Velbert (csr-news) – Das CSR MAGAZIN hat Hochschullehrer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich danach gefragt, wie die Wirtschaftsethik in die Lehre eingebunden sein sollte, was eine Beschäftigung damit bewirken kann und wie es um die Nachhaltigkeit der Hochschulen selbst bestellt ist. Einen Übersichtsbeitrag dazu bringt die März-Ausgabe des CSR MAGAZIN. Hier veröffentlichen wir die Antworten der Hochschullehrenden im Volltext. Heute:
CSR der Institution „Hochschule“: Welche Verantwortungsthemen sind für die Institution Hochschule besonders herausfordernd? Welche Lösungsansätze gibt es hier? Stichwort: Walk the Talk
Prof. Stefan Heinemann (FOM Hochschule): Neben den campusorientierten Klassikern wie Ressourcenschonung sind vor allem die konkrete Umsetzung als „normaler“ Teil der Lehrinhalte mit den entsprechenden Begleitinstrumenten wie Schulungen herausfordernd. Hier kann nur eine deutliche institutionelle Verankerung den nachhaltigen Erfolg bringen.
Prof. Ulrich Holzbaur (Hochschule Aalen): Wichtig ist, dass die Hochschule solche Themen aufgreift und im Sinne von Fordern und Fördern von ihren Studierenden einfordert. Vorleben ist gut, leben lassen und herausfordern ist besser – sonst erzeugen wir nur ein Konsumentenverhalten auf einem höheren Niveau.
Wenn wir von den SDG ausgehen, ist SDG 16 – die starken Institutionen – ein genereller Zugang. Der Haupthinderungsgrund für ein nachhaltiges Handeln sind Eigeninteressen von Institutionen und Individuen (im ausgeprägtesten Falle Korruption). Transparenz und Partizipation müssen auch an der Hochschule vorgelebt werden – das ist noch wichtiger als beispielsweise das Licht auszuschalten. Allerdings sollen die Studierenden lernen, dass Partizipation auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, sich zu engagieren, notfalls zu kämpfen.
Analoges gilt für Ressourcenverbräuche: es ist nicht sinnvoll, wenn der Prof. abends durch die Hörsäle lauft und noch die Lichter ausmacht oder die Mitarbeiter in der Cafeteria den Studierenden die Mehrwegbecher nachtragen. Die Studierenden sollen selbst motiviert sein, aktiv zu werden. Wir müssen als Hochschulen die Studierenden befähigen, aber nicht für sie handeln.
Prof. Annette Kleinfeld (Hochschule Konstanz): Diese Diskussion führen wir im hochschuleigenen „Rat für Nachhaltige Entwicklung“ seit einigen Jahren – konnten uns aber aufgrund von Zeit- und Ressourcenmangel bei den involvierten ExpertInnen bislang noch nicht dazu durchringen, eine fakultätsübergreifende Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, um früher oder später auch einen entsprechenden CSR-Bericht zu veröffentlichen. Neben den Nachhaltigkeitsreferenten an den Fakultäten gibt es zudem eine Senatsbeauftragte für Nachhaltige Entwicklung und eine für Ethik. Im Zuge des letztes Jahr abgeschlossenen Strategie-Prozesses der HTWG Konstanz soll letztere (also ich :-)) aus den neu vereinbarten Werten auch einen Code of Conduct für alle Hochschulangehörigen entwickeln……. Auch dies liegt aktuell aufgrund von Zeit- und Ressourcenmangel auf Eis. Neben dieser Hürde kommt aber an Institutionen wie Universitäten und Hochschulen die Herausforderung hinzu, ein höchst heterogenes Personal – Verwaltungsmitarbeiter, Professoren, Studierende etc . – an einen Tisch zu bringen bzw. am gleichen Strang ziehen zu lassen bei der Umsetzung später. Steuerungsmechanismen (z.B. Zielvereinbarung) wie sie Betrieben zur Verfügung stehen, fehlen – zumindest an öffentlichen Hochschulen – leider völlig.
Dr. Daniela Ortiz (FHWien der WKW): Selbstverständlich betrifft der Themenbereich Ethik und Nachhaltigkeit nicht nur Lehre und Forschung, sondern ebenso den organisatorischen Alltag. Auch Hochschulen müssen ein Nachhaltigkeitskonzept umsetzen, das alle universitären Bereiche erfasst: Dabei spielen Themen wie familienfreundliche Arbeitszeiten, ein effizientes Qualitätsmanagement oder behindertengerechte Büros eine Rolle. Ein interessantes Konzept ist das Green Office der Universität Maastricht, das Nachhaltigkeit zu einem Querschnittsthema macht, das Verwaltungs-, Lehr- und Forschungspersonal sowie Studierende involviert.
Prof. Guido Palazzo (Universität Lausanne): Hochschulen sind – wie alle Organisationen – dann besonders glaubwürdig im Bereich Nachhaltigkeit, wenn sie sich damit in ihrem Kerngeschäft engagieren. Bei Hochschulen heißt das Lehre und Forschung. Alles andere ist Greenwashing.
Prof. Stefan Schaltegger (Leuphana Universität Lüneburg): Nachhaltigkeitsmanagement ist nicht auf einzelne Verantwortungsthemen begrenzt, sondern kennzeichnet sich gerade auch durch die Kombination von ineinander verwobenen Problemkomplexen, die soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung in mehrfacher Form verlangen. Der Umgang mit auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinenden Herausforderungen ist eine bedeutende Ausgangslage für Nachhaltigkeitsmanagement. Komplexe Probleme so zu analysieren und Lösungsprozesse so zu gestalten, dass unterschiedliche Verantwortungsthemen konstruktiv und wertstiftend angegangen werden, ist eine spannende und wesentliche Aufgabe des Nachhaltigkeitsmanagements.
In Bezug auf die Universität haben wir das Nachhaltigkeitsmanagement institutionalisiert (Leitbild, Strategie, Nachhaltigkeitsbeauftragte, integriert in das erste Semester aller Studiengänge, integriert in das Komplementärstudium aller Studiengänge, eigene Fakultät Nachhaltigkeit usw.) und auch in verschiedenen Vertiefungsbereichen wie einem Konzept zur Klimaneutralität verankert und seit über 15 Jahren sukzessive umgesetzt.
Prof. Markus Scholz (FHWien der WKW): Ein weiteres wichtiges Thema ist die Transparenz bei der Drittmittelfinanzierung, insbesondere durch private Fördergeber. Um die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Lehre zu garantieren sind klare Regelungen für die Finanzierung und das Management von Hochschulen notwendig. Ein Anti-Korruptions-Kodex sowie die Abgrenzung des Einflussbereiches von Geldgebern in Lehre und Forschung sind Beispiele solcher Regelungen. Vergangenes Jahr diente eine von uns mitgestaltete Konferenz in Zusammenarbeit mit Transparency International als Auftakt für eine nun laufende Studie, mittels derer eine Bestandsaufnahme über den Umgang mit Drittmitteln an österreichischen Hochschulen gemacht wird
Lesen Sie dazu in der März-Ausgabe des CSR MAGAZIN auch den Beitrag über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Hochschulen.