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Corporate Political Responsibility

Foto: Christian Lue auf Unsplash

Unternehmen sollten ihre politische Marke entwickeln

Weltweite politische Krisen wie Populismus gefährden auch Unternehmen. Doch die halten sich bei gesellschaftspolitischen Themen eher zurück. Dabei wäre eine klare Haltung wichtig.

Ein Beitrag von Johannes Bohnen
für das 26. CSR MAGAZIN (Juni 2017 – aus aktuellem Anlass hier neu verlinkt)

Unternehmen sind politische Akteure. In ihrer Funktion als Arbeitgeber, Steuerzahler und Produzenten von Waren und Dienstleistungen sind sie unmittelbar mit dem Gemeinwesen verwoben. Damit kommt ihnen in unserer pluralistischen Gesellschaft eine wichtige Rolle als Dialogpartner der Politik zu. Unternehmen vertreten mit großem Einsatz ihre Interessen und stellen ihre Expertise zur Verfügung. Dies manifestiert sich in der wachsenden Anzahl an Verbänden und Repräsentanzen. Unternehmen tragen also bereits eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Die Frage ist nur, wie diese zum Wohle des Staates und der Unternehmen gestaltet werden kann. Mit Corporate Social Responsibility (CSR) existiert zwar ein mittlerweile etablierter Ansatz, wie unternehmerische Verantwortung ins Werk zu setzen ist. Doch CSR springt in der Praxis zu kurz. Es ist selten in der Geschäftsstrategie verankert und verkennt mit seinem Fokus auf das Soziale exakt jene politische Dimension der Unternehmung, auf die es essentiell ankommt. Denn das Soziale ist immer nur eine Facette des Politischen.


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Es ist für Unternehmen ein harter, aber notwendiger Lernprozess, die strategische Relevanz intakter gesellschaftspolitischer Strukturen zu erkennen. Denn diese sind nichts weniger als die Bedingungen der Möglichkeit ihrer Existenz. Vor allem sind sie keine Selbstverständlichkeit. Demokratische Institutionen und politische Eliten befinden sich weltweit in einer Krise. Daher sollten Unternehmen die Stärkung politischer Strukturen in ihr Wirtschaftskalkül „einpreisen“ und entsprechend ihrer Fähigkeiten stärken.

Die gestiegene Erwartungshaltung aufgeklärter Bürger und Konsumenten an eine moderne Unternehmung kommt hinzu. Zunehmend sieht sie sich mit der Frage konfrontiert, ob sie ihrer Verantwortung als „Corporate Citizen“ gerecht wird.

Corporate Political Responsibility (CPR) setzt genau hier an. Und zwar mit einem breiter gefassten Verständnis von Investitionen. Die Investition sollte aus ihrem engen betriebswirtschaftlichen Korsett befreit und in ihrer vor-ökonomischen Dimension bedacht werden. Denn was ist der Nährboden für wirtschaftlichen Erfolg? Es sind stabile politische Institutionen, die die Bereitstellung unverzichtbarer Güter wie Demokratie, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit (und damit Planungssicherheit) und Infrastruktur gewährleisten.

CPR ist also keine Frage altruistischer Großherzigkeit, sondern ein aus Urteilsvermögen, praktischer Klugheit und Geschäftssinn geborener Imperativ. Unternehmen unterstützen den Staat gezielt mit ihren Stärken und Ressourcen – im aufgeklärten Eigeninteresse. So entsteht eine Win-Win-Lösung, getragen von der Idee, dass Wertschöpfung Werte braucht. Mit anderen Worten: Unternehmer, zeigt politische Haltung – es zahlt sich aus!

Unternehmen als politische Marken

CPR zu betreiben bedeutet für Unternehmen, eine politische Marke zu entwickeln. Allgemein bezeichnet die Marke den Wiedererkennungswert am Markt. Ähnlich der Investition kann auch die Marke neben der primären wirtschaftlichen um eine politische Dimension erweitert werden. In der klassischen Definition ist eine Marke einzigartig und erfolgreich, wenn sie drei Kriterien erfüllt: Sie sollte wahr zu sich selbst sein, differenzierend zum Wettbewerb und relevant für ihre Zielgruppe. Im Sinne eines „Political Branding“ gilt nun zusätzlich: Die Marke sollte einen gesellschaftspolitischen Mehrwert bieten. Bildung und Führung einer politischen Marke dienen nach innen der Orientierung und Selbstvergewisserung. Konkretisiert durch neue, politische Performance-Indikatoren, kann die Marke sogar für das Change Management (die Organisationsentwicklung) genutzt werden. Nach außen gilt analog, dass Unternehmen sich mit Maßnahmen des Public Change Management profilieren können. Hier geht es um Erneuerungs- und Stabilisierungsprozesse der wichtigsten Akteure und Institutionen im öffentlichen Raum. In ausgewählten Projekten können Unternehmen unsere offene Gesellschaft beleben und damit ihr eigenes Geschäftsumfeld stützen. Wie aber sähen solche Projekte aus? Wie können sich Unternehmen praktisch engagieren?

