36.CSR-MAGAZIN CSR_NEWS Management

Langfristige Nachhaltigkeitssteuerung bei Vaillant

Vaillant-Hauptsitz in Remscheid (Foto: Achim Halfmann / CSR NEWS)

Zehn Jahre SEEDS

Vor über zehn Jahren startete Vaillant sein Nachhaltigkeitsprogramm SEEDS. Das Remscheider Unternehmen der Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnik hat seine Ziele langfristig angelegt und anlassbezogen nachjustiert. Über diesen Prozess sprach Achim Halfmann mit Jens Wichtermann, Direktor Unternehmenskommunikation, Nachhaltigkeit und Politik, sowie Claudia Altenrath, Leiterin Nachhaltigkeitsmanagement der Vaillant Group.

CSR MAGAZIN: Den Anlass unseres Gesprächs bildet, dass Sie seit zehn Jahren mit dem Nachhaltigkeitsprogramm SEEDS unterwegs sind.

Dr. Jens Wichtermann (Foto: Mike König)

Jens Wichtermann: Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns allerdings bereits länger. Wir haben nicht erst 2011 damit begonnen, uns um eine energiefreundliche Produktion und umweltfreundliche Produkte zu kümmern. Mit dem Programm SEEDS haben wir ein strategisches Nachhaltigkeits-Management aufgebaut. SEEDS steht als Abkürzung für Sustainability in Environment, Employees, Development & Solutions and Society – Nachhaltigkeit in den Fokusfeldern Umwelt, Mitarbeiter, Entwicklung & Lösungen sowie Gesellschaft. Wir haben eine Strategie aufgesetzt, Key Performance Indicators festgelegt und Maßnahmen initiiert. Wir haben Reviews durchgeführt und darüber berichtet.

2011 hatten wir Ziele für das Jahr 2020 festgelegt. Im Laufe der Zeit haben wir nachgeschärft und uns neue Ziele für das Jahr 2030 gesetzt. Die Fokusfelder sind gleich geblieben, manche Schwerpunkte haben sich verschoben. So haben unter anderem die Themen Menschenrechte in der Lieferkette oder Diversity & Inclusion an Bedeutung gewonnen. Ein wichtiges Ereignis war die Klimakonferenz 2015 in Paris. Seitdem gibt es eine neue Währung: CO2. Ein wesentlicher Aspekt von SEEDS ist folglich die Reduzierung von Treibhausgasen und die Klimaneutralität des Unternehmens.

Dann lassen Sie uns zuerst über Ihre Klimaverantwortung sprechen.

Claudia Altenrath

Claudia Altenrath: Wir haben uns gefragt, was wir hier sinnvoll tun können. Für das Jahr 2017 haben wir erstmals unseren CO2-Ausstoß nach dem Greenhouse Gas Protocol systematisch erfasst und ausgewiesen. Inzwischen geschieht dies jährlich. Im Fokus steht die Emissionsverteilung in Scope 1 und Scope 2, also im Bereich unserer direkten Verantwortung. Wir behalten unsere komplette Wertschöpfungskette im Blick und fokussieren uns auf die Emissionen, die wir direkt beeinflussen können.

So erheben wir die Emissionen aus Energieverbräuchen an unseren Standorten. Unser Ziel ist es außerdem, in allen Bereichen zu 100 % Strom aus erneuerbaren Energien einzusetzen.

Ein wichtiges Ziel bildet auch die Reduzierung der Emissionen unserer Fahrzeugflotte, insbesondere der Servicefahrzeuge, denn die machen ordentlich Kilometer. Hier wollen wir einen höheren Anteil an Elektromobilität erreichen und die Anzahl an Fahrten reduzieren.

In der Vergangenheit haben wir uns relative Ziele gesetzt, für das Jahr 2020 sind es erstmals absolute Ziele – auf Grundlage der Science Based Targets Initiative. Als Maßstab haben wir uns dabei für das 1,5 Grad-Ziel entschieden und nicht nur für ein „well below 2,0“.

Für Emissionen, die wir nicht vermeiden können, erwerben wir zunächst Zertifikate aus Aufforstungsprojekten – erstmals rückwirkend für 2020. So werden wir uns für das Jahr 2020 klimaneutral stellen. Unser Ziel ist es, die Emissionen bis 2030 nochmals um die Hälfte gegenüber 2018 zu reduzieren und die dann verbleibenden Emissionen weiter zu kompensieren. Am Ende werden wir für die Kompensation einen siebenstelligen Betrag investieren müssen. Andererseits sparen wir durch Emissionsvermeidungen auch Kosten ein.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Kompensationsprojekte Sie nutzen?

Claudia Altenrath: Wir beteiligen uns an Aufforstungsprojekten, in die wir uns intensiv einbringen können. Unser Ziel ist es, die 2030 verbleibenden Emissionen aus eigenen Aufforstungsprojekten kompensieren zu können.

Jens Wichtermann: Wir haben mit einem bestehenden Projekt begonnen, das langfristig angelegt und nach dem Gold-Standard zertifiziert ist. Daneben haben wir – gemeinsam mit externen Partnern ­– begonnen, eigene Projekte zu initiieren. Dabei wollen wir dort mit Aufforstungen aktiv sein, wo ohne unser Zutun nichts passieren würde, etwa in manchen Regionen Südamerikas. Zudem haben wir auch in Deutschland unsere Fühler ausgestreckt und sprechen an unserem Unternehmenssitz in Remscheid mit den entsprechenden Fachleuten.

