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„Unternehmen integrieren Flüchtlinge“

Sarah Strobel (Foto: NUiF)

Erfahrungen aus dem DIHK-Netzwerk. Das Interview mit Sarah Strobel

Berlin (csr-news) – Für eine gelingende Integration von Geflüchteten besitzt die berufliche Eingliederung eine hohe Bedeutung. Deren Erfolg ist kein Selbstläufer: Sprachbarrieren, rechtliche Hürden und traumatische Fluchterfahrungen müssen überwunden werden. Das DIHK-Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge unterstützt Unternehmen auf diesem Weg. CSR NEWS sprach mit der Projektleiterin Sarah Strobel. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

CSR NEWS: Wie ist das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ entstanden und wer gehört heute dazu?

Sarah Strobel: Unsere Netzwerkarbeit begann im März 2016 als eine Initiative der DIHK und des Bundeswirtschaftsministeriums vor dem Hintergrund der Fluchtmigration aus damals vor allem Syrien. Gestartet sind wir mit 300 Gründungsmitgliedern; bis heute ist die Zahl der Mitgliedsunternehmen auf knapp 4.000 angewachsen. Ihre Größe reicht von Handwerksbetrieben und Familienunternehmen über den Mittelstand bis zu Großkonzernen, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf den kleinen und mittleren Unternehmen liegt. Jährlich kommen etwa 300 Unternehmen hinzu, in politisch bewegten Jahren -wie etwa 2022 mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – auch etwa 500.

Was erwarten Unternehmen von Ihrem Netzwerk?

Einmal jährlich befragen wir unsere Mitglieder dazu und zu zahlreichen anderen Themen. Bei der Motivation stehen abwechselnd die Übernahme sozialen Engagements und die Möglichkeit, dem Fach- und Hilfskräftemangel entgegenzuwirken, an der Spitze. So gab es 2022 ein starkes Interesse daran, wie Geflüchtete aus der Ukraine beruflich integriert werden können.

Weitere wichtige Fragen für unsere Mitglieder sind: Wie komme ich mit den Menschen in Kontakt? Was ist rechtlich zu beachten? Wie lassen sich Sprachbarrieren überwinden? Im Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine stellten sich zudem viele Unternehmen die Frage, wie es mit deren Bleibeperspektiven aussieht.

Worin bestehen Ihrer Erfahrung nach die größten Hürden bei der betrieblichen Integration Geflüchteter?

Die oft komplizierte rechtliche Situation und die Sprachbarrieren habe ich bereits angesprochen. Letztere werden auch dann zu einem Thema, wenn es um Ausbildung und die Leistungsanforderungen in der Berufsschule geht. Zunehmend wird auch die Suche nach Wohnraum zu einer Herausforderung.

Bei vielen Unternehmensmitgliedern – Klein- und Handwerksbetrieben – gibt es keine Personalabteilung, da kümmert sich der Chef um alles: Was bedeutet eine Duldung arbeitsrechtlich? Wie bringe ich meinen Azubi durch die Abschlussprüfung? Deutschkenntnisse sind dabei nicht nur für die Berufsschule wichtig, sondern auch für den Kundenkontakt. Zahlreiche unserer Mitgliedsunternehmen kommen aus der Hotellerie, der Gastronomie oder dem Handel, wo der unmittelbare Kundenkontakt besonders wichtig ist.

Die Chefs und die Ausbilder in den Unternehmen sind sehr engagiert und begleiten Geflüchtete etwa bei Behördengängen.

Welche Unterstützung können Sie diesen Unternehmen bieten?

Workshop (Foto: NUiF)

Zum einen ist das eine rechtliche Beratung etwa im Blick auf den Zugang zur Beschäftigung oder bei der drohenden Abschiebung einer bereits länger beschäftigten Person.

Zudem bereiten wir Informationsmaterialien vor, bieten Workshops und Webinare zu Themen wie dem Onboarding Geflüchteter in den Betrieb.

Und – wie der Name schon sagt – sind wir ein Netzwerk und bringen Unternehmer in den Austausch miteinander. Dazu eignen sich unsere Foren oder wir vermitteln den Austausch direkt, wenn etwa ein Mitglied den Kontakt zu anderen aus derselben Branche oder aus seiner Region sucht.

Darüber hinaus ist uns die Öffentlichkeitsarbeit wichtig: Wir wollen über positive Geschichten sprechen, darüber wie Arbeitsmarktintegration gelingen kann und was die Stellschrauben sind.

Was wir nicht leisten, ist ein Matching zwischen Unternehmen und Geflüchteten. Da verweisen wir auf die Willkommenslotsen, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

Was sind nach Ihren Erfahrungen die Gelingensbedingungen für die erfolgreiche Integration Geflüchteter in ein Unternehmen?

Sehr wichtig ist ein klares Commitment der Geschäftsführung oder Unternehmensleitung dazu, dass man diesen Weg gehen will – auch gegenüber der Belegschaft. Und es sollte dazu eine Ansprechperson benannt werden.

Dann haben sich Mentoren- oder Patenprogramme als sehr erfolgreich erwiesen. Diese Menschen unterstützen nicht nur die betriebliche Integration, sondern helfen etwa auch bei der Suche nach einem Sportverein oder dem Kitaplatz für ein Kind.

Vom ersten Tag an wird zudem das Thema Sprache relevant. Viele Unternehmen nutzen dazu das breite Angebot an Berufssprachkursen und stellen ihre Mitarbeitenden für diese Kurse frei.

Die Integration Geflüchteter in Arbeit ist – so kann man es beschreiben – kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Manche Betriebe gehen dabei die sogenannte Extrameile, die sich lohnt: Denn am Ende dieses Weges stehen häufig loyale und wertschätzende Mitarbeitende, sodass man von einer Win-Win-Situation für Geflüchtete und Unternehmen sprechen kann.

Wie wirken sich aktuelle gesellschaftliche Debatten – wie die aktuellen Diskussionen über Rechtsextremismus – auf Ihre Arbeit aus?

Ich habe des Gefühl: Wenn gesellschaftliche Debatten kritischer werden, wollen Betriebe Flagge zeigen für die Arbeitsmarktintegration und entschließen sich zur Mitgliedschaft.

Es gibt auch die andere Erfahrung, dass sich die Stimmung in einem Unternehmen gegen die Geflüchteten dreht. Das klare Commitment der Unternehmensführung ist wichtig, um einem solchen Stimmungsumschwung vorzubeugen.

Insgesamt beobachten wir, dass seit 2015/16 viel an Erfahrungen dazu gewonnen wurden – nicht nur bei den Betrieben, auch bei Behörden, Institutionen und Zivilgesellschaft. Es gibt gefestigte ehrenamtliche Strukturen, die Berufssprachkurse wurden deutlich ausgebaut und Mitarbeitende in der Agentur für Arbeit und den Ausländerbehörden verfügen über mehr Wissen und Erfahrungen.

Haben Sie viel Dank für das Gespräch!

Der Link zum Netzwerk: https://www.unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de/

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