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‚Unkonferenz‘ zu richtiger Zeit und zentralen Themen der Nachhaltigkeit

Daniel Silberhorn bei seinem Impuls auf dem CSRcamp 2023 (Foto: privat)

CSRcamp 2023: Eine Konferenz ohne Panel-Diskussion und Agenda? Geht sowas denn? Antwort: Ja! Sehr gut sogar. Und bietet wichtigen Raum für Diskussion und Vernetzung innerhalb der CSR-Community. In einer Session beleuchteten die Teilnehmenden ein besonders zentrales Thema: Wie den Wandel wirklich schaffen?

Ein Erfahrungsbericht von Daniel Silberhorn

Berlin (csr-news) – Rund 40 Nachhaltigkeits- und CSR-Interessierte aus Unternehmen, Universität und Zivilgesellschaft waren vergangenen Freitag dem Ruf von Frank Feldmann und Matthias Schmidt nach Berlin gefolgt. Zum ersten Mal seit Corona stand das CSRcamp an – eine offene, partizipative Dialogveranstaltung nach dem Barcamp-Prinzip. Das bedeutet: Die Agenda des Tages wird zu Beginn von den Teilnehmenden ausgehandelt. So kam nur auf den Plan, was die Anwesenden auch wirklich interessiert.

Unterstützt von Sparda-Bank, SLR Consulting und CSR NEWS gab es drei Diskussionsräume – und dort so unterschiedliche Themen wie „CSR-Engagement ehrlich & wirksam kommunizieren‘ von einer Verantwortlichen der LIDL Stiftung oder eine Diskussion über die Bedeutung von Zukunftsbildern. Mit Themen wie ‚Umsetzung des Lieferkettengesetzes‘ oder ‚CSR-Berichtspflicht‘ wurde es sehr konkret, während der Bogen in der Session zu ‚Digitaler Verantwortung‘ groß gespannt wurde.

Trotz fehlender Barcamp-Erfahrung schlug ich ebenfalls ein Thema vor, das mich in der Arbeit und privat immer wieder beschäftigt: Wie bekommen wir einen Wandel auch wirklich hin? Nachhaltige Transformation gelingt nur mit den Menschen, nicht gegen sie. Die Reaktionen auf Streichung von Currywurst oder Auto in den Großstädten kennen wir. Niemand verzichtet gerne auf liebgewonnenes, selbst wenn der Kopf sagt, dass es vielleicht im Sinne des großen Ganzen gut wäre.

Die Organisatoren Frank Feldmann und Dr. Matthias Schmidt (von links nach rechts) (Foto: privat)

Tatsächlich nahm das Plenum meinen Vorschlag „Wandel wirklich schaffen in Unternehmen‘ an. Und rund zwei Dutzend Menschen von Firmen wie New Work SE, zu dem die Plattform Xing, kununu und InterNations gehören, der Maschinenhersteller Trumpf aus Baden-Württemberg, der Sparda-Bank oder vom Verein Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik sowie Studierende der Beuth Hochschule für Technik Berlin fanden sich zur lebhaften Diskussion ein, die ich mit einem Impulsvortrag starten durfte.

Die Ausgangslage: Vor dem Hintergrund immer drängenderer Nachhaltigkeitsthemen setzen sich Unternehmen unter dem Druck von Investoren und Kunden immer mehr klare Ziele, ihren negativen Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft zu reduzieren, oder sogar eine positive Wirkung zu haben. Das erfordert einen internen Wandel – ein neues Bewusstsein muss geschaffen werden, eine passende Kultur und Kommunikation unterstützt, und schließlich muss sich anderes Verhalten etablieren.

Allerdings scheitern je nach Studie bis zu 30 Prozent solcher Veränderungsprozesse – was die Unternehmen viel Zeit und Geld kostet. Bereits der Harvard-Professor John P. Kotter hatte identifiziert: Die vier prominentesten Fehler haben alle mit Kommunikation zu tun: Die Notwendigkeit wird nicht deutlich gemacht. Es wird keine interne Koalition gebildet, die den Wandel trägt. Es fehlt eine Vision, die als Leitbild dient. Und eine solche Vision wird viel zu wenig kommuniziert. Was also tun?

