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KI in Nachhaltigkeitsprogrammen noch am Anfang

Andreas Maslo (Foto: Annett von Loeffelholz / VERSO)

Großes Potential: z.B. „Predictive Sustainability“, Das Interview mit Verso-Geschäftsführer Andreas Maslo für das 39. CSR MAGAZIN

München (csr-news) – Andreas Maslo hat 2010 das Unternehmen Verso mitgegründet und ist heute dessen Geschäftsführer. Geschäftsmodell von Verso ist eine B2B Software as a Service, die ESG-Daten aus allen Unternehmensbereichen zusammenführt und so das CSR-Management stärkt und die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterstützt. Für das CSR MAGAZIN sprach Achim Halfmann mit ihm über die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verarbeitung von ESG-Daten.

CSR MAGAZIN: Herr Maslo, Ihre Software will Daten aus ganz unterschiedlichen Unternehmensbereichen zusammentragen. Da müssen Sie an die verschiedensten Systeme andocken können.

Andreas Maslo: In der Tat, Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema und betrifft ganz unterschiedliche Unternehmensbereiche. In der Praxis haben wir es allerdings überwiegend nicht mit anderen Programmen, sondern mit umfangreichen Excel-Daten zu tun. Dort werden bei den sehr vielen mittelständischen Unternehmen – wie vor zehn Jahren – die meisten Daten zusammengeführt. Obwohl es hier besonders in den letzten zwei Jahren große Entwicklungen gegeben hat. Natürlich treffen wir aber manchmal auch auf ERP-Systeme, zu denen wir dann Schnittstellen anbieten können.

Seit wann ist KI für Ihr Unternehmen ein Thema?

Daten treiben uns bereits seit der ersten Minute an und die selbstständig weiterentwickelten Algorithmen unterstützen uns bei der Analyse und Verifizierung solcher Daten. Seit diesem Jahr ist ChatGPT ein regelrechter Eye Opener in vielen Unternehmen. Ich würde vermuten, dass viele Nachhaltigkeitsmanager bereits einmal dieses KI-Tool aufgerufen und gepromptet haben: “Hey ChatGPT, schreibe mir ein Vorwort zu meinem Nachhaltigkeitsbericht.“

Und die KI bietet bei solchen Anfragen überraschend gute Ergebnisse; erstmals scheint der KI-Einsatz im Nachhaltigkeitsmanagement greifbar. Das war der Startschuss, jetzt beschäftigt das Thema viele im Nachhaltigkeitsmanagement. Wir haben uns jedoch für den Moment dagegen entschieden, ChatGPT bei Verso zu nutzen. Das hat vor allem datenschutzrechtliche Gründe.

Im B2C werden KI-Tools gerade aktuell kräftig ausgerollt. Wie weit ist die KI-Integration in Nachhaltigkeitsprogrammen fortgeschritten und welche Perspektiven sehen Sie?

Es wird viel gesprochen, aber vieles davon ist Buzzwording. Mit der Integration von generativer KI in Nachhaltigkeitsprogramme stehen wir am Anfang.

Die Potentiale allerdings sind groß: Denken Sie nur an die Lieferketten, die bei einem Mittelständler durchschnittlich 1.000 Lieferanten umfassen. Die dort anfallenden ESG-Daten im Überblick zu haben, das macht mit Excel keinen Spaß. Programme zur Automatisierung der Datenerhebung und -auswertung bergen hier großes Potential.

Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich wird das, was ich „Predictive Sustainability“ nenne: Aufgrund der Datenerfassungen der zurückliegenden Jahre sitzen wir auf einem gewaltigen Datenschatz, dessen Auswertung uns Aussagen über die Zukunft ermöglicht – auch im Blick auf Nachhaltigkeitsthemen. Aber auch da sind wir noch am Anfang.

Dann ist die Zielperspektive der Nachhaltigkeitsbericht, der sich am Ende quasi von selbst schreibt?

Diesen Wunsch kenne ich, aber wir sollten gut überlegen, ob wir das wirklich wollen. Denn in den Abstimmungsprozessen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – auch zwischen den Abteilungen – steckt ein hohes Innovationspotential und das sollten wir uns meiner Meinung nach erhalten.

KI wird uns zunehmend von repetitiven Aufgaben befreien, uns mehr Zeit für das wirklich Wichtige schaffen und so Effizienzgewinne für Nachhaltigkeitsteams bieten. Zum Beispiel trifft sich klassisch die Nachhaltigkeitsmanagerin mit ihrer Kollegin aus den HR, um Kennzahlen zur Mitarbeiterfluktuation oder zum Männer-Frauen-Anteil unter den Beschäftigten zu erfahren. Wenn diese Aufgabe eine KI übernimmt, können die beiden ihren Austausch zukünftig für Wichtigeres nutzen, etwa für ein Gespräch über Strategien.

Zum Thema Nachhaltigkeitsberichte schreiben: Hier setzen die ab dem Berichtsjahr geltenden „European Sustainability Reporting Standards“ neue Maßstäbe. In der Vergangenheit konnte sich ein Unternehmen aussuchen, was es in seinen Bericht schrieb. Nun ist diesbezüglich eine Wesentlichkeitsanalyse zu erstellen, das wird eine deutliche Qualitätssteigerung bringen. Daten sollen in eine gemeinsame Datenbasis einfließen. Das wird es Unternehmen einer Branche aus beispielsweise Deutschland und aus Portugal ermöglichen, voneinander zu lernen, was gut funktioniert. KI wird dabei mit ihren Fähigkeiten zur Mustererkennung unterstützen.

Durch die Europäische „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)” wird sich die Zahl der zu einem Nachhaltigkeitsreporting verpflichteten Unternehmen in etwa verdreißigfachen. Das wird vieles verändern.

Ist es aktuell nicht besonders schwierig, Programmierer mit KI-Expertise für die Mitarbeit zu gewinnen?

Wir haben bereits einige solche Expert:innen in unserem Unternehmen, die sich nicht erst seit diesem Jahr mit Machine Learning beschäftigen. So können wir viel eigenständig entwickeln. Daneben gibt es ausgezeichnete Hochschulen oder Institute, mit denen wir gewinnbringend kooperieren können.

Welche ethischen Themen und Verantwortungsfragen sehen Sie im Blick auf den KI-Einsatz?

Zunächst ist da natürlich das Thema Datenschutz. Ich kann meine Finanzdaten nicht in ChatGPT eingeben und dort verarbeiten lassen, wenn ich nicht will, dass ein Wettbewerber sie mit geschickten Fragestellungen dort wieder herausbekommt. Zudem sollte man sich nicht zwangsläufig auf die KI-generierten Auswertungen verlassen. Von einem Menschen im Unternehmen muss unbedingt validiert werden, ob wirklich alles stimmt.

Grundsätzlich halte ich es auch für wichtig, dass alle Entscheidungen und Schlussfolgerungen in HR und im sozialen Bereich auch zukünftig von Menschen getroffen werden. Die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen kann durch KI unterstützt werden, am Ende müssen Menschen jedoch die Verantwortung übernehmen.

Die Datenverarbeitung – und dabei insbesondere der Einsatz von KI – ist sehr energieaufwändig. Wie halten Sie es als Softwareanbieter mit Ihrer eigenen Nachhaltigkeit?

Unser Softwareprodukt ist von Anfang an ein Cloud-basiertes Produkt. Gehostet werden unsere Daten ausschließlich auf europäischen und überwiegend auf deutschen Servern, denn höchste Datensicherheit und Qualität sind für uns absolut essentiell. Wir haben auch Kunden in anderen europäischen Ländern, weshalb wir auch Serverstandorte außerhalb Deutschlands nutzen. Die Datenzentren haben wir zuvor besucht und auf verschiedene Kriterien – auch mit Nachhaltigkeitsbezug – geprüft.

„Green Coding“ – eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Programmierpraxis – ist eine wichtige Aufgabe für uns. Seit dem ersten Tag setzen wir auf die Nutzung regenerativer Energien. Und wir schauen in den Maschinenraum: Wir tracken den Energieverbrauch unserer Software per Click, messen das über 30 Tage und benchmarken unsere Ergebnisse gegenüber anderen gängigen Softwarelösungen.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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