41.CSR-MAGAZIN Corporate Political Responsibility CSR_NEWS

„Unternehmen halten einen mächtigen Hebel in der Hand“

Foto: Unplash+

CPR: Das Gespräch mit Kai Unzicker von der Bertelsmann Stiftung

Gütersloh (csr-news) – Wie tief geht die Spaltung unserer Gesellschaft? Und welchen Beitrag können Unternehmen für deren Zusammenhalt leisten? Darüber sprach CSR NEWS mit Kai Unzicker. Der promovierte Erziehungswissenschaftler ist Experte der Bertelsmann Stiftung für Demokratie und Zusammenhalt. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

CSR NEWS: Wie steht es um die politische Spaltung in der deutschen Gesellschaft?

Dr. Kai Unzicker: Wir haben nicht die Situation wie in den USA oder zeitweise in Polen und Großbritannien: Wir haben keine tiefe Spaltung, allerdings eine Gesellschaft die durch anhaltende Krisen, wie den Ukrainekrieg, die Inflation oder Corona erschöpft und dünnhäutiger geworden ist. Aber es ist ein starker Zusammenhalt da, und das sind gute Voraussetzungen für die Zukunft.

Mit Blick auf die großen gesellschaftlichen Konflikte und politischen Streitthemen nehmen wir links und rechts im politischen Spektrum laute Stimmen wahr: Die einen sagen, wir müssen schneller vorangehen. Auf der anderen Seite steht eine Gruppe, die aufgrund von Krisenerfahrungen und der Sehnsucht nach Sicherheit eher nostalgisch und rückwärtsgewandt ist. Umfragen allerdings zeigen: Dazwischen gibt es eine recht breite Mitte, die weder das eine noch das andere Extrem will – und die in Teilen auch unpolitisch ist. Wobei die aktuellen Demonstrationen womöglich eine Trendumkehr zur Politisierung der Mitte darstellen könnten. Das Risiko besteht aber darin, dass Konflikte von den Rändern in die Mitte getragen werden.

Wo sind in dieser Situation Unternehmen gefordert und welchen Beitrag können sie leisten?

Dr. Kai Unzicker (Foto: Bertelsmann Stiftung)

Wir sprechen hier von politischer Verantwortung, von einer Verantwortung für die Demokratie, die weiter geht als klassische CSR-Themen. Viele Unternehmer erleben, dass politische Konflikte und Polarisierungen in ihre Unternehmen hineinreichen. Unternehmen können darauf einwirken, indem sie für eine offene Unternehmenskultur eintreten, in der eine Auseinandersetzung mit Konfliktfragen möglich ist und in der über den Umgang miteinander diskutiert werden kann.

Unternehmen sind auf eine funktionierende Demokratie angewiesen, denn sie bietet Rechtssicherheit – auch wenn manche Regeln etwas bürokratisch daherkommen. Auch deshalb sollten sich Unternehmen engagieren, wenn autoritäre und antidemokratische Tendenzen die Gesellschaft zu spalten drohen. Wenn sich Unternehmen zu Wort melden, genießen sie in der Bevölkerung eine hohe Reputation.

Und auch beim sogenannten Corporate Volunteering gibt es Schnittstellen zu einem parteiübergreifenden politischen Engagement: Unternehmen können etwa dafür werben, dass sich ihre Mitarbeitenden als Wahlhelfer oder in der Flüchtlingshilfe engagieren – oder in anderen Projekten mit politischer Bedeutung.

Wie wichtig ist die Stimme der Unternehmer und Top-Manager in der aktuellen politischen Debatte?

Unternehmen halten einen mächtigen Hebel in der Hand – gerade große Industrieunternehmen. Viele Angebote der politischen Bildung konzentrieren sich auf die Schulen – damit erreichen wir allerdings nur jüngere Menschen. Aber wenn sich Unternehmen engagieren und ihre Türen für politische Bildung öffnen, kann ein großer Teil unserer Bevölkerung erreicht werden, der sonst außen vor bleibt. Unternehmen können ihren Beschäftigten z.B. für einige Stunden im Monat die Teilnahme an Bildungsangeboten ermöglichen, in denen es um Demokratieverständnis oder Verschwörungstheorien geht.

Einige größere Unternehmen haben etwa schon bei Betriebsratswahlen erlebt, dass es systematische Versucher der Unterwanderung von Rechtsaußen gab. Das kann dann nicht nur im Betriebsrat diskutiert werden, sondern hier gilt es, Transparenz herzustellen und offensiv ins Gespräch zu gehen.

Unser Land ist geprägt durch lokal verwurzelte Familienunternehmen, deren Inhabern ihr gesellschaftliches Umfeld am Herzen liegt. Auch das spricht dafür, in Unternehmen Räume für politische Diskussionen und politische Bildung zu eröffnen, aus denen Impulse nach außen getragen werden können.

Vielen Dank für das Gespräch!

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