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„Auch das ZDF setzt auf Daten“ … in Beitragsproduktion und Mediathek

Foto: Frederik Merten auf Unsplash

Robert Amlung, Beauftragter für digitale Strategien beim ZDF, im Interview für das 39. CSR MAGAZIN

Mainz (csr-news) – Auf den digitalen Plattformen von Streaming-Anbietern wir Amazon, Netflix oder Walt Disney hinterlassen Nutzer umfangreiche Datenspuren. Wie diese für Filmproduktionen und die Gestaltung von Benutzeroberflächen von Netflix genutzt werden, beschreibt Oliver Schütte in seinem 2020 erschienenen Buch „Die Netflix-Revolution: Wie Streaming unser Leben verändert“. Dort heißt es im Blick auf den Einsatz von Algorithmen für die Gestaltung der Nutzeroberfläche: „Auch die Präsentation der einzelnen Filme wurde inzwischen (.) modifiziert und weiter personalisiert. So sehen die Nutzer, die sich bisher hauptsächlich Romantic Comedys angeschaut haben, nunmehr zu dem Titel des Films ein kleines Foto, das zwei glücklich verliebte Menschen zeigt. Anderen, die eher Komödien bevorzugen, wird für den gleichen Film der für das Genre bekannte Schauspieler präsentiert.“

Wie nutzen öffentlich-rechtliche Medienhäuser die Daten ihrer Zuschauerinnen und Zuschauer und Künstliche Intelligenz (KI)? Welche Rolle spielen ethische Überlegungen dabei? Der Journalist Robert Amlung, Beauftragter für digitale Strategien beim ZDF, berichtet darüber im Interview mit dem CSR MAGAZIN. Das Gespräch führte Achim Halfmann.

Herr Amlung, auch das ZDF wird generative KI in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz bringen. Wie gehen Sie dabei vor?

Robert Amlung (Foto: Miriam Bender/ZDF)

Robert Amlung: In unserem Haus sehen wir Künstliche Intelligenz als ein Querschnittsthema, mit dem fast alle Mitarbeitenden in Berührung kommen werden. Wir wollen KI so gut es geht in die Tätigkeitsbereiche integrieren, in denen sie nützlich sein kann. Dazu wollen wir auf der einen Seite die Awareness für eine professionelle Nutzung von KI steigern und andererseits ein Erwartungsmanagement betreiben.

Meine Tätigkeit dabei ist als Stabsposition beim Intendanten angesiedelt. Es ist eine koordinierende Aufgabe zu den Themen des digitalen Wandels und zu meiner Rolle gehört es, Impulse zu vermitteln und Innovationsprojekte zu leiten. Eine zentrale organisatorische Struktur zu allen digitalen Fragestellungen gibt es bei uns nicht; für die Mediathek bearbeitet beispielsweise die Hauptredaktion „Digitale Medien“ solche Themen.

Wo liegen Schwerpunkte des KI-Einsatzes in Ihrem Medienhaus?

Zwei Schwerpunkte sind die Herstellung von Videobeiträgen bzw. die Produktion von Multimedia-Inhalten sowie die Mediathek.

Bei der Beitragsproduktion geht es konkret um Themen wie die automatische Übersetzung oder Verschriftlichung von Tonspuren. Bereits ziemlich gut funktioniert in manchen Bereichen die automatische Untertitel-Erstellung, da müssen wir dann nur noch selten nacharbeiten. Zudem arbeiten wir an der automatisierten Auswertung von Inhalten und an der Szenenerkennung.

Das ist auch angesichts der zunehmenden Bedeutung von Meta-Daten wichtig: In einem digitalen Umfeld sind diese beschreibenden Daten wichtiger als früher, sie sind bedeutsam von der Bestellung bis zur Rechnungserstellung, von der Auswertung der Nutzerdaten bis zur Gestaltung der Mediathek. Dort ist es etwa für die automatischen Empfehlungssysteme wichtig, Kontexte herstellen zu können.

