42.CSR-MAGAZIN CSR_NEWS Glücksspiel

„Wir möchten den illegalen Markt unterbinden.“

Hanna Eßer (Foto: Achim Halfmann / CSR NEWS)

Nachhaltigkeit in der Glücksspielbranche. Ein Beitrag für das 41. CSR MAGAZIN

Grevenbroich (csr-news) – Das Glückspiel gehört nicht zu den Wirtschaftssegmenten, die man sofort mit Nachhaltigkeit in Verbindung bringt. Mit der Bedeutung von unternehmerischer Verntwortung in den sogenannten Risikobranchen beschäftigt sich die kommende Ausgabe des CSR MAGAZIN. Den Auftakt macht ein Gespräch mit Hanna Eßer, Geschäftsführerin der Doppel-Joker Spiel- und Unterhaltungsbetriebe in Grevenbroich am Niederrhein.

Doppel-Joker ist an drei Standorten mit 25 Mitarbeitenden tätig und stellt Spielgeräte in Gastronomiebetrieben auf. Eßer selbst stieg 2012 in das elterliche Unternehmen – und damit in ein schwieriges Marktsegment – ein. „Spielhallen werden abnehmen“, sagt die Unternehmerin. „Die Gastro-Aufstellung ist sehr rückläufig.“ Für junge Menschen seien Online-Spiele eine Alterative. Für andere – gerade im ländlichen Raum – sei das Rausgehen und die mit einem Spielhallenbesuch verbundene Erfahrung von Gesellschaft interessanter.

Eßer hat das Unternehmen von ihrem Vater unternommen, nachdem sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen und Steuerrecht studiert hatte. Verbandstreffen, die sie anfangs gemeinsam mit ihrem Vater besuchte, bezeichnet sie als „Altherrenclubs“. 2018 initiierte sie gemeinsam mit anderen in Nordrhein-Westfalen den ersten Initiativkreis junger Automatenunternehmer. Anfang 2022 starteten die Young Professionals dann auf Ebene des Bundesverbandes Automatenunternehmer. Die etwa 25 jungen Unternehmen wollten sich vernetzen und miteinander frischen Wind in ihre Branche bringen. Schnell kam dabei das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus und ein erstes Nachhaltigkeitskonzept entstand. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Personalmanagement. „Der Mitarbeitende ist mir wichtig, ohne den geht es nicht“, sagt Hanna Eßer. Bis Anfang der 2000er Jahre wurde in der Automatenbranche wenig Wert auf die Personalpflege gelegt; Bewerber gab es ausreichend. Das hat sich mittlerweile geändert. Die Personalsuche sei bereits vor einigen Jahren schwieriger geworden, berichtet Eßer. „Heute muss man länger suchen.“

Der 1. Weihnachtstag bleibt frei

Probleme bei der Personalakquise stellen das Image der Spielhallenbranche und die Bezahlung im Niedriglohnsektor dar. Zudem ist Schichtarbeit gefordert: Die Doppel-Joker-Spielhallen öffnen um 8.00 Uhr und schließen – je nach Standort – um 0.00 Uhr oder 1.00 Uhr. Gearbeitet wird zudem an Wochenenden und Feiertag. Der 1. Weihnachtstag bleibt neuerdings bei Doppel-Joker geschlossen. „Jeder will gerne Weihnachten feiern“, sagt Eßer.

Eßer und ihr Führungspersonal wollen auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen, etwa wenn es um die Gestaltung der Schichtarbeit geht. „Ich glaube, dass unsere Mitarbeiter schon recht zufrieden sind“, sagt die Unternehmerin. Die Fluktuation im Team sei gering. Die weitaus meisten Servicekräfte sind Frauen.

Die Servicetätigkeit in einer Spielhalle kommt auch für Menschen in Frage, die in der deutschen Sprache noch unsicher sind. Die Kundenwünsche seien überschaubar: Es gehe um Geldwechseln und Getränkewünsche, längere Unterhaltungen würden nicht erwartet, sagt Eßer. So arbeite bei Doppel-Joker Menschen mit deutscher, italienischer, portugiesischer, polnischer und türkischer Nationalität. Das erleichtert die Kommunikation mit einer internationalen Kundschaft.

