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Einigung: Lieferkettengesetz kommt in dieser Legislaturperiode

Näherinnen in Bangladesch (Achim Halfmann / CSR NEWS)

Wirtschaftsverbände begrüßen Abschwächungen – NGOs fordern Nachbesserungen

Berlin (csr-news) – Ein Lieferkettengesetz soll noch in dieser Legislatur verabschiedet werden. Darauf haben sich CDU/CSU und SPD verständigt. „Es geht um klare Regeln und klare Pflichten“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil heute vor der Presse. Das Gesetz soll die Verantwortung von Unternehmen für die Wahrnehmung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten verpflichtend gestalten und erweiterte Klagerechte zugunsten der von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen schaffen.

Um das Gesetz stritten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der sich besonders dafür engagierte,  auf der einen Seite und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf der anderen Seite – zuletzt griff Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Vorausgegangen war als Initiative der Bundesregierung ein „Nationaler Aktionsplan – Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)“, mit dem sich Unternehmen auf freiwilliger Basis zur Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang ihrer weltweiten Lieferketten berichten sollten – was aus Sicht der Bundesregierung an der mangelnden Beteiligung der Wirtschaft scheiterte. Das neue Lieferkettengesetz soll nun Klarheit schaffen. Heil: „Wir haben auch festgestellt: Freiwilligkeit alleine reicht nicht aus.“

Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass das Gesetz – wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie – erst 2023 in Kraft tritt und für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten gilt, ab 2024 für solche ab 1.000 Beschäftigten. Heil kündigte an, das Gesetz gehe noch am Freitag in die Ressortabstimmung. Anschließend muss der Bundestag abstimmen – Altmaier erwartet eine „lebhafte Debatte“.

Verantwortung in weltweiten Lieferketten

Zum Inhalt des geplanten Lieferkettengesetzes sagte der Bundesarbeitsminister: „Erstmals müssen Unternehmen in Deutschland in ihrer gesamten Lieferkette untersuchen, ob es in ihrer Produktion zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Es reicht künftig nicht mehr aus, nur die eigenen Werkstore im Blick zu haben.“ Dazu soll ein mehrstufiges Verfahren führen: „Die höchsten Sorgfaltspflichten gelten für den eigenen Geschäftsbereich eines Unternehmens. Die zweite Stufe gilt für die direkten Zulieferer, mit denen man Vertragsbeziehungen hat.“ Zudem solle ein Unternehmen „anlassbezogen“ – wenn es Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen von mittelbaren Zulieferern erhalte, auch dafür eine Sorgfaltspflicht tragen.

Klagerecht für NGOs

Der Plan von Müller, Unternehmen für Menschenrechtsverstöße entlang ihrer Lieferkette auch zivilrechtlich haften zu lassen, ist vom Tisch. Stattdessen soll die sogenannte Prozessstandschaft gelten: Künftig sollen „deutsche Nichtregierungsorganisationen, die sich für Menschenrechte dauerhaft einsetzen, und auch deutsche Gewerkschaften“ als Anwälte der in weltweiten Lieferketten von Menschenrechten Betroffenen deren Rechte vor deutschen Gerichten einklagen können. Zivilklagen vor deutschen Gerichten gegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland seien theoretisch heute schon möglich, würden aber selten genutzt, so Heil.

„Gesetz mit Zähnen“

Kontrollieren soll die Einhaltung des Gesetzes das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im Bundeswirtschaftsministerium. „Diese Kontrollbehörde bekommt ein robustes Mandat“, kündigte Heil an. „Sie kann dazu vor Ort Kontrollen vornehmen und auch Beweise sichern. Sie kann im Zweifelsfall bei Verstößen gegen das Recht mit Zwangs- und Bußgeldern auch Strafe verhängen.“ Diese Strafen sollten sich am Gesamtumsatz der betroffenen Unternehmen orientieren und seien keine „Knöllchen“. Bei besonders ernsthaften Verstößen gegen Sorgfaltspflichten sollen Unternehmen bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden können. Der Bundesarbeitsminister weiter: „Das Lieferkettengesetz ist ein Gesetz mit Zähnen.“

BDI und BGA fordern Einsatz für europäisches Lieferkettengesetz

Nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) wird das Gesetz viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Die Bundesregierung müsse sich nun auch für ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene stark machen. So könne Berlin verhindern, dass es für die Unternehmen zu unterschiedlichen Sorgfaltspflichten in Menschenrechtsfragen komme.

