Frankfurt a.M. (csr-news) „Der Rechenzentrumsmarkt boomt weiter – zwischen 2010 und 2022 wuchsen die Kapazitäten der Rechenzentren in Deutschland gemessen in IT-Anschlussleistung um über 90 %“, heißt es in einer Studie zur Marktentwicklung 2023 des Borderstep-Instituts für den Branchenverband Bitkom. Die verstärkte Nutzung von Cloud-Computing gilt dabei als ein wesentlicher Treiber. Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) dürfte demnächst ebenso einen Beitrag leisten. Das Ziel einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Gestaltung der Datacenter ist daher zentral.
Im Jahr 2020 gab es rund 3.000 Rechenzentren mit einer elektrischen Leistung von jeweils mehr als 40 Kilowatt sowie rund 47.000 kleinere IT-Installationen. Mit der wachsenden Zahl und Leistung der Rechenzentren ist zugleich ein steigender Energieverrauch der Rechenzentren und kleineren IT-Installationen verbunden. Dieser stieg in Deutschland zwischen 2010 und 2022 um 70 % auf 17,9 Mrd. kWh/a – und dies, obwohl sich die Rechenkapazität pro verbrauchter Kilowattstunde Strom seit 2010 etwa versechsfacht hat, Datacenter also deutlich energieeffizienter geworden sind, so der Bitkom-Bericht.
ESG-Kriterien immer wichtiger
Im Rahmen der Recherchen für diese Magazinausgabe hat Achim Halfmann für das CSR MAGAZIN das firstcolo Rechenzentrum Werkhaus im Osten von Frankfurt besucht und mit Jerome Evans, dem Geschäftsführer des Betreibers, gesprochen. Auf 1.200qm Technikfläche bietet das moderne Datacenter Platz für etwa 400 Racks oder bis zu 16.000 Server.
Das Unternehmen firstcolo wurde 2006 gegründet und gehörte von 2015 bis 2022 zum Cloud-Konsortium diva-e Digital Value Excellence. Seit 2022 will firstcolo als eigenständiges Unternehmen die Wachstumspotentiale im Datacenter-Segment nutzen.
Für Kunden werden bei der Auswahl eines Datacenters ESG-Kriterien immer wichtiger. „Je größer der Kunde, umso höher die Investitionsanforderungen“, sagt Evans. Denn die dort generierten CO2-Emissionen werden ein Teil des CO2-Abdrucks der jeweiligen Kunden
Gleiches gelte auf dem Kapitalmarkt für die Investitionsentscheidungen von Anlegern, allen voran die Pensionskassen. Eine wachsende Zahl an Fonds berücksichtigt ESG-Kriterien. Und auch deshalb ist Nachhaltigkeit für das expansionsorientierte Unternehmen ein Muss.
Hotspot Frankfurt am Main
firstcolo setzt zu 100 Prozent auf grüne Energie des regionalen Energieversorgers Mainova. Die Energieversorgung wird zugleich zum „bottleneck“ für den weiteren Ausbau von Datacentern am Standort Frankfurt: In der Stadt befindet sich mit DE-CIX der größte Internetaustauschknoten Europas und je näher ein Datacenter an diesem Punkt sitzt, umso geringer fallen Verzögerungsraten bei der Datenübertragung aus. Hier zählen Millisekunden; etwa 60 Prozent der deutschen Datencenter sitzen in Frankfurt am Main, berichtet Evans. Das erzeugt einen hohen Energiebedarf und aufgrund fehlender Stromtrassen in Richtung Frankfurt wird der Strom knapp.
Energieeffizienz bildet damit eine zentrale Herausforderung für Rechenzentren. Die wichtigste Kennzahl dafür ist die Power Usage Effectiveness (PUE) – auch „Energieverbrauchseffektivität“ genannt. Für den PUE-Wert wird der Gesamtenergie-Aufwand des Rechenzentrums ins Verhältnis gesetzt zur Energie-Aufnahme der Rechner-Infrastruktur, also zu dem für die eigentliche Rechenleistung erforderlichen Energie. Je kleiner der PUE-Wert, je energieeffizienter arbeitet ein Rechenzentrum. Bei einem -theoretischen – PUE-Wert von 1 flösse alle Energie in die eigentliche Rechenleistung. Konventionelle Rechenzentren liegen bei einem PUE-Wert um 1,6; moderne energieeffiziente Datacentren erreichen PUE-Werte bis zu 1,2.
Energieeffizienzgesetz als Treiber
Druck auf eine energiesparsame Ausgestaltung von Rechenzentren entsteht auch durch den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes (EEG), das den Datacentren einen eigenen Abschnitt widmet. „Das hat unter den Betreibern für viel Furore gesorgt“, sagt Evans. Danach sollen ältere Rechenzentren ihre Energieverbrauchseffektivität schrittweise reduzieren; neu errichtete Datacentren sollen mit einem PUE-Wert von 1,3 oder kleiner an den Start gehen. Geregelt werden in dem Gesetz zudem die Nutzung der in den Anlagen entstehenden Wärme in Fernwärmenetzen sowie eine energiesparsame Luftkühlung.
Der Bund plant zudem ein Energieeffizienzregister für Rechenzentren, an das diese Einrichtungen festgelegte Kennzahlen berichten müssen, die dann – zu einem großen Teil – über eine digitale Plattform der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Energieeffizienz bildet damit ein zentrales Nachhaltigkeitsthema für Rechenzentren. „Wir liegen mit unseren Rechenzentren bei einem PUE-Wert von 1,3 und sind damit etwas effizienter als das Mittel“, so Evans.