Zur Personalverantwortung gehört für Eßer, Corona- und Inflationsausgleichsprämien an die Beschäftigten auszuzahlen und so für Gehaltsverbesserungen zu sorgen. Zudem verfügt Eßer über einen Wohnungsbestand, den sie Mitarbeitenden anbieten kann.

Ausbildung bieten die Großen der Branche

Ausgebildet wird bei Doppel-Joker nicht. Es gäbe den Automatenfachmann bzw. die Automatenfachfrau, die Reparatur und Wartung von Spielautomaten durchführen. Und es gibt die Automatenkaufleute, die – je nach Schwerpunkt – in Marketing und Personalwirtschaft oder der Installation, Instandhaltung und Wartung von Spielautomaten tätig sind. Es seien die größeren Betriebe, in denen Ausgebildet werde, Betriebe mit einem breiteren Tätigkeitsspektrum, sagt Eßer.

Quereinsteigerin aus der Tourismusbranche

Bei Doppel-Joker spielt das „Training on the Job“ eine große Rolle. „Man hat viele Quereinsteiger bei uns“, so Eßer. Die Mitarbeitenden seien überwiegend älter als 50 Jahre. Einige Aushilfen seien bereits im Rentenalter und arbeiteten auf Minijob-Basis weiter.

Auch Christina Schneider kam vor anderthalb Jahren als Quereinsteigerin aus der Tourismusbranche zum Unternehmen Doppel-Joker. Sie arbeitet in Teilzeit und ihr ist die gute Atmosphäre im Team besonders wichtig. Als Mitarbeiterin könne sie Verbesserungsvorschläge einbringen, die geprüft würden, und es sei einfach, die Geschäftsleitung zu erreichen. Dass die Branche mit einem Imageproblem zu kämpfen hat, erlebt Christine Schneider, wenn sie Kunden außerhalb der Spielstätten trifft. „Manche wollen nicht gegrüßt werden, wenn sie in der Stadt sind“, sagt Schneider.

Raubmord in den 80er Jahren

Spielhallen werden mitunter zum Ziel von Raubüberfällen. Bei Doppel-Joker war das zuletzt vor zwölf Jahren der Fall; bei dieser Gelegenheit blieben die Mitarbeitenden unverletzt. Ende der 80er Jahre erlebte das Unternehmen allerdings einen Raub, bei dem die Mitarbeiterin den Täter erkannte und das mit ihrem Leben bezahlte.

„Jedem ist klar, dass alles passieren kann“, sagt Eßer. Es gelte der Grundsatz „Geld vor Leben“. Servicekräfte können einen Piepser tragen, mit dem sich ein stiller Alarm auslösen lässt. Zudem sind die Spielhallen mit der Wach- und Schließgesellschaft verbunden. Für den telefonischen Alarm gibt es ein unverdächtiges Codewort.

Für Mitarbeiterinnen in der Spätschicht kann auch der Heimweg durch die Nacht unangenehm werden. Eßer verfolgt derzeit die Idee eines Heimweg-Telefons, bei der Mitarbeiterinnen ihr Handy nutzen können, um unterwegs mit einer Person zumindest verbal verbunden zu sein.

Spielsucht und Spielerschutz

Etwa zwei Drittel der Spielhallenbesucher gehören zur Stammkundschaft. Ein Viertel von ihnen sind Frauen; deren Anteil steigt, hat Eßer beobachtet. Neben Deutschen besuchen zahlreiche Kunden mit türkischem oder südländischem Hintergrund die Doppel-Joker-Spielstätten. Junge Leute besuchen Spielhallen seltener. Wer kommt, will entspannen und vom Alltag abschalten. Eßer weiter: „Manche sind alleine und suchen Unterhaltung und Gesellschaft.“ Christina Schneider ergänzt: „Die wenigsten haben den Vordergrund, Geld zu verspielen.“ In Bezug auf das Geselligkeitsbedürfnis der Kundschaft müssten die Servicekräfte wissen, wie viel Abstand sie halten wollen, so Schneider weiter.

