CSR-Wissen Social Media Verbraucher

Peppige Ideen, Social Media und die Macht der Verbraucher

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Kampagnenorganisationen verstehen es, mit der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeitsthemen und der Verbrauchermacht zu arbeiten. Sie wählen häufig eine Einzelhandelskette für ihre Kampagne aus und konzentrieren sich auf ein bekanntes Markenprodukt. Die Zielrichtung gilt dabei Veränderungen in der Zulieferkette.

Von Iris Koller

Mit verträumtem Blick möchte ein junger Büroangestellter in seinen Schokoriegel beißen. Was er nicht wahrnimmt: aus der Schokolade ragt der Finger eines Menschenaffen und als der junge Mann geistesabwesend hineinbeißt, fließt reichlich Blut. Bei dieser höchst unappetitlichen Darstellung handelt es sich keineswegs um einen Horrorfilm, das Video verdeutlicht eine Umweltsünde. Ein Bestandteil jenes Schokoriegels ist Palmöl, für dessen Herstellung große Urwaldflächen in Indonesien abgeholzt und damit Lebensräume des Orang Utan zerstört werden. Mit diesen drastischen Bildern im Rahmen ihrer Kampagne zielt die Umweltorganisation Greenpeace auf den Schokoriegel KitKat von Nestlé.

Spektakuläre Bilder und Aktionen

Für spektakuläre Bilder und Aktionen ist Greenpeace schon lange bekannt. Immerhin hat die Organisation seit Anfang der 70er Jahre Erfahrung darin, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für Umweltbelange zu wecken. Auch andere Kampagnenorganisation funktionieren als Interessengemeinschaften, die ihre Ziele durch planvolle Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen suchen. So haben sich Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch der Wahrung der Menschenrechte verschrieben, solche wie Foodwatch dem Verbraucherschutz, während sich Germanwatch übergreifend mit unternehmerisch verantwortlichem Handeln auseinandersetzen. Die Themenschwerpunkte liegen unterschiedlich, ihre Vorgehensweisen ähneln sich: Um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, setzen Kampagnenorganisationen Marketingtechniken und insbesondere die Social Media ebenso professionell ein wie Unternehmen.

Die KitKat-Kampagne steht beispielhaft für den Einbezug der neuen Medien, sie erreichte ihren Erfolg vor allem durch das Community-Medium Youtube. Der Einsatz dieser Medien ist für die Umweltschützer nicht neu, doch konnte man hier neue Erfahrungen gewinnen. Greenpeace-Sprecher Michael Hopf: „Es war auch für uns interessant zu sehen, welche Wirkung man auf diesem Weg erzielen kann. Diese Kampagne ist bei uns allen im Gedächtnis geblieben, weil sie so erfolgreich verlief. Es war die erste Kampagne mit Social Media in diesem Umfang. Wir haben diese zwar bisher auch schon genutzt, allerdings nicht so integriert.“

Wie die Lebensmittelbranche so arbeitet auch die Textilbranche in Deutschland unter hohem Kostendruck und mit internationalen Lieferketten. Auch sie gerät häufig in das Blickfeld der Kampagnenorganisationen. Die „Schmutzige Wäsche-Kampagne“ wird ebenso von Greenpeace und hat einigen Wirbel in der Bekleidungsindustrie verursacht. Kritikpunkt ist der Einsatz von Chemikalien bei der Produktion. Die Kampagne wurde zum großen Teil nach den klassischen Vorgehensweisen durchgeführt, mit Aktivisten, die vor Läden demonstrierten – neu allerdings mit Flashmobs. Und Greenpeace bedient auch hier alle modernen Kommunikationskanäle: Mit einer eigenen Website und Postings auf Facebook, Twitter und Mister Wong, mit Bildstrecken auf Flickr und YouTube-Videos.

Angst ums Image

Was Kampagnen außerdem zum Erfolg verhilft, ist die wachsende Bedeutung der Markenkommunikation bei den Unternehmen. Greenpeace-Sprecher Hopf: „Bei Firmen ist es inzwischen so, dass sie Angst um ihr Image haben, vor allem aber ist die Marke sehr wichtig geworden. Diese Entwicklung kommt uns entgegen – wie auch natürlich die Entstehung der Social Media. So können wir Menschen, die sich interessieren, viel direkter erreichen“.