Laut Hubertus Heil leistet ein deutsches Gesetz dazu einen Beitrag: „Das Lieferkettengesetz setzt europäische Maßstäbe und wird auch dazu führen, dass wir das, was wir eigentlich wollen, nämlich europaweite Regelungen im Sinne eines Level Playing Fields, auch erreichen werden“, so der Bundesminister.

Auch der Außenhandelsverband BGA forderte ein rasches Ende des nationalen Alleingangs – und begrüßte zugleich, dass „viele der völlig überzogenen und praxisfernen Forderungen in der jetzigen Einigung zum Lieferkettengesetz“ nicht mehr enthalten seien. Die bisherigen Eckpunkte ließen aber noch viele Fragen offen. Den Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern sei nur dann geholfen, wenn sich Investoren und Unternehmen aus Sorgen vor unkalkulierbaren Risiken nicht zurückzögen, sondern vor Ort an der Verbesserung der Lebensbedingungen mitwirken könnten.

„Herbe Enttäuschung“

Zahlreiche NGOs kritisierten das Gesetz als nicht weitreichend genug. „Der Kompromiss zum Lieferkettengesetz ist eine herbe Enttäuschung“, erklärte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner. „Umweltzerstörung ohne Menschenrechtsbezug fällt durchs Raster und ohne eine zivilrechtliche Haftungsregelung wird das Gesetz in vielen Fällen wirkungslos bleiben.“

Kritisiert wurde insbesondere das Verhalten des Bundeswirtschaftsministers. „Altmaier hat hier die Interessen der Wirtschaftslobby durchgedrückt“, so BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock, die nicht damit rechnet, dass dieses Gesetz ernsthafte Veränderungen herbeiführen wird. „Ohne starke Haftungsregeln haben Unternehmen wenig Anreize, ihre umweltschädliche und ausbeuterische Praxis anzugehen.“

Müller verteidigt Einigung

Entwicklungsminister Gerd Müller hat den Kompromiss zum Lieferkettengesetz gegen Kritik in der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstagsausgabe) verteidigt und Sorgen vor eine Verteuerung vieler Produkte zurückgewiesen. „Steigende Verbraucherpreise wird das Gesetz nicht bringen, der Anteil der Lohnkosten am Endpreis ist verschwindend gering“, sagte. Müller wies auch Warnungen der Wirtschaft vor steigender Bürokratie zurück.

Der Kompromiss sei ein Gesetz mit Augenmaß und Wirkung, sagte der Minister der Zeitung. „Mittelständler und Handwerksbetriebe sind ausgenommen und es gibt Übergangsfristen“, betonte Müller. Kritikern, denen der Kompromiss für das neue Gesetz gegen Kinderarbeit und Hungerlöhne bei ausländischen Zulieferern nicht scharf genug ist, hielt Müller der Zeitung zufolge entgegen: „Entscheidend für die Einigung war für mich, dass Unternehmen Sorgfaltspflichten für die gesamte Lieferkette haben, vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt.“

Unternehmen müssten laut dem Minister prüfen, ob grundlegende Menschenrechte wie das Verbot von Kinderarbeit eingehalten werden. Bei klaren Hinweisen auf Verstöße müssten die Unternehmen in Zukunft tätig werden. „Deutschland setzt damit ein starkes Zeichen für die Europäische Union, für eine gerechte Globalisierung“, sagte Müller.


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