Und doch gibt es Menschen, die aufgrund einer Spielsucht ihr eigenes Leben und zu oft auch das ihrer Angehörigen schädigen. Ein Schlüssel zum Spielerschutz liegt in der Qualifikation der Servicekräfte in den Spielhallen, zu deren regelmäßiger Schulung die Betreiber verpflichtet sind. Hinzu kommt die Erfahrung aus der praktischen Arbeit. Servicekräfte haben ihre Gäste im Blick und schicken Spieler in Ausnahmesituationen auch nach Hause. Wer betrunken ist, wird nicht an die Spielgeräte gelassen. Und es werden Aufklärungsflyer ausgelegt. Warnzeichen bei Stammkunden seien, wenn diese öfter kämen und länger und aggressiver spielten.

Für Spielhallenbetreiber gilt der Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2021, der Anfang diesen Jahres in Kraft trat und mit dem auch die Spielersperre „OASIS“ eigeführt wurde. Spieler können sich selbst sperren lassen. Aber auch Partner können sich – etwa bei ausstehenden Unterhaltszahlungen – an die Spielhalle wenden und eine Sperrung verlangen, berichtet Eßer. Das Anliegen werde dann an die OASIS-Zentrale in Darmstadt weitergeleitet.

Spieler dürfen zudem zeitgleich nur an einem Gerät spielen. Und der Geldspeicher eines Gerätes ist auf 10 Euro beschränkt; bis die verspielt sind, dauert es eine Zeit.

Lassen sich ein selbstschädigendes Verhalten und die Entwicklung einer Spielsucht so ausschließen? „Verhindern können wir das nicht, wir können nur Hilfestellung leisten“, sagt Eßer. Vergleichbar sei das mit dem Alkoholangebot in einer Gaststätte und dem latenten Risiko einer Alkoholsucht.

„BAKit Leitfaden Nachhaltigkeit“

Der Bundesverband Automatenwirtschaft bietet einen 40-seitigen „BAKit Leitfaden Nachhaltigkeit“ an, dessen Themen über den Spielerschutz, das Energiemanagement und die Personalverantwortung, über Beschaffung und Entsorgung bis zum gesellschaftlichen Engagement reichen. Für die Gastronomie-Aufstellung von Spielgeräten ist ein One Pager beigefügt. Enthalten sind zudem Hinweise auf einen Fördermittelwegweiser und einen Wirtschaftlichkeitsrechner zur Energieeffizienz. Als „lernendes Dokument“ soll der Leitfaden kontinuierlich weiterentwickelt werden. Checklisten sollen die Umsetzung unterstützen.

Erste Nachhaltigkeits-Checklisten hat Eßer mit einer kleinen Gruppe entwickelte und in ihrem eigenen Unternehmen getestet. Dazu werteten sie Vorlagen aus und schrieben nieder, was für ihre Branche wichtig ist. An einem ihrer Unternehmensstandorte stellte Eßer die Checkliste vor. Die Reaktionen der Mitarbeitenden fielen unterschiedlich aus und reichten von Zustimmung bis zu „das ist nichts für mich“.

Personalverantwortung und Spielerschutz sind darin als zentrale Themen präsent. Hinzu kommen „klassische“ Nachhaltigkeitsthemen Energie- und Materialeinsatz. In Bezug auf die Energie seien der Austausch der Leuchtmittel, die Anpassung der Passagenbeleuchtung und die Überprüfung der Lieferverträge konkrete Handlungsschritte, so Eßer. Zudem überlege sie, ob der Einsatz einer Photovoltaikanlage möglich sei.

Durch den Einbau von Windfängen in den Eingangsbereichen sei es möglich geworden, Heizkörper teilweise ausgeschaltet zu lassen. Der Einbau von Zeitschaltuhren und Bewegungsmeldern böte weiteres Optimierungspotential.

In Bezug auf die Spielgeräte sei ein optimierter Materialeinsatz dadurch möglich, dass Spielepakete ausgetauscht, die Gehäuse aber erhalten blieben.

Forderungen an die Politik

Für die Spielhallen fordert Eßer politische Unterstützung ein – trotz oder gerade wegen der Diskussionen um die Spielsucht. „Das Angebot darf man nicht kürzen oder ganz abschaffen, weil es sonst ganz außer Kontrolle gerät.“ Eßer weiter: „Wir möchten den illegalen Markt unterbinden.“ Von der Politik erwartet Eßer einen stärkeren Einsatz gegen illegale Spielangebote und die Möglichkeit, eigene Spielgeräte attraktiver auszugestalten. Die Unternehmerin weiter: „Wir machen schon viel und das sieht keiner.“


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