Berlin (csr-magazin) – Nachhaltigkeit, Verantwortung, CSR, Transformation werden immer klarer als zentrale Forderungen an Unternehmen und Entscheidungsträgerinnen und -träger formuliert. Aber was bedeutet das für die Personalentwicklung in den Unternehmen und für ihre Akteure? Wie können Unternehmen verantwortliches Handeln (CSR) und Transformationsprozesse durch Maßnahmen der Personalentwicklung unterstützen?
Von Ulrich Wiek
Verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln fällt nicht vom Himmel; für solches Verhalten braucht es neben dem Dürfen (oder Müssen) auch ein Wollen, Können, Wissen – und deshalb kommt hier die Personalentwicklung mit ins Spiel. Als Personalentwicklerinnen und -entwickler sollten wir uns aktuell folgende Fragen stellen: Wie bewusst sind uns neue rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen? Wie kompetent sind wir in Fragen der CSR, Nachhaltigkeit und Transformation? Nicht nur Unternehmensleitungen, Rechtsabteilungen, Controllerinnen und Controller, sondern auch Personal- und Organisationsentwicklerinnen und -entwickler können zukünftig an diesen Themen nicht mehr vorbeigehen. Warum?
CSR und Transformation sind Themen für die Personalentwicklung
Wenn Unternehmen zu Verantwortung und Nachhaltigkeit rechtlich verpflichtet werden und sich dieses Engagement für sie in Zukunft auch lohnen wird, dann stellt sich die Frage: Was sind die Voraussetzungen, damit nicht nur die Bedeutung von CSR erkannt, sondern Verantwortung und Transformation im Unternehmensalltag gelebt und umgesetzt werden kann? Es zeichnet sich ab, dass CSR in den Unternehmen nur dann stärker gelebt wird, wenn neben dem rechtlich-politischen Handlungsdruck und den positiven Anreizen auch die notwendigen Einstellungen („mindset“), Fähigkeiten und Kompetenzen („Skills“) vorhanden bzw. gestärkt werden. Gelebte Unternehmensverantwortung und unternehmerische Transformation im Sinne einer substanziellen Neuausrichtung setzen menschliche Einsicht, Motivation und Kompetenz voraus. Diese Voraussetzung betrifft das klassische Aufgabenfeld der Personalentwicklung, die per Definition menschliche Entwicklungsprozesse initiieren und unterstützen soll. Zur CSR eines Unternehmens gehört deshalb auch, dass sich die Personalentwicklung dieser Verantwortung stellt, CSR zu einem zentralen Thema macht und sich dies in Budgets und konkreten Angeboten und Maßnahmen widerspiegelt.
Personal- und Organisationsentwicklung als Treiber für CSR
Um sich wiederum die Bedeutung der Personalentwicklung für CSR klar zu machen, hilft ein Blick auf die zentralen Herausforderungen und die sich abzeichnenden Lösungsansätze. Auch wenn es entsprechende Interessengruppen aus der Unternehmenswelt der Digitalisierung und Technik gerne anders darstellen: Wir haben weniger ein Technik-Problem als vielmehr ein Verhaltens-Problem. Die wichtigsten Herausforderungen – wie zum Beispiel Umweltzerstörung, Klimakrise, soziale Ungerechtigkeiten, Akzeptanzkrise des Wirtschaftssystems, Skandale und unverantwortliches Handeln, Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle – werden wir nicht nur mit neuen Technologien und digitalisierten Prozessen lösen. Es braucht vor allem andere Werte-Priorisierungen, Einstellungen und Verhaltensweisen. Das Umsetzen von CSR und Transformation erfordert deshalb besondere Unterstützung durch die Personal- und Organisationsentwicklung – im Sinne einer Kulturtransformation.
Dies wiederum ist eine große Chance für die Akteure in der Personalentwicklung, sich hier zu profilieren und das eigene Standing als wichtiger strategischer und operativer Partner der Unternehmensleitung und als Treiber einer zukunftsfähigen Transformation zu stärken. Dabei ist es wichtig festzuhalten: Wir sollten Personal- und Organisationsentwicklung immer zusammendenken; für eine echte Transformation brauchen wir beide Perspektiven – die Menschen und die Organisation.
Ansätze und Methoden
Der Ausgangspunkt ist eine Neuausrichtung des Selbstverständnisses: Personalentwicklung sollte sich stärker für (Persönlichkeits-)Bildung zuständig fühlen. CSR braucht im humanistischen Sinne gebildete Menschen, die sowohl über fachbezogene Ausführungskompetenzen verfügen als auch über verantwortungsorientierte Werte-Priorisierungen und ethische Kompetenzen: Wie verhalte ich mich in beruflichen Situationen verantwortungsvoll, fair und nachhaltig? Um hier Zukunftsfähigkeit zu unterstützen, sollte Personalentwicklung ihre Inhalte, ihre Einbettung in die Unternehmenskultur und ihre konkreten Methoden auch auf diese Fragestellung ausrichten. Fangen wir mit den Inhalten an:
CSR lebt von Werten und ethischen Kompetenzen
Warum sprechen wir im Zusammenhang mit CSR häufig auch gleich von Transformation? Weil kleine „Kurskorrekturen“ nicht reichen werden und es deshalb grundlegend andere Einstellungen und Kompetenzen braucht als bisher gedacht – bei Unternehmensleitungen, Führungskräften, Mitarbeitenden, Kund-innen und Kunden sowie Lieferantinnen und Lieferanten.
In der Diskussion um Zukunftsfähigkeit und „Future Skills“ beobachten wir leider eine starke Fokussierung auf technische und digitale Kompetenzen. Es wird viel über Digitalisierung gesprochen und zu wenig gesehen, dass unsere Einstellungen und unsere ethischen Kompetenzen das Fundament für zukunftsfähige Geschäftsmodelle darstellen.
Wir sprechen seit einigen Jahren intensiv über Change – aber was soll sich ändern und worin sollen wir uns ändern? Veränderungsbereitschaft sollten wir nicht nur auf das Erlernen der sogenannten Hard Skills beziehen, sondern viel stärker auf die „Soft Skills“. Hier haben wir einen enormen Entwicklungsbedarf. Die „Soft Skills“ werden zunehmend zu den „Hard Facts“ – und deshalb sollten wir uns auch von dem unwichtig wirkenden Begriff der „Soft Skills“ verabschieden. Persönliche Sozialkompetenzen und Werte wie Verantwortung, Fairness, Empathie, Solidarität, Kritikfähigkeit, Kooperation, Kollaboration sind keine „nice to have“; sie entscheiden zukünftig maßgeblich mit über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Mitarbeitenden. Der Erfolg von Menschen und Organisationen wird stark davon abhängen, ob sie neben ihrer ökonomischen auch ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht werden können. Wenn sich breite Mehrheiten an Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden kritisch zu der Verantwortung und ethischen Kompetenz von Unternehmen(-sleitungen) und Führungskräften äußern, offenbart dies dringenden Entwicklungsbedarf – auch hinsichtlich unseres Wissens, zum Beispiel in Bezug auf globale Zusammenhänge.
Ein Ansatz für die Personalentwicklung stellt deshalb das mittlerweile umfangreich ausgearbeitete Konzept der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) dar.
BNE … ein Thema für Unternehmen?!
Es wäre interessant zu erfahren, in wie vielen unternehmerischen Weiterbildungsprogrammen es Angebote zu diesem Thema gibt und in welchem Umfang sich Personalentwicklerinnen und -entwickler zurzeit mit diesem Thema beschäftigen. Verglichen mit anderen Themen scheint sich jedenfalls das Thema BNE in der unternehmerischen Personalentwicklung (außerhalb der Berufsausbildung) noch in einer Art Dornröschenschlaf zu befinden.
Es ist sehr positiv, dass die BNE-Angebote für Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen deutlich intensiviert wurden. Gleichzeitig sollten wir Personalentwicklerinnen und -entwickler aber überdenken, warum dieses Thema in der unternehmerischen Weiterbildung für Mitarbeitende und insbesondere Führungskräfte bisher kaum angekommen sind. Themen wie Fairness, Solidarität und Verantwortung gegenüber anderen Stakeholdern als den Inhaber-innen und Inhabern, Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitenden werden bis heute sicherlich eher vernachlässigt. Es lohnt sich zukünftig, das diesbezüglich bestehende Angebot an Methoden und Schulungsmaterialien für die betriebliche Weiterbildung auszuwerten und zu nutzen.
