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Der Pfeffer-Jünger

Foto: Unsplash+

Kai Dräger: „Ich wäre ohne Glauben ein schlechterer Unternehmer und ein ungeduldiger Chef.“

Kai Dräger reist auf der Suche nach gutem Geschmack um die Welt. Mit seinem Unternehmen „Spicebar“ verkauft er jährlich millionenfach Gewürze. Für den Christen zählt dabei auch: Jedem in der Lieferkette muss es gut gehen.

Von Anna Lutz (*)

Gewürze sind seine Leidenschaft: Kai Dräger hat gemeinsam mit einem Kollegen „Spicebar“ gegründet und reist für den besten Pfeffer um die ganze Welt.

Sechs Stunden hat der Aufstieg gedauert. Kai Dräger ist müde, verschwitzt, außer Atem. Doch er hat es geschafft. Auf 1.800 Metern Höhe steht er nun in einem Dorf namens Timure, mitten im nepalesischen Nirgendwo. Hier sucht er keine Erleuchtung. Keine Erholung oder gar ein Abenteuer. Nein, er sucht nach einem besonderen Pfeffer.

Die nepalesische Botschaft in Berlin hat ihm einige Monate zuvor Kontakte zu Gewürzsammlern im Himalaya vermittelt. Der Unternehmer war über verschiedene Ecken auf das Gerücht gestoßen, es gebe in Nepal einen ganz besonderen Pfeffer.

Also setzte er alle Hebel in Bewegung, um mehr darüber zu erfahren, und wurde schließlich fündig. Denn mit seinem frisch gegründeten Unternehmen „Spicebar“ will er nicht weniger, als „die besten Gewürze der Welt liefern und die Menschen damit begeistern“, wie der inoffizielle Slogan der Firma lautet. Dafür fliegt Dräger sogar einmal um die halbe Welt. Doch er hat keine Ahnung, was ihn erwartet.

Schon an seinem ersten Tag in Nepal trifft er sich mit einem Guide, der ihn hoch hinauf auf den sogenannten Bärenfelsen begleiten soll. „Ein entspannter kleiner Spaziergang, drei Stunden ungefähr“, sagt der Führer, um ihn anschließend noch kurz über den Namensursprung des zu besteigenden Berges aufzuklären: „Er heißt so, weil es hier Bären gibt. Wenn du einen Bären siehst, dann lauf in die andere Richtung weg.“

Dräger sieht keinen Bären. Aber der Aufstieg dauert drei Stunden länger als geplant, und die Luft ist unerwartet dünn. Schwindel und Müdigkeit sorgen dafür, dass er sich eine Nacht ausruht, bevor er sich auf die Suche begibt.

Nach einer kalten Nacht in einer der örtlichen Lehmhütten macht er sich gemeinsam mit dem Dorfältesten auf den Weg. Und wird fündig. Den sogenannten Timut-Pfeffer kann man heute unter anderem in seinem Onlineshop kaufen.

„Dort oben gibt es Gewürze, die hat niemand anderes“, schwärmt Dräger noch heute, sechs Jahre nach dieser Reise. ­­PRO trifft ihn nicht im Himalaya, sondern am Rande Berlins, im ­grünen ­Flachland statt in der Hochebene.

Der gebürtige ­Niedersachse lebt seit über zehn Jahren in der Hauptstadt, ­zuvor hat er ­Marketing in Hamburg studiert und war bei diversen ­Unternehmen im ­Marketing tätig, darunter die Geschenkartikel-Kette „Nanu Nana“ oder der ­Biowarenhersteller „Biozentrale“.

„Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich 70 Stunden in der Woche gearbeitet“, sagt er, während einige Meter weiter der Grill auf Temperaturen kommt. Heute gehe er es entspannter an, verbringe mehr Zeit mit der Familie als im Büro.

„Ich muss keine ­Karriere mehr machen, ich will tun, was mir Freude bringt.“ Seit 2014 hat er sich das auf die Fahnen geschrieben, damals gründete er mit seinem Partner Patrick Hahnel das Unternehmen. Hahnel ist der Gewürzexperte, Dräger der Mann für die Öffentlichkeit. Als er Hahnel damals kennenlernte, verband sie vor allem die Leidenschaft für – natürlich – Pfeffer.