Nestlé jedenfalls sah sich schließlich veranlasst, auf die Forderungen der Umweltschützer einzugehen und den in die Kritik geratenen Lieferanten in Indonesien – Sinar Mas – fallen zu lassen. Inzwischen engagiert man sich im Rahmen der Marke selbst aktiv für den Regenwaldschutz, und das nicht alleine: Das Unternehmen hat eine Partnerschaft mit der “The Forest Trust” gestartet und entwickelt gemeinsam mit der NGO Richtlinien für einen nachhaltigen Einkauf. Solche Kooperationen zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Verbänden können als ein Erfolg von Aktionen wie der gegen KitKat bewertet werden. Kampagnenorganisationen selbst allerdings werden Unternehmenskooperationen nicht eingehen können, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Doch auch diese suchen das Gespräch mit Unternehmen und bevor ein „Fall“ tatsächlich öffentlich wird, hat sich bereits einiges ereignet. Greenpeace beispielsweise betreibt intensive Recherchen und analysiert Umweltprobleme, deren Zusammenhänge ebenso wie das Handeln der Akteure und Entwicklungen in der Politik. Mit den in ihren Branchen einflussreichen Firmen wird zunächst das Gespräch gesucht. Plant etwa die EU Regulierungen oder Grenzwerte wie im Fall der CO2 Emissionen, „beobachten wir, welche Branche sich am meisten dagegen wendet. Das ist einer der Punkte, der beispielsweise zur VW-Kampagne geführt hat“, so Hopf. Bei dieser Kampagne mit dem Titel „Die dunkle Seite des Volkswagenkonzerns“ nutzte die Organisation ein pfiffiges YouTube-Video, um auf eine Studie zu dem Umgang des Autobauers mit seiner Klimaverantwortung hinzuweisen.

Wer leugnet scheitert

Was können Unternehmen denn nun ihrerseits tun, gerade auch im Rahmen unternehmerisch verantwortungsvollen Handelns? Die Grundregel: Probleme dürfen nicht geleugnet werden, Unternehmen müssen sich ihnen stellen.

Hersteller Nestlé versuchte erfolglos, das Video aus dem Netz nehmen zu lassen, denn dem stand die besondere Eigenschaft dieses Mediums entgegen: Was einmal im Internet ist, lässt sich nur äußerst schwer oder gar nicht wieder entfernen, zumal die Nutzergemeinschaft auf tatsächliche oder vermeintliche Zensur mit besonderem Widerstand reagiert. Videos wurden von unterschiedlichen Nutzern an unterschiedlichen Stellen erneut hochgeladen und fachten die Aufmerksamkeit erst recht an.

Auch reine PR-Aktionen, die das positive Image schützen oder wiederherzustellen sollen, fruchten wenig, wenn sich an Prozessen und Strukturen nichts ändert. Natürlich ist der beste Schutz ein an internationalen Standards orientiertes nachhaltiges Wirtschaften. Um dieses zu dokumentieren, bieten sich inzwischen einige namhafte und anerkannte Labels für faire oder ökologische Produktion an.

Viele Unternehmen orientieren ihre Geschäftsprozesse tatsächlich bereits von vorneherein an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, richten ihr Geschäftsmodell danach aus. Dennoch kann es passieren, dass auch ein Unternehmen, das über lange Praxis in diesem Bereich verfügt, sich einer Kampagne oder einer Studie gegenüber sieht. So kann die Recherche von Kampagnenorganisationen zu neuen Erkenntnissen über neu entwickelte Produktionsstoffe oder neu kombinierte Stoffe führen. Weitere Risiken bestehen in den umfangreichen Verantwortungsfeldern von Unternehmen, etwa in der Zulieferkette. Wer kennt schon alle Sublieferanten seiner Lieferanten? Und darin, dass sich manche bereits erkannten Probleme nicht von heute auf morgen lösen lassen: Etwa beim Palmöl, wo der Aufbau nachhaltiger Erzeuger- und Lieferketten seine Zeit braucht.

Dialog pflegen

Als wichtigstes Mittel erweist sich der Dialog, da NGOs vor dem Start einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne häufig das Gespräch suchen. H&M, ein weltweit führender Bekleidungshersteller, setzt nicht nur in Reaktion auf die Schmutzige Wäsche-Kampagne auf Kommunikation. H&M-Pressesprecher Hendrik Heuermann: „Wir wollen nicht für andere Unternehmen sprechen, bei H&M haben wir allerdings schon seit längerem den Dialog gepflegt. Bereits vor der Studie waren wir mit Greenpeace in Kontakt und werden uns auch weiterhin mit Greenpeace beraten.“

Komplexe Zusammenhänge im ökologischen und im gesellschaftlich-politischen Bereich lassen sich meist schwer kommunizieren. Kampagnenorganisationen legen den Fokus auf bestimmte Aspekte, wodurch sie die Sichtweise stark vereinfachen, während sie einzelne oder wenige Unternehmen in den Fokus rücken. Die Lösung mancher Missstände liegt allerdings nicht allein in deren Möglichkeiten und Verantwortung. Wer sich dem Dialog stellt und an der Beseitigung von Missständen mitarbeitet, gewinnt die Chance, das eigene Engagement im Bereich Nachhaltigkeit nicht nur zu kommunizieren, sondern auch zu demonstrieren – und überdies zu verdeutlichen, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern Regierungen und die Bürgergesellschaft gleichermaßen gefragt sind.

Verfasserin: Iris Koller
zuerst erschienen im CSR MAGAZIN Nr. 4, Dezember 2011

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