CSR braucht eine verantwortungsorientierte Unternehmenskultur
Die Personal- und Organisationsentwicklung sollte vor dem Hintergrund der (zukünftigen) rechtlichen Verpflichtungen einen Check-Up der Unternehmenskultur vornehmen: Wo und wie wird in der Organisation nachhaltiges, faires und verantwortungsvolles Verhalten erschwert, behindert oder gar unmöglich gemacht? Wo und wie wird es gefördert? Instrumente wie Unternehmensleitbild (Mission, Vision, Ziele), Unternehmenswerte, Verhaltens- und Führungsgrundsätze sowie Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen und Anreizsysteme sollten wir zeitnah überprüfen. Spiegeln sich in diesen Instrumenten die CSR-Anforderungen in ausreichendem Maße wider?
Methoden-Mix und Budget der Personalentwicklung
Die Entwicklung der CSR-Kompetenz eines Unternehmens braucht zukünftig eine andere Dimension – im Umfang und in den Methoden. Einmalige kurze Schulungsveranstaltungen zu allgemeinen Sozialkompetenzen oder Compliance-Themen bleiben eher Aktionismus – und wirken dann wie Alibi-Veranstaltungen. Wir wissen heute zum Beispiel, dass standardisierte Compliance-Schulungen von den Teilnehmenden als weitgehend wirkungslos erachtet werden, insbesondere in der E-Learning-Variante (Gallup-Studie 2017 „The Real Future of Work“). Sinnvoller sind regelmäßige(!) dialogische Formen, in denen echte Reflexions- und Interaktionsprozesse angeregt werden. Hierfür braucht es allerdings Zeit und letztlich auch Geld. Das jeweilige Budget für CSR-bezogene Weiterbildungsmaßnahmen offenbart insofern, welchen Stellenwert CSR im Unternehmen wirklich besitzt.
Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit diesen Themen ist auch deshalb notwendig, weil wir bei der Kompetenzentwicklung für CSR häufig vor der Herausforderung stehen, nicht nur Neues zu lernen, sondern erst einmal Altes zu verlernen – und das ist eben sehr viel schwieriger und dauert länger. Wir werden gemeinsam unsere Komfortzone verlassen und gewohnte Denk- und Verhaltensmuster „entlernen“ müssen, um anschließend neue, noch stärker verantwortungsorientierte Verhaltensweisen erlernen zu können.
Dafür braucht es einen Methoden-Mix. Wir sollten die Gesamtheit der möglichen Ansätze und Methoden nutzen: von formaler Bildung (Ausbildung und Studium) über einzelne Entwicklungsmaßnahmen (Workshops, Trainings, …) oder umfangreichere Programme (Corporate Volunteering, Organizational Learning, …) bis zum informellen Learning on the job (durch Vorbilder, Feedback, …).
Am dringlichsten erscheint jedoch zunächst eines: Wir sollten CSR zu einem zentralen Personalentwicklungs-Thema machen. Wir sollten sehr viel häufiger und intensiver darüber sprechen, welche Verantwortung Unternehmen und Mitarbeitende gegenüber denjenigen haben, die von unseren Entscheidungen betroffen (benachteiligt) sein werden, einschließlich der Umwelt und der Tierwelt. Wir stehen vor einer notwendigen Transformation – und Transformationen haben auch etwas Disruptives. Für einen gemütlichen und bequemen Weg im Sinne einer längeren Evolution fehlt uns angesichts der Krisen nachgewiesenermaßen die Zeit. Die Personalentwicklung kann maßgeblich dazu beitragen, dass wir als Unternehmensleitungen, Führungskräfte und Mitarbeitende mit gutem Gefühl sicher damit umgehen können.
Dr. Ulrich Wiek
hat Betriebswirtschaftslehre und Verwaltungswissenschaften studiert, ist seit 20 Jahren selbständiger Berater für Personal- und Organisationsentwicklung und zertifizierter Fairness-Coach, CSR-Manager (IHK Nürnberg) und GWÖ-Berater (Gemeinwohl-Ökonomie).
info@ulrichwiek.de
Dieser Text ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.