Dräger probierte bei seinem späteren Geschäftspartner Zitronenpfeffer aus Sumatra. Und bekam diesen Geschmack tagelang nicht mehr aus dem Kopf. ­„Meine Frau sagte irgendwann zu mir: Kai, du redest nur noch über diesen Pfeffer. Vielleicht musst du damit mehr machen als nur kochen.“ Die Idee von „Spicebar“ war geboren.

50 Shades of Pfeffer

„Trau dich“, sagt Dräger und reicht eine Hand voll schwarzer Körner über den Tisch. Fermentierter Pfeffer aus Kambodscha, nicht der, den er bei seiner ersten Reise fand, aber ebenfalls besonders. Die Autorin blickt skeptisch hinunter auf die schwarzen Kügelchen auf ihrer Handfläche.

„Das schmeckt wirklich lecker, probier’s“, sagt er nochmal. Die Idee, Pfeffer pur zu essen, mag den wenigsten auf Anhieb gefallen. Doch nachdem die fünf bis sechs Körner die Zunge berührt haben, ergeben Drägers Worte Sinn: ein Hauch von Salz. Leichte Schärfe. Darunter etwas Süße. Fast wie eine gut gewürzte Knabberei.

Kai Drägers fermentierter Pfeffer gehört neben dem Timut-Pfeffer zu mehr als einem Dutzend verschiedener Pfeffersorten im „Spicebar“-Sortiment. Langer Pfeffer schmeckt nussig-erdig. Andaliman-Pfeffer erinnert an Zitrone. Das Aroma des wilden Voatsiperifery-Pfeffers mutet an wie eine Mischung aus Menthol, Vanille und Holz. Geschmäcker, die wohl die Wenigsten einem der eigentlich gängigsten Gewürze hierzulande zuordnen würden.

„Spicebars“ Aromen entstehen nicht durch Zugabe von Aromen oder Extrakten, wie so oft in der Nahrungsmittelindustrie. Stattdessen legt Dräger Wert auf guten Boden zum Wachsen, das richtige Klima, optimale Trocknungs- und Bewässerungsmethoden.

Das Knowhow dazu bringt er aus Europa in entfernte Länder. Für Umami, also den wirklich runden und herzhaften Geschmack, geben die Hersteller bei Gewürzmischungen etwa Tomate oder Steinpilz hinzu, künstliche Aromen oder Geschmacksverstärker sind tabu. Nicht umsonst tragen die meisten „Spicebar“-Produkte ein Biosiegel.

Faire Arbeitsbedingungen als Geschäftsmodell

Zudem legt Dräger wert auf faire Arbeitsbedingungen in Deutschland, aber vor allem auch in den Herkunftsländern der Gewürze. „Allen in der Kette muss es gut gehen“, sagt Dräger. Findet er etwa eine neue besondere Gewürzspezialität, so bietet er den Bauern an, dauerhaft die gesamten Erntemengen zu kaufen zu einem gemeinsam festgelegten Preis.

Das bringt der Firma Alleinstellungsmerkmale und den Produzenten im Ausland Einnahmesicherheit. Nebenbei entmachtet Dräger so die Zwischenhändler, die die Einnahmen der Bauern oft dämpfen, indem sie die Preise drücken. „Ich kenne bei nahezu all unseren Gewürzen jedes Glied der Lieferkette“, sagt der Unternehmer.

Mehr noch: Als er einmal Kinder während der Ernte auf einer Farm sah, ließ er dort mithilfe einer lokalen Organisation ein kleines Schulgebäude errichten, sodass die Kinder der Farmer und die Kinder der angrenzenden Dörfer während der Erntezeit dort unterrichtet werden können.

Während er von seinen Reisen und den Erfahrungen im Ausland erzählt, taucht Dräger Hühnchen und Rindfleisch in rotes und gelbes Pulver. Das Pulver heißt „Umamibums“, „Südseetraum“ oder „Rauchige Drecksau“ – Gewürzmischungen für Gemüse und Fleisch, gut geeignet für den Grill, weshalb „Spicebar“ auch bei Barbecuefans bekannt ist.

Grillen, das ist auch Drägers Leidenschaft. „Wir Menschen sind Genießer, das unterscheidet uns von anderen Lebewesen. Wir essen nicht einfach, um zu überleben“, sagt er und wendet das Roastbeef auf dem Kugelgrill.

Doch wer genießen will, der trägt auch Verantwortung. Gewürze aus aller Welt importieren, geht das denn noch in einer Welt, geschüttelt von Klimawandel, Menschenhandel und der Suche nach billigen Produktionsbedingungen in Asien und Afrika?

„Was möglich ist, das machen wir in Deutschland“ antwortet der Marketingexperte. Petersilie, Schnittlauch, zeitweise sogar Berliner Chili produziert „Spicebar“ vor Ort. „Doch am Ende geht der Geschmack vor“, erklärt er. Nicht alles könne lokal angebaut werden.

Es ist nicht nur die Sehnsucht nach Geschmack, die Dräger antreibt. Schon Jahre zuvor war er durch seine Frau Daniela in Kontakt mit Taizé gekommen. Ein Ort in Frankreich, in dem christliche Mönche ein Kloster betreiben und zu dem jährlich hunderttausende Menschen pilgern und dessen Gottesdienste in erster Linie durch Gesang geprägt sind.

„Sie war irgendwie immer am Lächeln, daran erinnere ich mich gut“, sagt er. Im Jahr 2015 besucht er mit ihr zusammen immer wieder eine evangelische Gemeinde im Berliner Märkischen Viertel. Religiös aufgewachsen ist er nicht, wurde zwar konfirmiert, aber fand als junger Mensch nie wirklich Kontakt zur Kirche. Doch als er gemeinsam mit seiner Frau beginnt, regelmäßig Gottedienste zu besuchen, macht irgendetwas in ihm Klick.

„Ich habe angefangen, mich zu fragen: Wer will ich sein? Wofür lebe ich?“ Die Antwort findet er im christlichen Glauben. Heute ist er sich sicher: „Ich wäre ohne Glauben ein schlechterer Unternehmer und ein ungeduldiger Chef.“ Dräger trägt Verantwortung für über 50 Mitarbeiter, verkauft derzeit jährlich Millionen Dosen Gewürze.

„Ich glaube an das Prinzip, dass jeder, auch in meinem Unternehmen, eine zweite Chance verdient“, sagt er. „Und ich will keinen Erfolg um jeden Preis.“ Wer weiß, vielleicht mache er irgendwann auch mal was Missionarisches, schiebt er nach einigem Nachdenken hinterher.

Dabei ist Gott manchmal auch heute schon Thema in seinem Berufsalltag. Damals etwa, in jenem Dorf im Himalaya auf der Suche nach dem besonderen Pfeffer. Als er mit dem Dorfältesten durch die Berge wandert, fragt dieser ihn ganz selbstverständlich: „Wann betest du eigentlich, morgens oder abends?“

Dräger muss schmunzeln und lernt an diesem Tag, dass das Gespräch über Spiritualität in anderen Kulturen selbstverständlich ist. Während Deutsche es oft für eine Privatsache halten. „Ich war gerade Christ geworden“, erinnert sich Dräger. „Und so hatte ich für diesen Mann eine Antwort.“

Als wenig später das Grillgut aufgegessen ist, packt der „Spicebar“-Gründer seine Sachen zusammen. Er muss los, zum Hauskreis seiner Gemeinde, immer montagabends. Aber eine Frage noch: „Was ist eigentlich Ihr Lieblingsgewürz, Herr Dräger?“ Er überlegt. „Viele. Aber besonders liebe ich fermentierten Pfeffer.“ Was auch sonst.

Anna Lutz
ist Redakteurin bei PRO Das Christliche Medienmagazin. Dort ist der Beitrag zuerst erschienen.


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