Berlin (csr-news) – In dieser Woche hat die EU-Kommission die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) verabschiedet (> CSR NEWS berichtete). Sie bilden ein zentrales Element der novellierten CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD). Wie sind die Standards einzuordnen? CSR NEWS sprach darüber mit Katharina Reuter. Die promovierte Agrarökonomin ist Geschäftsführerin des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft (BNW).
CSR NEWS: Frau Reuter, Sie kritisieren, dass die jetzt beschlossenen europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) gegenüber dem Entwurf der Expertengruppen bei der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) abgeschwächt wurden. Was bedeutet das konkret?
Dr. Katharina Reuter: Wir kritisieren nicht nur. Grundsätzlich begrüßen wir, dass diese europäischen Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung beschlossen wurden. Und dass der vorgesehene Zeitplan bleibt, auch das ist gut. Nachhaltigkeitsberichterstattung wird unserer Überzeugung nach zukünftig Bestandteil einer modernen Businessdisziplin sein. Bei öffentlichen Aufträgen oder Aufträgen durch berichtspflichtige Unternehmen etwa wird die Vorlage einer CO2-Bilanzierung gefordert werden. Unternehmen werden Nachhaltigkeitsinformationen bei einem Kreditantrag mitliefern müssen, um günstige Kreditbedingungen zu erhalten. Aber: Dass die Berichtspflicht bei den KMU nun auf die börsennotierten beschränkt ist, ist eine vertane Chance. Es geht zukünftig nicht um ein „nice to have“, sondern um eine „licence to operate“.
Unter diesem Aspekt ist es ebenso bedauerlich, dass einige Datenpunkte von „obligatorisch“ auf „freiwillig“ gesetzt wurden. Das betrifft etwa die Themenbereiche „biologische Vielfalt“ und „Leiharbeit“, zu denen eine Berichterstattung nun freiwillig sein soll.
Grundsätzlich gibt es jetzt gegenüber dem Entwurf mehr Auswahlmöglichkeiten für Unternehmen, welche Informationen sie als relevant betrachten und welche nicht. So könnte ein Unternehmen den Klimawandel als für sich nicht relevant einordnen. Das müsste zwar begründet werden, aber es ist wahnwitzig, diese Möglichkeit überhaupt zu eröffnen.
Außerdem es wurden zusätzliche Übergangsfristen geschaffen: Unternehmen unter 750 Beschäftigten müssen jetzt erst ab dem Jahr 2026 berichten und können sogar auf Antrag für zwei weitere Jahre befreit werden. Das ist schade, denn die jetzige Richtlinie erwartet überhaupt nicht, dass ein Unternehmen von heute auf morgen alle Informationen bereitstellen kann. Unternehmen sollten aber einen Plan vorlegen können, wann und wie Daten erhoben werden sollen.
Spannend wird die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht werden. Der deutsche Gesetzgeber wird die europäischen Vorgaben im Handelsgesetzbuch verankern.
Werden die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung die Qualität des Nachhaltigkeitsreportings steigern?
Ich glaube, das ist ein Anfang. Wir haben alle nicht den perfekten Wurf erwartet. Das Ansinnen, den Unternehmen einheitliche Richtlinien zu geben, worüber sie berichten, macht Sinn. Viele Unternehmen sind in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits freiwillig aktiv; andere Unternehmen stehen nun vor dem Schritt, ebenfalls ein solches Reporting einzuführen.
Manche kritisieren den mit diesen Berichtspflichten verbundenen Verwaltungsaufwand.
Natürlich macht das Arbeit. Aber es geht hier darum, Unternehmen zukunftsfest zu machen – und dazu sind diese Anforderungen unerlässlich. Als Verband sind wir absolut für einen Bürokratieabbau, aber nicht hier. Kammern und Industrieverbände sollten keine Panikmache verbreiten, sondern die Einführung dieser zeitgemäßen Standards positiv begleiten, entsprechende Handreichungen bereitstellen. Horrorszenarien helfen an dieser Stelle keinem.
Wie können sich Unternehmen auf das vorbereiten, was an Berichtsanforderungen auf sie zukommt?
Auf unserer Website bieten wir im Themenportal Nachhaltigkeitsreporting viele Tipps und Tricks, darunter ein kostenloses Tool, um einen ersten Überblick zur eigenen CO2-Bilanz zu ermitteln. Einen hilfreichen Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt das BNW-Mitglied GUTcert zur Verfügung. Ansonsten hilft die Formel „E-B-M“, einen ersten Überblick zu relevanten Themen zu bekommen. „E“ steht für „Energie“, „B“ für „Banking“ – wofür arbeitet mein Geld? – und „M“ für Mobilität – insbesondere für Dienstleistungsunternehmen sind durch die Mobilität der Mitarbeitenden verursachte Emissionen ein wichtiges Thema.
Vielen Dank für das Gespräch!