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Wie Unternehmen in Multi-Stakeholder-Initiativen Erwartungen gerecht werden

Mangroven-Baumschule in Westbengalen (Foto: Udo Gattenlöhner, GNF)

SDG17: “Das schaffen wir nur zusammen“

Von allen Nachhaltigkeitszielen dürfte das SDG17, Partnerschaften zur Erreichung der Ziele, in den kommenden Jahren das wichtigste sein. Und zwar als eine Art Meta-Ziel und als Weg, um in allen identifizierten Bereichen eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Im August 2021 hat etwa der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC für den Bereich Klimawandel (SDG13) erneut eindrücklich gezeigt: Unsere Nachhaltigkeitsthemen sind so groß, das schaffen wir nur zusammen. Doch wie werden Unternehmen hier den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht?

Von Daniel Silberhorn

Gerade von Unternehmen wird erwartet, dass sie sich zu einem aktiven Teil der Lösung machen. Die Authenticity Gap-Studie 2021 von FleishmanHillard belegt etwa, dass die Erwartungen an die Wirtschaft, sich für Umwelt, Gesellschaft und Mitarbeiterschaft einzusetzen, deutlich gestiegen sind. Dabei geht es um den ‚Impact‘. Handeln und Anpacken sind gefragt, weniger schöne Worte und große Versprechen – die sowieso schnell unter Greenwashing- oder SDG-Washing-Verdacht stehen.

Nur von den eigenen Initiativen zu sprechen – nach dem Motto ‚Wir machen ja schon viel‘ – und diese in der Kommunikation den 17 SDGs zuzuordnen, das ist längst nicht mehr genug und kann sogar offene Ablehnung erzeugen. Denn Stakeholdern ist bewusst: Egal, wieviel wir bisher getan haben – es reicht nicht. Dementsprechend zeigt die Studie: Die meisten Unternehmen enttäuschen die Erwartungen der 10.000 Verbraucher:innen, die international zu 20 Branchen befragt wurden. In Deutschland äußern sich beispielsweise gerade mal ein Viertel der Befragten zufrieden mit dem Engagement der Unternehmen im als sehr wichtig gesehenen Bereich Klima- und Umweltschutz.

Ein zentrales Konzept des Engagements sind Multi-Stakeholder-Initiativen wie beispielsweise die One Planet Business for Biodiversity-Koalition, angestoßen von Danone während des UN-Klimagipfels 2019. Deren Mitglieder verpflichten sich, die Biodiversität in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu erhalten und zu fördern. Oder für eine sozial nachhaltigere Produktion von Kakao: die World Cocoa Foundation sowie das deutsche Forum Nachhaltiger Kakao, in dem etwa Mars Deutschland und Nestlé Deutschland Partner sind. In diesen Initiativen kommen Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam Nachhaltigkeit voranzubringen. Oder ebenfalls auf rein deutscher Ebene: das Forum Rezyklat, das Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Verpackungen zusammenbringt, 2018 von dm initiiert.

Kooperation mit internationalen NGOs gering

Tatsächlich zeigt sich: Fast alle Unternehmen (98%) arbeiten beim sozialen Engagement insbesondere auf lokaler Ebene mit NGOs zusammen, so eine Studie des Stifterverbandes und der Bertelsmann Stiftung. Bezüglich einer internationalen Zusammenarbeit bei den großen, globalen Themen nutzen wir in Deutschland aber noch längst nicht alle Möglichkeiten. Nicht einmal die Hälfte (43%) der über Ländergrenzen hinweg tätigen Unternehmen arbeiteten 2019 mit internationalen NGOs zusammen. Bei den rein national tätigen Unternehmen ist der Anteil mit neun Prozent noch niedriger. Damit lässt die Wirtschaft wertvolle Möglichkeiten ungenutzt, über das Instrument der Partnerschaften sichtbar und wirksam den gesellschaftlichen Erwartungen für ein Nachhaltigkeitsengagement in ihrem unmittelbaren Einflussbereich gerecht zu werden.

