CSR_NEWS Finanzwirtschaft

Europäische Zentralbank und EU-Grundrechte

European Parliament Strasbourg Hemicycle (Halbkreis) von Diliff, CC By-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Würzburger Petition fordert Gerechtigkeit im Eurosystem

Aufruf Prof. Dr. Bolsinger an den EU-Petitionsausschuss: „Bitte verlangen Sie endlich echte Transparenz über die fragwürdigen Geschäfte der EZB und bringen Sie Gerechtigkeit in das Eurosystem!“

Würzburg (UVG-Verein) – Das Kerngeschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) berücksichtigt immer noch nicht die Grundrechte der Europäischen Union: Diese These von Prof. Dr. Harald Bolsinger wurde von führenden Club of Rome Mitgliedern zusammen mit der Forschungsgruppe „Finanzen und Wirtschaft“ des Weltethos-Institutes an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main vor einigen Wochen diskutiert. Der Wirtschaftsethiker und Professor an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und Vorstandsmitglied der Weltethos-Forschungsgruppe, erhielt am 1. Dezember 2021 im Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments erneut Gelegenheit, um seine These zusammen mit Jens Minnemann in Brüssel zu Gehör zu bringen.

Die EZB sei nach wie vor Eigentümerin von Vermögenswerten, die die EU-Grundrechtecharta untergraben und mit erheblichen ethischen Kontroversen behaftet sind. Bei allen marktfähigen Sicherheiten und Wertpapierankäufen der EZB fehle die Sicherung der Grundrechte, so Bolsinger. Es würde nicht einmal ansatzweise geprüft, ob die entsprechenden Emittenten das Geld aus ihren Anleihen für Korruption, Umweltzerstörung oder Menschenrechtsverletzungen ausgeben. Die EZB sei damit sehenden Auges an der Finanzierung von Grundrechtsverletzungen in großem Stil beteiligt – dies stabilisiere und verstärke Ungerechtigkeit in der EU. Es müsse zum Standard werden, dass die EZB dem Parlament wenigstens regelmäßig über die Einhaltung der Grundrechte explizit für alle ihre Vermögenswerte berichte und nicht nur über den engen Teilaspekt von Klimarisiken.

In den Zulassungskriterien für Wertpapiere und notenbankfähige Sicherheiten für geldpolitische Geschäfte mit der EZB  seien keinerlei Beschränkungen ethischer Art aufgeführt. Die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Menschenrechte“ kämen in der entsprechenden Leitlinie nicht vor. Dies motivierte den Würzburger Wirtschaftsethiker bereits 2017, die von der EZB als Kreditsicherheit akzeptierten Wertpapiere – derzeit rund 16 Billionen Euro – erstmals hinsichtlich ethischer Kontroversen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten eine inakzeptable Regulierungslücke, da die Wertpapiere mit zahlreichen ethischen Kontroversen in Verbindung stünden, die der EU-Grundrechtscharta als Mindeststandard nicht gerecht werden. Nach seinen Untersuchungen sind rund zwanzig Prozent der Wertpapiere, die die EZB als Pfand für Kredite an Geschäftsbanken akzeptiert, mit schwerwiegenden ethischen Kontroversen behaftet: Die Fälle reichen von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Korruption, Steuervermeidung und Umweltzerstörung bis hin zu Vorwürfen der Terrorismusfinanzierung und Herstellung geächteter Kriegswaffen. Das Marktvolumen der untersuchten Wertpapiere betrug damals bereits rund 14 Billionen Euro und habe damit einen Einfluss auf die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger der EU. „Niemand kann verstehen, warum die EZB Wertpapiere von Eni oder Shell im großen Stil kaufen und besitzen darf, während Unternehmen selbst zu Klima- und Umweltschutz bewegt werden sollen. Es ist nicht erklärbar, warum einerseits Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen und Staaten seitens der EU angeprangert werden, aber die EZB munter Wertpapiere von mit derartigen Kontroversen behafteten Unternehmen kaufen darf, damit diese ihr übles Spiel weiter treiben können.“

Prof. Dr. Harald Bolsinger: „Der ordnungspolitische Rahmen der EU-Grundrechtscharta ist seit dem Vertrag von Lissabon gültiges Recht – auch für die EZB.“ Seit 2017 beschäftigt sich der EU-Petitionsausschuss mit der Umsetzung dieses Anliegens, erklärt Bolsinger. Nachhaltigkeit im Finanzmarkt sei nicht allein durch die Geschäftsbanken umzusetzen, sondern erfordere „zuallererst eine glaubwürdige Zentralbank, die als gutes Beispiel mit ihren Wertpapierkäufen vorangeht.“ Dazu endlich eine belastbare Stellungnahme der EZB einzuholen, hat der Petitionsausschuss am 1.12.2021 nun in Aussicht gestellt.

Nachhaltigkeit im Finanzmarkt und in allen Branchen ist immer wieder ein Diskussionspunkt in den Lehrveranstaltungen von Bolsinger an der FHWS. „Oft sind meine Studierenden überrascht, welche Mittel der politischen Beteiligung auch für ganz normale Bürgerinnen und Bürger der EU bereitstehen, wenn sie den EZB-Fall in meinen Lehrveranstaltungen diskutieren.“

Die Übertragung des Beitrages vom 1.12.2021 im Europäischen Parlament ist hier dokumentiert Bring justice into the Eurosystem – Gerechtigkeit ins Eurosystem bringen – ORIENTIERUNGsKOMPETENZ.de (wirtschaftsethik.biz)

 


Werden Sie Mitglied im UVG e.V. und gestalten Sie den Nachhaltigkeitsdialog mit. > Die Infos
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner