Berlin (csr-news) – Rüstungsunternehmen können einen erheblichen Einfluss auf die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausüben. Zu diesem Ergebnis kommt die Antikorruptionsorganisation Transparency International in einem heute vorgelegten Bericht. Mangelnde fachliche und personelle Ressourcen in Regierung und Parlament behinderten eine strikte Kontrolle von Rüstungsprojekten. Zudem sei die Transparenz von Lobbyaktivitäten unzureichend.
Peter Conze, Sicherheits- und Verteidigungsexperte von Transparency Deutschland, sagte: „Wie in allen Politikbereichen gibt es auch im Verteidigungssektor unlautere Beeinflussung von politischen Entscheidungsträgern, Interessenkonflikte, fragwürdige Nebeneinkünfte und Drehtüreffekte – nur die Vertragssummen sind hier deutlich größer.“ Das deutsche System biete eine ganze Reihe von Einflussmöglichkeiten und es falle in einigen Bereichen hinter europäische Standards zurück. So gebe es etwa für die Mitarbeiter von Abgeordneten keinen Code of Conduct in Bezug auf deren Umgang mit der Rüstungsindustrie. Das sei „ein Graubereich, von dem wir glauben, dass er dringend geregelt werden muss“, so Conze.
Bei dem im Bundestag diskutierten Gesetzentwurf eines Lobbyregisters sieht Conze noch Lücken – insbesondere das Fehlen des „legislativen Fußabdruck“ als eines wichtigen Instruments, um den Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse darzustellen.
Fehlende Kompetenz im Ministerium
Mit Blick auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern verweist Conze zudem auf einen „erheblichen Mangel an Personal und Kompetenz in dem Ministerium“. Ziel müsse es sein, dass das Verteidigungsministerium „personell und von den Fähigkeiten her in die Lage versetzt wird, der Wirtschaft auf Augenhöhe als gleichwertiger Partner zu begegnen.“ Es sei strategisch durch eine eigene Einheit im Ministerium zu prüfen, welche Aufgaben dann von externen Beratern übernommen werden könnten.
Defizite macht der Verteidigungsexperte aber auch bei der parlamentarischen Kontrolle aus. Angesichts der Komplexität der Beschaffungsprozesse seien einzelne Abgeordnete der Oppositionsparteien mit der Materie überfordert. Transparency International fordere daher eine Unterstützung der Abgeordneten durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages oder unabhängige Organisationen.
Europäische Projekte transparent gestalten
Zudem dürften auch die politischen Absprachen zu europäischen Rüstungsprojekten nicht zulasten der Transparenz gehen, sagte Conze. Für unzureichend geregelt hält der Verteidigungsexperte zudem den Übergang politischer Verantwortungsträger in die Wirtschaft und verweist dabei auf den Wechsel des ehemaligen Bundesentwicklungsministers Dirk Niebel (FDP) als Lobbyist zum Rüstungskonzern Rheinmetall.
An Rüstungskonzerne richtet Conze die Forderung, intern klare Regeln zu schaffen. Spenden sollten intern anders kenntlich gemacht und es sollte anders ausgewiesen werden, wer sich von Rüstungskonzernen einladen lasse. Das Engagement deutscher Rüstungskonzerne will Transparency demnächst in einer eigenen international ausgelegten Studie in den Blick nehmen.
Rüstungsindustrie sieht sich gut aufgestellt
Rüstungsunternehmen begrüßen die beabsichtigte Einführung eines Lobbyregisters und sehen sich in Bezug auf ihre Compliance gut aufgestellt. So verweist Jenoptic auf den Code of Conduct für seine Mitarbeitenden, den das Unternehmen als PDF zum Download anbietet.
Ein Sprecher von MTU Aero Engines teilte mit: „Eine Transparenz über die politische Interessensvertretung von Unternehmen kann u.E. nur ein übergreifendes Lobbyregister gewährleisten.“ Der Konzern sei mit Abgeordneten und Entscheidern aus Ministerien zu Themen wie Innovationen, Technologieentwicklung und Ökoeffizienz im Dialog. „Wir leisten keine finanziellen Zuwendungen oder Sachspenden an politische Parteien.“
Auch Airbus verweist auf seinen unternehmensinternen Code of Conduct zu Compliance-Themen. Zudem seien für das internationale Unternehmen grenzüberschreitende Lösungen von besonderer Bedeutung. Über Parteienspenden werde nachvollziehbar berichtet.
MAN, das in einem Kooperationsunternehmen mit Rheinmetall gepanzerte Randfahrzeuge baut, verweist auf das geplante Lobbyregister. „Wir begrüßen die Schaffung von Standards für mehr Transparenz und Offenheit bei der Interessenvertretung“, so ein Unternehmenssprecher.
Weitere Infos:
Die „Analyse des Einflusses der Rüstungsindustrie auf die Politik in Deutschland“ von Transparency International > als Zusammenfassung (PDF)