Die Anwendung von CPR in Politikfeldern

Zu unterscheiden ist zwischen allgemeinen und spezifischen CPR-Tätigkeitsfeldern. Grundsätzlich und unabhängig von ihren individuellen Kapazitäten ist es sinnvoll und möglich für Unternehmen, eine demokratische Debattenkultur zu fördern. Gemeint ist z.B. die Organisation von Veranstaltungen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen. Es geht hier nicht um eine „parteipolitische“ Positionierung, die tatsächlich nicht Aufgabe von Unternehmen ist. Vielmehr sollte der Begriff des Politischen umfassender verstanden werden – er gehört in die Mitte der Gesellschaft und damit auch in den Betrieb. Ziel ist die Stärkung offener gesellschaftlicher Diskurse, um die Innovations- und Lernfähigkeit unserer Demokratie zu festigen. Letztlich geht es um Entdeckungsverfahren für neue Ideen und Impulse – die eigentliche Währung einer modernen Wissensökonomie.

Ein Beispiel: Warum haben sich Unternehmen in Sachsen nicht eingemischt, als populistische Bewegungen ein tolerantes, offenes gesellschaftliches Klima kippten? Der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort nahm durch negative internationale Berichterstattung Schaden. Gesprächsforen hätten ihren Beitrag um Ausgleich leisten können, indem sie den Frustrierten Raum zur Artikulation geben, ohne dabei eigene demokratisch-pluralistische Werte zu verraten. Betriebe hätten intern über das „Phänomen Pegida“ diskutieren und damit den Reputationsschaden für Sachsen minimieren können. Ähnlich war es sicher keine gute Idee, dass die Bundeswehr die staatsbürgerliche Bildung in den letzten Jahren aus Kostengründen zurückgefahren hat. Ohne die richtige Haltung kann es zu gefährlichen Entwicklungen ausgerechnet bei denjenigen kommen, die für Demokratie und Freiheit den Kopf hinhalten müssen.

Unternehmen können also stets für politische Bildung, für ein aufgeklärtes, staatsbürgerliches Ethos eintreten. Bereits Wahlaufrufe helfen und lassen sich zudem mit äußerst geringem Ressourceneinsatz durchführen. Denkbar wären auch Kooperationen mit Schulen und Universitäten, im Rahmen derer Praktiker berichten, wie sich beispielsweise Rechtssicherheit bzw. deren Abwesenheit auf die Planung von Investitionsprojekten auswirkt. So lässt sich für die Bedeutung von Gewaltenteilung und Eigentumsschutz sensibilisieren. Bezogen auf Familienpolitik wiederum können Unternehmen Kitas bauen, somit den Staat entlasten und als Arbeitgeber attraktiver für Frauen werden.

Neben diesen grundsätzlichen Möglichkeiten gesellschaftspolitischen unternehmerischen Engagements gibt es spezifische Tätigkeitsfelder, die sich nach der jeweiligen Expertise des Unternehmens richten. Internetfirmen sind z.B. bestens geeignet, den Staat bei der Sicherung digitaler Infrastrukturen zu unterstützen. Sie können Know How bereitstellen, um Behörden gegen Cyber-Angriffe zu rüsten und im Schadensfall schnell Abhilfe zu schaffen. Solcher Schutz staatlicher „Lebensadern“ ist genuines Unternehmensinteresse, also ein paradigmatischer Fall einer Win-Win-Situation im Sinne von CPR. Dem vergleichbar können Automobilkonzerne ihre Fachexpertise einbringen, indem sie aktiv in den Ausbau des Netzes von Ladestationen investieren. So unterstützen sie den Staat bei der Energiewende und eröffnen sich gleichzeitig Geschäftspotentiale, indem sie das Elektroauto marktfähig machen.

Es lohnt sich also für Unternehmen, in einen leistungsfähigen Staat zu investieren. Ohne seine Rahmensetzungen wäre erfolgreiches Wirtschaften nicht möglich. Unternehmen, die dies erkennen und daher CPR betreiben, verbessern aktiv ihre Geschäftsaussichten und stärken ihre Marke. Reputation und Legitimität gilt es besonders mit Blick auf das westliche Phänomen erodierenden Vertrauens in „die Eliten“ und des von ihnen geführten „Systems“ zurückzuerobern – ein System, das wie kein zweites für Freiheit und Wohlstand steht. Das gelingt nicht zuletzt durch eine stärkere Rückkopplung der Wirtschaft an Politik und Gesellschaft. Unternehmen sollten die Chance ergreifen, bewusst die politische Dimension ihrer Marke zu entwickeln und zu pflegen. Indem sie das Gemeinwesen stärken, stärken sie sich selbst. [/content_control]

Dr. Johannes Bohnen
ist Berater für politische Kommunikation in Berlin (BOHNEN Public Affairs)
jb@bohnen-pa.com


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