Berlin (csr-news) – Das Whitepaper „Klare Kante gegen Desinformation und Hate Speech! Wie Unternehmen Verantwortung übernehmen und dabei auch ihr Geschäft schützen“ wurde von der Corporate Digital Responsibility-Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz veröffentlicht. Die CDR-Initiative, die 2018 ins Leben gerufen wurde, ruft Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen dazu auf, sich aktiv gegen Desinformation und Hate Speech zu engagieren, und bietet konkrete Handlungsoptionen an.
Wir haben Maria Hinz und Alexander Brink, die das Whitepaper mit verfasst haben, dazu befragt. Die Fragen stellte Achim Halfmann.
CSR NEWS: In dem neuen Leitfaden der Corporate Digital Responsibility-Initiative geht es um „Desinformation“ und „Hate Speech“. Wie hängen diese beiden Phänomene zusammen?
Maria: Desinformation bezeichnet Informationen, die mit der Absicht verbreitet werden, zu täuschen und/oder Schaden zu verursachen. Im Zuge der Digitalisierung entwickelten sich dafür mannigfaltige Möglichkeiten. Ob organisierte Desinformationskampagnen aus dem Darknet oder das bewusste Teilen von falschen Informationen in den Sozialen Medien – Informationen verbreiten sich heutzutage schneller denn je und können sehr gezielt eingesetzt werden, um eigene Ziele zu verfolgen und zu spalten. Wo Spaltung in der Gesellschaft stattfindet, bilden sich gegeneinanderstehende Gruppen – Hate Speech ist die Folge. Hassbeladene Botschaften entladen sich gezielt, um ganze Bevölkerungsgruppen zu verunglimpfen. Und sie verbreiten sich rasant und erreichen schnell Millionen von Menschen. Dabei sind sie zugleich Verstärker der Ziele von Desinformationskampagnen.
Inwiefern können Desinformation und Hate Speech für Unternehmen gefährlich werden?
Maria: Auch Unternehmen und deren Mitarbeitende kann es treffen. So erreicht der Hass rund um stark von Desinformation geprägte Themen, wie beispielsweise die Corona-Pandemie oder auch die 5G-Technologie in der Telekommunikation, schnell auch die Mitarbeitenden und ganze Geschäftsmodelle von Unternehmen. Das kann sich unterschiedlich darstellen: Mitarbeitende können zum einen selbst Desinformationen als wahr annehmen und sich dadurch zu problematischen Handlungen entscheiden, die auch Arbeitgebende nicht ignorieren können. Rechtsradikale Hass-Kommunikation und entsprechende Handlungen sind für Beamte tabu, ebenso gefälschte Impfpässe von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Mitarbeitende können aber auch Opfer von Hate Speech werden, beispielsweise im Kundenservice oder in der Social Media Kommunikation. Hier braucht es möglicherweise Coachings oder psychologische Unterstützung. Natürlich können auch Unternehmen selbst die Wahrnehmung ihrer Zielgruppen prägen und sind allein dadurch schon Teil des Ringens um Wahrheit. Denn am Ende haben auch Unternehmen eine Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Wenn sich ein Unternehmen bisher nicht mit diesem Themenbereich beschäftigt hat, wie findet es dann einen Einstieg?
Alexander: Wir möchten mit dem Whitepaper zunächst für das Thema sensibilisieren, zugleich aber auch eine erste Orientierung geben – und zwar allen Unternehmen, nicht nur den großen Plattformbetreiber wie Meta (Facebook, Instagram), TikTok oder Twitter. Dazu haben wir einen ersten Ressourcenatlas entwickelt, der wichtige Quellen zusammenfasst. Klar, es gibt sehr gute Gründe sich zu engagieren. Aber was ist machbar? Welche Instrumente gibt es? Für uns ist klar, dass jedes Engagement gegen Desinformation und Hate Speech wertvoll ist. Unsere Kernidee lautet, Desinformation und Hate Speech entlang des Betroffenheitsgrades der Unternehmen – von mittelbar bis unmittelbar – zu strukturieren. Sodann gibt es drei konkrete Wege anzufangen: erstens die eigene Betroffenheit zu erkunden und zum Themenkomplex aufzuklären, zweitens die Aufstellung des Unternehmens zu verbessern und drittens aktiv einzuschreiten. Dazu gibt es Info-Boxes für unsere Leser*innen und Praktiker*innen. Und wir haben Praxisbeispiele namhafter Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Barmer, Otto Group und Telefónica Deutschland integriert. Damit können wir andere Unternehmen motivieren, sich aktiv für dieses Ziel einsetzen. Wir können die Dinge nicht nur theoretisch diskutieren und uns beschweren, was uns nicht gefällt. Digitale Transformation heißt letztlich, Dinge zu verändern, sich zu engagieren – und wenn das dann noch der Gesellschaft und dem Unternehmen gleichermaßen dient, perfekt.
Und zuletzt: Was gab den Ausschlag für die Corporate Digital Responsibility-Initiative, sich mit diesem Themenkreis zu beschäftigen?
Alexander: Die Mitglieder der CDR-Initiative – Barmer, Deutsche Telekom, DKB, ING Deutschland, Otto Group, Telefónica Deutschland, Weleda, Zalando – teilen ein gemeinsames Verständnis von Corporate Digital Responsibility. Wir verstehen darunter all diejenigen freiwilligen unternehmerischen Aktivitäten, die insbesondere im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher über das gesetzlich Vorgeschriebene hinausgehen und die digitale Welt aktiv zum Vorteil der Gesellschaft mitgestalten. Klare Kante gegen Desinformation und Hate Speech zu zeigen, leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, die digitale Transformation fair und zum Vorteil aller zu gestalten. Sie fördert damit eine nachhaltige Entwicklung im besten Sinne. Die CDR-Initiative des ist außerdem eine Lern- und Austauschplattform für engagierte Unternehmen. Das betonen wir immer wieder. Sie hat das Ziel, unternehmerische Verantwortungsübernahme im digitalen Wandel über alle Branchen hinweg zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Hier haben wir im Kampf gegen Desinformation und Hate Speech noch etwas Wegstrecke vor uns, es geht aber um eine kontinuierliche Verbesserung der Wirksamkeit der Maßnahmen. Das Whitepaper soll ein erster Anstoß sein.
Das Whitepaper „Klare Kante gegen Desinformation und Hate Speech! Wie Unternehmen Verantwortung übernehmen und dabei auch ihr Geschäft schützen“ > als PDF zum Download
Unser Interview-Partner*innen
Maria Hinz ist Digitalkoordinatorin der BARMER. Sie koordiniert unternehmensweite Fragen der Digitalen Transformation und treibt maßgeblich die Operationalisierung und Implementierung von Maßnahmen der Corporate Digital Responsibility voran. Durch ihre Mitarbeit in verschiedenen CDR-Gremien, u.a. in der CDR-Initiative des BMUV, bringt sie den Blickwinkel des Gesundheitswesens mit in die Debatte rund um Digitale Verantwortung ein. Maria ist Kommunikations- und Digitalexpertin und war bereits in verschiedenen (Führungs-)Positionen in Politik, Verbänden und Unternehmen tätig.
Prof. Dr. Dr. Alexander Brink ist Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Unternehmensethik im renommierten „Philosophy & Economics“-Programm der Universität Bayreuth. Er lehrt und forscht seit 20 Jahren an der interdisziplinären Schnittstelle von Ökonomie und Philosophie. Seit 2021 leitet er das dortige iLab Ethik und Management. Im Jahre 2010 gründete Alexander Brink die concern GmbH. Der Autor und Herausgeber von über 350 Veröffentlichungen berät namhafte Unternehmen. Seit 2019 begleitet er die Arbeit der CDR-Initiative, seit 2023 als wissenschaftlicher Berater der Geschäftsstelle.