Kühlen – aber richtig
Für den hohen Stromverbrauch in Rechenzentren sorgen insbesondere Prozessoren und Beschleunigerkarten, die Kühlung und der Betrieb von Datenträgern. „Die Kühltechnologie hat maßgeblichen Einfluss auf den Gesamtenergieverbrauch“, sagt Evans. Gekühlt wird seltener mit Wasser – das ist nicht an allen Standorten möglich – die Kühlung erfolgt primär über Luft. Evans weiter: „Luftkühlung hat einen geringeren Effizienzgrad als Wasser, ist aber die bevorzugte Kühlungsvariante im Umfeld von Colocation-Rechenzentren und entspricht den Erwartungen der Kunden.“
Wer den Serverbereich des firstcolo Rechenzentrums Werkhaus betritt, dem fällt als erstes der hohe Geräuschpegel auf. Der wird wesentlich durch die in den Servern verbauten Lüfter verursacht. Die Raumtemperatur in den Serverhallen liegt deutlich höher als in anderen Räumen. Um energieeffizient zu kühlen, wird die Luft in geschlossenen Serverschränken gezielt an die Stellen geleitet, wo sie gebraucht wird. Beim Betreten eines Serverschranks ist ein kühler Luftzug von unten spürbar.
Herausforderung Abwärme
Die in den Datacentern erzeugte Abwärme soll – zumindest teilweise – in kommunale Wärmenetze eingespeist werden. So sieht es der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes vor. Evans: „Die aufgewärmte Luft lässt sich für Wohnimmobilien, Schwimmbäder oder Gewächshäuser nutzen.“ Aus den Rechenzentren steht Abwärme mit einer Temperatur von 28 bis 30 Grad zur Verfügung. Damit diese in Fernwärmenetzen transportiert werden kann, muss Luft durch Wärmepumpen auf 50 bis 60 Grad gebracht werden.
Für bestehende Datacenter wird das Herausforderungen mit sich bringen, etwa aufgrund des Platzbedarfs für solche Wärmepumpen. Der EEG-Entwurf sieht zudem vor, dass Datacenter zukünftig mit höheren Temperaturen bei der Zuluft arbeiten sollen, um den Wärmegrad der Abluft zu erhöhen und die Energieeffizienz zu steigern.
„Frankfurt arbeitet an der Wärmewende.“
So titelt im Juni die Frankfurter Rundschau in einem Beitrag über ein 2022 gestartetes Projekt zur kommunalen Wärmeplanung. Nach dem Bericht will der regionale Energieversorger Mainova sein mehr als 300 Kilometer langes Fernwärmenetz ausbauen. Derzeit stammt die Fernwärme aus einem Müllheizkraftwerk und aus der Gas- und Kohleverbrennung. Zukünftig soll auch die Abwärme aus Rechenzentren genutzt werden, so der Bericht. Jerome Evans berichtet von konstruktiven Gesprächen mit den Stadtplanern. „Manche Entwürfe für Leitlinien sind noch weit von dem entfernt, was Rechenzentren umsetzen können“, so Evans. „Die Situation der Rechenzentren ist spezifisch, deshalb ist es wichtig, Experten aus diesem Bereich in die Planung einzubeziehen.“
Beim Neubau von Rechenzentren wäre es theoretisch möglich, diese etwa an kommunale Einrichtungen wie eine Kindertagesstätte anzubinden und diese dann mit der Abwärme zu heizen. Allerdings sprächen die für Rechenzentren vorgegebenen baulichen Sicherheitsmaßnahmen dagegen. Und bei einem (Fehl-) Alarm wäre auch die angrenzende kommunale Einrichtung zu räumen. Zudem habe die Stadt Frankfurt den Bau von Rechenzentren auf Flächen beschränkt, die weit abseits von Wohngebieten liegen, so Evans. „Da stellt sich die Politik selbst ein Bein.“
Blick in die Zukunft
Nicht nur Jerome Evans rechnet für die kommenden Jahre mit einem deutlich steigenden Bedarf an Datacenter-Leistungen. „Die Zahl der Nutzer von KI-Diensten wird in den kommenden zehn Jahren um den Faktor 100 steigen“, so Evans. Dazu trage etwa der Trend zur Arbeit im Homeoffice oder die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen bei. Zudem könne Rechenleistung in Datacentern energieeffizienter vorgehalten werden als in den Unternehmen selbst. Durch eine verstärkte Nutzung von Remote-Arbeit in Form von Home-Office kann der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß reduziert werden; durch sogenannte Rebound-Effekt wird in dem gleichen Zuge allerdings mehr Strom in den Rechenzentren verbraucht, was allerdings in einer Netto-Betrachtung zu einem insgesamt geringeren CO2-Ausstoß führt.
Künftig wird KI-Technologie zu einer effizienteren Steuerung von Rechenzentren beitragen, indem etwa Wetterprognosen und Bedarfsdaten automatisiert einbezogen und die Steuerung der Rechner und der Peripherie-Geräte (z.B. der Kühlanlagen) kontinuierlich angepasst wird.
firstcolo plant aktuell die Errichtung eines neuen Rechenzentrums im Frankfurter Umland. Dort lassen sich Energieeffizienzmaßnahmen von vornherein einplanen – etwa die Nutzung der Abwärme in Immobilien der Region. Zu den vorgesehenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen gehört eine Begrünung der Dach- und Außenflächen des Gebäudes.
Für die Zukunft rechnet Evans mit einem verstärkten Bau von Rechenzentren dort, wo Daten verarbeitet werden müssen. „Denken Sie etwa an das autonome Fahren, bei dem eine geringe Latenzzeit der Datenverarbeitung besonders wichtig ist“, so der Experte. Im Jahr 2030 werden uns möglicherweise zahlreiche Rechenzentren am Rand der Autobahnen ins Auge fallen.
Dieser Text (ohne Bilder) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.