Die potenziellen Vorteile für Unternehmen liegen dabei auf der Hand: Externe Expertise, Glaubwürdigkeit, größere Reichweite und oftmals auch ein geringeres Risiko für das einzelne Unternehmen. Doch warum arbeiten NGOs und Initiativen mit Unternehmen der Privatwirtschaft zusammen? Wie sollte die Zusammenarbeit aus Sicht von NGOs aussehen, und wie kann man sie initiieren? Dafür haben wir mit zwei Organisationen gesprochen: dem Global Nature Fund (GNF) und der PREVENT Waste Alliance des Deutschen Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) .

Global Nature Fund: Garnelen-Handel und Mangroven-Ökosysteme

Kleinere und mittlere Unternehmen können sich beim Global Nature Fund (GNF) ebenso einbringen wie große Firmen. Der GNF ist eine internationale Stiftung für Umwelt und Natur, mit globalen Projekten vom Schutz der Artenvielfalt in Südamerika über sauberes Trinkwasser in Südafrika bis hin zu gesunden Mangrovenwäldern in Bangladesch. Dort setzt sich eine Multi-Stakeholder-Initiative des GNF für eine nachhaltige Transformation des Garnelen-Handels ein, um die Ökosysteme zu schützen.

„Die Mangrovenwälder der tropischen Küsten gehören zu den wichtigsten und produktivsten Ökosystemen unserer Erde“, sagt Ralph Dejas, Projektmanager beim Global Nature Fund. „Die ungebremste Ausbreitung der Garnelen-Aquakultur besonders in Süd- und Südostasien ist ein Hauptgrund für ihre Zerstörung. Gleichzeitig bietet eine nachhaltige Garnelenzucht großes wirtschaftliches Potenzial, den Schutz und die Wiederherstellung von Mangroven zu fördern.“

Mehr als 50 Pilotfarmen betreibt der GNF derzeit mit lokalen Partnern, teilweise organisiert als Kooperative. Wichtig ist dabei besonders die Signalwirkung für die anderen Farmer, die dank dieser Pilotprojekte erleben, dass das nachhaltige Konzept aufgeht. Insbesondere der Handel in westlichen Ländern ist hier ein wichtiger Partner, um nachhaltig erzeugte Garnelen in den Kühlregalen zu platzieren und um bei den Verbrauchern ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Dafür ist ein glaubhaftes System und transparente Kommunikation entlang der gesamten Lieferkette nötig. Gleichzeitig investieren Unternehmen in Beratung, Schulungen oder die Qualitätssicherung vor Ort.

Ins Gespräch kommt man als potenzieller neuer Partner am besten über persönliche Kontakte und auf Basis guter Erfahrungen mit bestimmten Unternehmen, so Ralph Dejas. „Manche NGOs sind erstmal skeptisch gegenüber gewissen Konzernen, inwiefern Greenwashing ein Thema sein könnte. Andererseits lässt sich über große Marken oft auch eine große Wirkung erzeugen.“ Generell seien gerade durch das neue Sorgfaltspflichtengesetz viele Unternehmen sensibilisiert und an konstruktiver Zusammenarbeit ernsthaft interessiert. Diese wird auch erwartet: Partner müssen bereit sein, die Pilotprojekte aktiv zu begleiten und sich konstruktiv in den Dialog einzubringen.

Dabei muss es nicht ausschließlich harmonisch zugehen: „Ein Dialog kann nur gut sein, wenn es auch mal konträre Meinungen gibt“, so Dejas. „Einfach etwas unterzeichnen, nicken und sich ein grünes Mäntelchen umhängen, das geht nicht. Unter dem kritischen Blick der Öffentlichkeit ist aber den meisten Firmen klar, dass es keine solche Schere zwischen Worten und Taten geben darf.“

Ein nächster wichtiger Schritt des Projektes ist ein Dialogforum mit dem Lebensmitteleinzelhandel im Herbst 2021. Dort können interessierte Einzelhändler ins Gespräch kommen und Möglichkeiten ausloten. Dejas: „Das Interesse daran ist sehr groß, und gemeinsam können wir etwas erreichen.“

In den Sundarbans (Foto: Thies Geertz, GNF)

PREVENT Waste Alliance des BMZ: Kreislaufwirtschaft statt Müll

Die PREVENT Waste Alliance wurde aus dem Bewusstsein heraus gegründet, dass eine wirkliche Kreislaufwirtschaft alle Perspektiven vereinen muss – auch weltweit. Die vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initiierte Multi-Stakeholder-Initiative bringt Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und staatliche Institutionen zusammen, um die Herausforderungen des Abfallmanagements in Entwicklungs- und Schwellenländern zu adressieren.

