Berlin (csr-news) – Hochschulen bereiten Führungskräfte für die Welt von Morgen vor. Welche Kompetenzen befähigen dazu, die Digitalisierung mitzugestalten? Im CSR MAGAZIN-Interview spricht Andreas Kaplan zudem über die Bildungsverantwortung von Unternehmen für ihre Belegschaft. Der Wirtschaftswissenschaftler ist Rektor der ESCP Berlin und Professor für Marketing, spezialisiert auf soziale Medien und Künstliche Intelligenz. Das Gespräch führte Achim Halfmann.
- Die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema für Hochschulen?
- Kommen wir zuerst zu den Studierenden: Welche Kompetenzen brauchen junge Menschen denn für eine zunehmend digitale Zukunft?
- Welche Bildungsverantwortung tragen Unternehmen für diejenigen, die bereits im Beruf stehen?
- Es geht also um Veränderungen in der Unternehmensorganisation.
- Welche Kompetenzen erfordern Digitalisierungsprozesse von Managern?
- Bringt die Digitalisierung für ein nachhaltiges Wirtschaften eher Chancen oder Risiken?
CSR MAGAZIN: Die Digitalisierung ist ein wichtiges Thema für Hochschulen?
Prof. Dr. Andreas Kaplan: Natürlich, Digitalisierung spielt für uns auf zwei Ebenen eine Rolle: Es geht einerseits um die Frage, welche Kompetenzen unsere Studierenden in der Zukunft haben sollten. Andererseits betrifft Digitalisierung interne Prozesse an unserer Hochschule
Kommen wir zuerst zu den Studierenden: Welche Kompetenzen brauchen junge Menschen denn für eine zunehmend digitale Zukunft?
Wir arbeiten hier mit vielen Unsicherheiten: Welche Inhalte die heutigen Studierenden in fünf Jahren brauchen, wissen wir nur teilweise. Und welche Jobs es in zehn Jahren geben wird, wissen wir ebenfalls nur bedingt. Also werden wir unsere Studierenden darauf vorbereiten, sehr flexibel und anpassungsfähig zu sein.
Dazu wird ein interdisziplinärer Ansatz immer wichtiger; ein Fokus auf das Management reicht nicht aus. Studierenden hilft ein breites Wissen in beispielsweise Jura, Soziologie und Psychologie. Das wird ihnen helfen, Inhalte selbst zu finden und deren Qualität zu beurteilen. Eine Grundkenntnis des Fachvokabulars der jeweiligen Bereiche erleichtert die Arbeit.
Zudem wollen wir einen ‘Entrepreneurial Spirit’ vermitteln und junge Menschen anleiten, offener und kreativer auf neue Herausforderungen zuzugehen.
In vielen unserer Programme ist es verpflichtend, dass Studierende einen Programmierkurs belegen: nicht um Spezialisten in Programmierung zu werden, aber um ein Gefühl für das Coden zu bekommen. Wenn man etwa mit chinesischen Firmen arbeiten will, sind Grundkenntnisse der Kultur gut. Ähnliches gilt für das Programmieren: Wenn wir in 10 Jahren mit Robotern zusammenarbeiten, ist es gut, die Grundstruktur ihrer Sprache zu kennen.
In manchen Programmierkursen bieten wir zudem ethische Reflexionen an,- etwa zu Fragen der künstlichen Intelligenz.
Welche Bildungsverantwortung tragen Unternehmen für diejenigen, die bereits im Beruf stehen?
Durch die Digitalisierung wird unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen gestellt: Arbeitsplätze gehen verloren, neue werden geschaffen – ob es mehr sein werden, wissen wir nicht. In diesem Prozess kommen immer größere Herausforderungen auf jeden einzelnen zu und wir müssen alle auf diesem Weg mitnehmen. Unsere Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn sich jeder einbringen kann, sonst landen wir bei Gelbwesten-Protesten wie in Frankreich.