Und schließlich müssen wir in einem digitalen Arbeitsumfeld die Strukturiertheit der internen Abläufe im Herstellungsprozess verbessern. Inhalte werden an verschiedenen Stellen ausgespielt und dieser Workflow braucht Metadaten. In der Mustererkennung ist KI gut und das können wir für die Metadaten-Generierung nutzen.

Am Einsatz von KI-unterstützten Empfehlungssystemen in Mediatheken gibt es aus medienpädagogischer Sicht die Kritik, dass Nutzerinnen und Nutzer immer mehr des Gleichen angeboten bekommen und angesichts dieser „Bespaßung“ ihren Horizont kaum erweitern können.

Aus Praktikersicht halte ich die Diskussion um die Filterblasen für stark vereinfacht: eine rein nutzerzentrierte Empfehlung würde von den Nutzern selbst als langweilig empfunden. Der Zuschauer will auch irritiert und überrascht werden. Bei Zeitungen zum Beispiel gibt es den Erfahrungswert, dass maximal die Hälfte der Startseite aus Empfehlungen bestehen sollte, die sich an dem zuvor Gesehenen orientieren.

In einem digitalen Umfeld müssen wir aber die Möglichkeit nutzen, unsere Produkte zu differenzieren und stärker auf die Nutzer zuzuschneiden, etwa indem bisherige Nutzung, aber auch Tageszeiten oder das Wetter berücksichtigt werden.

Und natürlich wollen wir die Leute auch unterhalten, aber Unterhaltung ist nie alles: Wir machen nicht nur Krimis, sondern wir gestalten ein vielfältiges Informationsangebot mit Dokumentationen, Nachrichten und Kultur. Auch mit allem, was wir über KI empfehlen, wollen wir unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht werden.

Kritik entzündet sich auch daran, dass für solche Steuerungsprozesse massenhaft Daten gesammelt und von undurchsichtigen Algorithmen genutzt werden.

Auch das ZDF setzt auf Daten. Welche Daten wir sammeln und wie diese genutzt werden: da sind wir transparent. Und der Zuschauer kann die Nutzung seiner Daten in unseren digitalen Angeboten auch ganz ablehnen.

Auf unserer Website berichten wir ausführlich dazu, welche Daten wir sammeln und was wir damit machen. Wir legen die Funktionsweisen unserer Algorithmen offen. Da unterscheiden wir uns von kommerziell aktiven Medienhäusern.

Im Umgang mit Daten gilt für uns als deutsches Medienhaus die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Danach sind Datennutzungen untersagt, die Persönlichkeitsrechte verletzen. Und die Art der Datennutzung muss zum Auftrag des Unternehmens passen. Bestimmte Daten – etwa die Bewegungsprofile unserer Zuschauer – nutzen wir aus ethischen Gründen nicht.

Wird KI den Journalismus verändern, viele Journalisten gar überflüssig machen?

Wo Journalismus bestehende Muster extrapoliert, kann KI erfolgreich zum Einsatz kommen. Das nutzen wir im Datenjournalismus, wo große Datenmengen gut visualisiert werden sollen. Da kann KI sehr hilfreich sein und Strukturen sichtbar machen, die sonst unsichtbar geblieben wären.

Ein großer Teil journalistischer Arbeit sind die investigative Recherche und das Erklären komplexer Sachverhalte. Und da ist KI außen vor.

Ein ganz praktisches Problem ist: Es ist inzwischen bekannt, dass z.B. ChatGPT einfach Sachverhalte erfindet, wenn dem Modell die Daten fehlen. Wir werden deshalb nie irgendwelche KI-generierten Informationen ungeprüft herausgeben, denn die Richtigkeit unserer Informationen ist unsere ethische Verantwortung.

Sehen Sie die Chance, dass Ihr Medienhaus durch den KI-Einsatz nachhaltiger wird?

Fragen unserer eigenen Nachhaltigkeit diskutieren wir in unserem CSR-Team. Wie wir KI nutzen können, um Nachhaltigkeit zu fördern, das ist eine für die nächsten Jahre relevant bleibende Frage. Wir diskutieren bereits heute darüber, aber wir haben noch keine Antworten.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Auf dieser Website informiert das ZDF über seine Datennutzung und Algorithmen:
https://algorithmen.zdf.de/

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