Eine Herausforderung für alle Unternehmen ist der Scope 3 mit den Emissionen, die sie nicht direkt beeinflussen können, etwa bei Zulieferern, Mitarbeitern oder Endverbrauchern. Welche Verantwortung sehen Sie hier?

Jens Wichtermann: Hier sind wir als Unternehmen der Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnik besonders im Hinblick auf innovative Produkte gefordert. Wir entwickeln Technologien, die erneuerbare Energien nutzen. In der Gas-Brennwerttechnik ist das etwa der Einsatz von ‚grünem‘ Wasserstoff. Zu unseren Kernkompetenzen zählt auch die Entwicklung umweltfreundlicher Wärmepumpen, die schon heute CO2-neutral für Wärme sorgen, wenn sie mit grünem Strom betrieben werden.

Zudem wollen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung für die energieeffiziente Steuerung unserer Geräte durch den Verbraucher oder Fachhandwerker nutzen. Ich denke etwa an die Fernüberwachung und -steuerung der Geräte über Online-Schnittstellen und Handy-Apps. Gerade wenn es um den Scope 3 geht, brauchen wir ein Bewusstsein in der Gesellschaft und den Rückenwind der Politik. Eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 setzt voraus, dass in den Jahren nach 2030 die Gas- und Stromnetze schrittweise vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.

Kein Nachhaltigkeitsprogramm kommt heute an dem Thema „Lieferkettenverantwortung“ vorbei.

Jens Wichtermann: Wir haben früh damit begonnen, die Akteure in unserer Wertschöpfungskette in die Vermeidung von CO2-Emissionen einzubinden. Unsere Entwickler befähigen wir, bereits bei der Materialauswahl auf den CO2-Fußabdruck zu achten. Für den Entwicklungsprozess haben wir die „6 Green Rules“ entwickelt – zu den Schwerpunkten Energieeffizienz, Langlebigkeit, Verantwortung, Service, Handhabung und Lebensende.

Unsere Lieferanten verpflichten wir auf die Einhaltung der zehn Prinzipien des UN Global Compact. Und wir haben – relativ neu – einen Supplier Code of Conduct erstellt, der auch das Thema „Menschenrechte“ beinhaltet. Wir managen die Einhaltung der Menschenrechte auf Grundlage des „Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte“.

Dann sind Sie für die Einführung des vom Bundeskabinett mit Blick auf die Lieferkette verabschiedeten Sorgfaltspflichtengesetz?

Jens Wichtermann: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben Risikoanalysen durchgeführt, Menschenrechtsrisiken identifiziert und Audits sowie einen Beschwerdemechanismus eingeführt. Damit haben wir alle von der Bundesregierung empfohlenen Bereiche abgedeckt – bisher ohne eine gesetzliche Vorgabe. So sind wir für das Lieferkettengesetz sehr gut gerüstet.

Wie berichten Sie zu Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung?

Jens Wichtermann: Nach gesetzlichen Vorgaben sind wir nicht berichtspflichtig, aber wir berichten regelmäßig nach den Standards des UN Global Compact zu unserem Nachhaltigkeitsengagement. Den Bericht finden Sie auf unserer Website.

Für die interne Steuerung haben wir ein elaboriertes Tracking-System entwickelt. Mit einer Scorecard halten wir etwa unsere Energie- und Wasserverbräuche und die Abfälle im Blick und steuern sie anhand transparenter Kennzahlen. Intern nutzen wir ein quartalsweises Reporting, um unsere Ziele klar im Blick zu behalten und zu managen.

Wie haben Sie Ihr unternehmensinternes Nachhaltigkeitsmanagement aufgestellt?

Jens Wichtermann: Meine Kollegin Claudia Altenrath leitet ein dreiköpfiges Team. Hinzu kommen die Umweltmanager an unseren Produktionsstandorten. Nachhaltigkeit ist allerdings eine Querschnittsaufgabe, die sich nicht allein von einem solchen Team stemmen lässt. Sie braucht die Unterstützung der Geschäftsleitung und aller Kolleginnen und Kollegen.

Unsere Nachhaltigkeitsziele haben wir – gemeinsam mit den einzelnen Abteilungen – auf alle Unternehmensbereiche heruntergebrochen. Wir haben Maßnahmen definiert, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Da müssen alle ran und mitarbeiten. Gleichzeitig brauchen wir einen entsprechenden Spirit im Unternehmen.

Claudia Altenrath: Unter den fast 15.000 Mitarbeitenden gibt es ein Netzwerk, das uns unterstützt: die SEEDS-Ambassadors. Dieses Netzwerk haben wir vor vier Jahren ins Leben gerufen, um Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen zu verankern. Diese Botschafter besitzen den Überblick in ihren Bereichen und initiieren dort selbst kleine Projekte.

Das zweite wichtige Netzwerk sind die Umweltmanager an unseren Produktionsstandorten, die mit einem Umweltmanagementsystem auf Grundlage der ISO 14001 arbeiten. Auch da stehen wir in einem regelmäßigen Austausch.

Vielen Dank für das Gespräch!

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