„Nur gemeinsam schaffen wir es, von einem linearen Modell des Wirtschaftens wegzukommen“, sagt Elena Rabbow, im Sekretariat der PREVENT verantwortlich für Kommunikation. „Wir müssen Produktion und Konsumgewohnheiten nachhaltig ändern. Um die SDGs zu erreichen, brauchen wir neue Geschäftsmodelle, Kooperation, Innovation und die finanzielle Power des privaten Sektors.“

Finanziert werden von der Alliance derzeit neun Pilotprojekte in über 15 Ländern in Lateinamerika, Afrika, Asien und dem Balkan. Diese reichen von Finanzierungsmodellen wie erweiterte Hersteller-Verantwortung und Plastic Credits bis hin zur Integration von informellen Abfallsammlern. Rund 150 der 220 PREVENT-Mitglieder sind dabei aus der Privatwirtschaft, die Bandbreite reicht von lokalen Start-Ups in Entwicklungs- und Schwellenländern bis hin zum multinationalen Konzern. Vertreten sind Hersteller und Produzenten ebenso wie Abfallsammler oder -recycler.

Dabei bringen die Mitglieder vor allem ihre spezifische Expertise in die zahlreichen Arbeitsgruppen ein. In der Arbeitsgruppe zu Elektroschrott zum Beispiel geht es um einen lösungsorientierten Austausch, um den Umgang mit E-Schrott weltweit nachhaltiger zu gestalten. „Recycler aus unterschiedlichen Regionen der Welt sehen sich nicht als Konkurrenz, und oft bieten Lösungen aus einem Land wichtige Einblicke für andere Regionen“, sagt Daniel Hinchliffe, Koordinator der Arbeitsgruppe. „Auch wenn es mal keine einfachen Lösungen gibt, kann ein Austausch enorm helfen. Dabei bleiben wir nicht nur bei der Theorie, sondern zeigen durch Pilotprojekte, was machbar ist.“

Für interessierte Unternehmen ist es wichtig, dass sie ihre Expertise und Ressourcen in die PREVENT einbringen. Denn erklärtes Ziel ist es, eine gemeinsame Basis für Kooperation zu schaffen. „Man muss dabei bereit sein, die Sorgen und Nöte der verschiedenen Stakeholder ernst zu nehmen und offen dafür sein, gemeinsam mit allen Beteiligten im Dialog neue Lösungen zu entwickeln“, sagt Elena Rabbow. „Am wertvollsten sind für uns natürlich Partner, die anschließend die gemeinsamen Ergebnisse weiterverbreiten und sie selbst auch in ihren eigenen Geschäftsprozessen umsetzen.“

Ein Fehler, den Unternehmen gelegentlich machen: „Es reicht nicht, einfach der PREVENT Waste Alliance beizutreten“, betont Rabbow. „Kreislaufwirtschaft ist nicht einfach irgendein weiteres CSR-Thema. Das Konzept sollte zum Kern der wirtschaftlichen Tätigkeit im Alltag werden.“ Aber auch kleine Unternehmen sollten keine Scheu haben, in den Dialog zu treten: „Die Hürde ist klein.“

Dementsprechend einfach ist es, einen ersten Kontakt herzustellen und sich online um eine Mitgliedschaft zu bewerben. Daran interessierte Unternehmen sollten vor allem in relevanten Bereichen der Kreislauf- oder nachhaltigen Abfallwirtschaft aktiv sein, etwa mit Fokus auf Plastik, Elektro- und Elektronikaltgeräte oder kommunale Abfallwirtschaft, und sich mit Blick auf Entwicklungs- und Schwellenländer engagieren wollen.

Rabbow weiter: „Der Circular Economy Action Plan der EU treibt gerade viele Akteure an, noch aktiver zu werden. Vielen ist bewusst: Ein Umdenken hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist essenziell für den wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft. Und dieser Wandel funktioniert nur gemeinsam.“

Daniel Silberhorn
ist Senior Advisor ESG & Sustainability Transformation bei slr consulting in Frankfurt/Main
dsilberhorn@slrconsulting.com

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