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Trinkwasser für das ukrainische Mykolajiw

Eine Wasserentsalzungsanlage von Boreal Light vor der Auslieferung (Foto: Boreal Light GmbH)

Boreal Light baut solarbetriebene Entsalzungsanlagen

Berlin (csr-news) – „Mein berufliches Leben drehte sich von Anfang an um Solarenergie“, sagt der promovierte Umweltwissenschaftler Hamed Beheshti. Mit seinem Unternehmen Boreal Light entwickelt er heute in Berlin solarbetriebene Wasserentsalzungsanlagen für Afrika. In Kürze sollen diese Anlagen auch den Menschen in der Ukraine zugutekommen.

Boreal Light startete im Jahr 2015 und stellte die ersten Anlagen zwei Jahre später den Menschen in Ostafrika zur Verfügung. „Es waren insbesondere drei Herausforderungen, denen wir uns bei der Entwicklung der Entsalzungsanlagen gestellt haben“, sagt Beheshti. „Dem Zugang zu hygienischem Trinkwasser, der fehlenden Elektrizität und der Entwicklung von Lösungen, die nicht auf eine hochtechnisierte Wartung angewiesen sind.“ Die Solaranlagen kommen auch ohne Batterien aus und können „nur mit einem Schraubenzieher repariert werden“, so Beheshti.

Die solarbetriebenen Entsalzungsanlagen erzeugen – je nach Anwendungsfall – außer Trinkwasser auch Wasser für Entsalzung, die Bewässerung oder den Betrieb von Sanitäreinrichtungen. Sie haben sich in Kenia und anderen ostafrikanischen Ländern bewährt und werden inzwischen über den ganzen Kontinent und im Vorderen Orient und Lateinamerika vertrieben. Nach eigenen Angaben ist Boreal Light der größte Anbieter von solarbetriebenen Entsalzungsanlagen in Afrika.

Dr. Hamed Beheshti (Foto: Boreal Light GmbH)

„Dass unsere Anlagen einmal in der hoch-elektrifizierten Ukraine gebraucht werden könnten, hätte ich mir nie träumen lassen“, sagt der Umweltwissenschaftler. Doch der russische Angriffskrieg gegen das osteuropäische Land veränderte alles.

Russische Raketen- und Drohnenangriffe richteten sich insbesondere gegen die Infrastruktur des Landes: gegen die Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Das betraf am 8. April 2022 auch die süd-ukrainische Stadt Mykolajiw. Sie wurde unter anderem mit Streubomben angegriffen, die Infrastruktur und das Verwaltungsgebäude wurden schwer beschädigt – und auch die Haupttrinkwasserversorgung war betroffen.

Mit Vertretern aus Mykolajiw, dass auch ein Zentrum der Solarindustrie in der Ukraine ist, kamen Mitarbeiter von Boreal Light im Juni 2022 auf einer Solarmesse in Kontakt. Schnell wurde klar, dass die Anlagen von Boreal Light den Menschen in Mykolajiw nützen könnten. Mit Bürgermeister Alexander Senkewitsch, der Stadtverwaltung und den Wasserwerken entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit.

Mykolajiw liegt nah am Meer, sodass über die Wasserentsalzung für die Bewohner Trinkwasser gewonnen werden kann. Ab dem kommenden September sollen hier Anlagen von Boreal Light zum Einsatz kommen. „Hier arbeiten wir in einer anderen Größenordnung als in Afrika“, sagt Beheshti. In Mykolajiw müssen rund 480.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt werden. Geplant sind fünf Anlagen, die insgesamt 125.000 Liter pro Stunde entsalzen werden. Die Verteilung auf fünf Anlagen mit verschiedenen Standorten soll einen Angriff und eine Zerstörung erschweren. Vor einem Monat wurden die Verträge für den Bau der Anlagen unterzeichnet, im August werden ukrainische Techniker geschult und im September sollen die Anlagen geliefert werden und in den Betrieb gehen.

Für die Koordination der Aktivitäten hat das Unternehmen eine ukrainische Mitarbeiterin beschäftigt und derzeit werden technische Dokumentationen in die ukrainische Sprache übertragen. Finanziert wird der Anlagenbau für Mykolajiw zur Hälfte auf einem Programm der KFW Bank und zur Hälfte aus Eigenmitteln von Boreal Light. „Wir sind hier prominent auf einem Markt der Zukunft vertreten“, sagt Beheshti. „Hier entsteht das größte Wasserentsalzungsprogramm in Europa.“

Mit Blick auf den Einsatz nach dem Krieg wird Boreal Light hybride Wasseraufbereitungsanlagen liefern, die später auch mit anderen Quellen als der Solarenergie betrieben werden können.

Seit der Zerstörung des Kachowka-Staudamms erreichen Boreal Light Anfragen der dort gelegenen Stadt Cherson. Durch die Überflutungen wurden die Tiefbrunnen der Stadt verschmutzt, Trinkwasser wird in einigen Gebieten in kleinen Flaschen mit Drohnen ausgeliefert. „Wir haben hier zwölf Systeme fertig verpackt zur Verfügung, die eigentlich für andere Regionen bestimmt sind“, sagt Beheshti. Die habe er der Bundesregierung für den Einsatz in Cherson angeboten. 250.000 Menschen könnten so mit Trinkwasser versorgt werden. Beheshti weiter: „Zwei Tage nach der Anlieferung in Containern sind unsere Anlagen einsatzbereit.“ Ob Anlagen von Boreal Light auch in Cherson zum Einsatz kommen, ist noch nicht entschieden.

„Die Lösung, die der Kollege präsentiert hat, lässt sich gut in den größeren Zusammenhang einreihen“, sagt Mark Oelmann, Professor für Energie- und Wasserökonomik an der Hochschule Ruhr West. Als Trinkwasser werde in der Regel Grundwasser oder Oberflächenwasser – etwa aus einem Fluss – aufbereitet. Das sei weniger aufwändig als die Meerwasserentsalzung. Allerdings sei durch die russischen Angriffe ein großer Teil der Infrastruktur zerstört und es sei nicht einfach, im Krieg an Grundwasser zu kommen. Hier biete die Entsalzung von Meerwasser eine Chance, schneller handlungsfähig zu werden. Oelmann weiter: „Das mit Solar zusammenzudenken ist eine richtige, eine gute Idee.“

Insgesamt habe sich die deutsche Wasserwirtschaft schnell und intensiv für die Unterstützung der Menschen in der Ukraine engagiert. Vieles laufe dabei über den Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der mit ukrainischen Partnerverbänden in den Austausch getreten sei, so Oelmann weiter.

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