Ich schrecke auf, wenn ich Unternehmen sagen höre: Die neue Generation bringt das digitale Wissen mit, denn das stimmt nur begrenzt. Und was ist mit denen, die vor zehn oder 20 Jahren in die Firma gekommen sind? Deren Renteneintritt kann man doch nicht abwarten! Lebenslanges Lernen ist hier das Schüsselwort. Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit erhalten, sich fortzubilden – auch im Interesse ihrer Firma. Und der Chef sollte in der Digitalisierung mit gutem Beispiel vorangehen.
Mitarbeiter alleine auf Digitalisierungs-Schulungen zu schicken, wäre allerdings zu einfach. Der Arbeitgeber muss sich klar darüber werden, was seine Mitarbeiter lernen sollen und welche Kompetenzen sie benötigen, denn die digitalen Handlungsfelder sind sehr vielseitig. Und was Mitarbeiter dann gelernt haben, sollten sie im Unternehmen anwenden können. Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter in Digitalisierungsprozessen schulen und zugleich Homeoffice verbieten, passt das nicht zusammen. Kein Mitarbeiter muss nur in die Firma kommen, um auf den Knopf eines Computers zu drücken.
Es geht also um Veränderungen in der Unternehmensorganisation.
Homeoffice ist ein großer Bereich und ein gutes Beispiel, dazu gibt es unterschiedliche Bewertungen in den vorliegenden Studien. Auf jeden Fall muss man das an die Unternehmenskultur adaptieren.
Das gilt ebenso für Homeoffice in Universitäten und Hochschulen. Es gibt nach wie vor die physischen Gebäude, aber zahlreiche Kurse gehen komplett online und Inhalte werden online vermittelt. Ein Arbeitsplatz an der Uni ist aber mehr als der einzelne Schreibtisch: Hier passiert der Austausch der Mitarbeiter, die meisten Informationen werden immer noch am Wasserspender geteilt. Eine solche Kultur der Begegnung muss man gestalten und in der Uni Bereiche schaffen, in die Studierende gerne kommen. Wenn alles sehr steril ist, lerne ich lieber zuhause.
Gleiches gilt für Unternehmen: Es muss einen Sinn haben, dass man sich physisch sieht – und das kann ein Arbeitgeber designen.
Welche Kompetenzen erfordern Digitalisierungsprozesse von Managern?
Manager müssen loslassen können, eine Kontrolle der Mitarbeiter macht immer weniger Sinn. Ein Manager muss vertrauen schaffen und Vertrauen entgegenbringen: Vertrauen etwa angesichts der Veränderungen, in denen die Leute Angst vor einem Arbeitsplatzverlust haben. Und Vertrauen entgegenbringen etwa im Blick auf das Homeoffice, das den Arbeitnehmer der direkten Beobachtung durch seinen Vorgesetzten entzieht. Es gilt, auf Zielvereinbarungen zu setzen, Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen und sie stärker einzubinden.
Transparenz ist wichtig, wenn wir über Vertrauen sprechen: Manager sollten ihren Mitarbeitern klar kommunizieren, wo es hingehen soll.
Bringt die Digitalisierung für ein nachhaltiges Wirtschaften eher Chancen oder Risiken?
Digitalisierung verlangt viele Server und die verbrauchen viel Energie – das ist nicht gut für die Nachhaltigkeit.
Zugleich können wir aber Prozesse verbessern: Die ESCP besteht aus sechs europäischen Standorten, die in einem ständigen Austausch miteinander stehen. Meetings, für die wir früher geflogen sind, finden heutzutage vermehrt per Videokonferenz statt. Allerdings sind für manche Entscheidungen der persönliche Kontakt und das unmittelbare Gespräch sehr wichtig.
Digitalisierung beinhaltet ein reichhaltiges Potenzial für Nachhaltigkeit, aber man muss sie richtig anwenden. Ein Beispiel: Wir sind gerade dabei, darüber nachzudenken ein neues digitalisiertes Heizsystem zu installieren, dass Kurszeiten und die Anwesenheit der Mitarbeiter berücksichtigt. Damit werden wir Energie sparen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Der Text ist Bestandteil des 34. CSR MAGAZIN zum Thema “Digitale Kommunikation”. Das CSR MAGAZIN erscheint crossmedial und online first, die Printausgabe zum 27. März 2020. >>Hier lesen Sie alle bisher erschienenen Beiträge.