Die Session beleuchtete eingangs den Vergleich Klimawandel und Corona. In der ersten Welle der Pandemie hatten die Menschen hierzulande bereitwillig einschneidende Maßnahmen mitgetragen, sich unter dem Motto „Flatten the Curve“ sogar gegenseitig zu angepasstem Verhalten aufgefordert. Alles getragen von einer großen Solidarität untereinander und gegenüber Schwächeren. Beim Klimawandel aber ist seit Jahren alles bekannt, Veränderungen im Alltag gibt es wenig, oft nur gegen Widerstand.

Fünf Faktoren identifizierten wir: Wir müssen den ‚Berg‘ klein machen. Die Herausforderung im Alltag möglichst handhabbar. Durch für den Einzelnen einfache, konkrete Möglichkeiten, bei denen wir Selbstwirksamkeit erleben können. Zentral ist dabei die Kommunikation: Was ist der persönliche Nutzen? Was bringt das andere Verhalten mir persönlich – hier und heute? Es erhöht die Wahrscheinlichkeit der Kooperation, wenn der Zweck klar ist und positive Effekte in der Gegenwart.

Knifflig ist auch die alte ‚Apokalypse-Kommunikation‘: Der zufolge wir praktisch das ganze Leben auf den Kopf stellen müssen, weil sonst das Ende der Menschheit droht. Es gilt vielmehr, auch die Gefühle positiv anzusprechen und Storys zu erzählen, die inspirieren. So hatte ich beispielsweise einen Mitmach-Workshop zu Zero Waste organisiert, um auf das Thema Umwelt aufmerksam zu machen. Mit dem Resultat, dass sich die Teilnehmenden lebhaft austauschten – und selbst Workshops organisierten.

Das Veranstaltungs-Board (Foto: privat)

Drei weitere Ansätze wurden von den Teilnehmenden vorgestellt und angeregt diskutiert: Vernetzung, Inkubator, sowie Peer Learning. Nachhaltigkeitsverantwortliche, so die Erkenntnis, müssen sich intern sehr gut vernetzen und das Thema auf verschiedenen Plattformen immer wieder auf die Agenda heben. So gibt es etwa bei einer Firma kleine Snack Bites, sehr kurze knackige Nachrichten und Fragen auf Bildschirmen oder vor Meetings, die sich einfach in den Alltag integrieren. Auch auf Veranstaltungen gilt es, immer wieder zum Austausch und zur Ansprache einzuladen – und so ein Netzwerk aufzubauen.

Als Inkubator können beispielsweise Ideenwettbewerbe dienen, die einerseits die Kreativität der Mitarbeitenden freisetzen und andererseits auch die Menschen selbst in den Blickpunkt stellen durch Anerkennung und Unterstützung eigener Initiative – als Vorbild für andere, und für viele hoch motivierend. Scouts können auch außerhalb solcher Wettbewerbe helfen, Ideen zu identifizieren.

Ähnlich gibt ein Format wie das ‚Methodenfrühstück‘ den Mitarbeitenden selbst eine anwendungsorientierte Bühne. Kurz und knackig stellt ein solches Format eine neue Methode, einen Ansatz, eine erfolgreiche Idee vor, selbstreflektiert mit einem Blick unter die Motorhaube und auf Misserfolge. Eine solche Session sollte allerdings Arbeitszeit sein. ‚Lunch & Learn‘-Veranstaltungen, bei denen Mitarbeitende in der Mittagspause Neues lernen, seien inzwischen eher weniger angesagt.

Die 45 Minuten der einzelnen Sessions vergingen wie im sprichwörtlichen Fluge, und die lockere Atmosphäre und persönlichen Gespräche machen das CSRcamp zu einem tollen Austausch- und Vernetzungsort; zwanglos und in sehr positiver Atmosphäre. Was für ein Unterschied zu den klassischen Konferenzen, bei denen die Pausen zwischen Panels kaum Raum lassen, um auf die Toilette zu gehen; und bei denen man nach sieben Stunden und schnellem Essen am Büffet nur noch nach Hause möchte.

Daniel Silberhorn
ist Senior Advisor ESG & Sustainability Transformation bei SLR Consulting in Frankfurt am Main und Dozent für Global Communications an der Universität Erfurt


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