlegungen zu einer „Remigration“, einer massenweisen Ausweisung von Ausländern, bereiten Almsouty Sorgen. „Ich glaube, ich muss das ernst nehmen“, sagt er. Diese Leute könnten tatsächlich etwas bewirken. Und in Syrien habe er erlebt, wie Entwicklungen eintraten, mit denen niemand gerechnet habe. Diaa Almsouty weiter: „Was kommt in Zukunft? Niemand weiß das. Aber Neuss ist mein Zuhause.“

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