Velbert (csr-news) – Das CSR MAGAZIN hat Hochschullehrer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich danach gefragt, wie die Wirtschaftsethik in die Lehre eingebunden sein sollte, was eine Beschäftigung damit bewirken kann und wie es um die Nachhaltigkeit der Hochschulen selbst bestellt ist. Einen Übersichtsbeitrag dazu bringt die März-Ausgabe des CSR MAGAZIN. Hier veröffentlichen wir die Antworten der Hochschullehrenden im Volltext. Hier eine Frage, zu der die Meinungen auseinander gehen:
Ist Wirtschaftsethik besser als eigenständige Vorlesung oder integriert in Ingenieur-, Wirtschafts-, Natur- oder Humanwissenschaften „aufgehoben“? Wie kann eine solche Integration gelingen?
Prof. Ludger Heidbrink (Christian-Albrechts-Universität Kiel): Wirtschaftsethik sollte als eigenständige Vorlesung durchgeführt werden, da der Stoff inzwischen zu umfangreich ist, als dass er sich ohne weiteres in einem einzelnen Fach unterbringen lässt. Außerdem besteht die Gefahr, dass wirtschaftsethische Frage primär aus der jeweiligen Fachperspektive behandelt werden. Gleichwohl sollte die Vorlesung mit anderen Fächern verbunden werden, um inhaltliche Bezüge herzustellen. Eine Integration kann z.B. durch eine Ringvorlesung gelingen oder durch gemeinsame Studiengänge, in denen wirtschaftsethische Fragen mit fachspezifischen Themen kombiniert werden. In Kiel haben wir den Master „Praktische Philosophie der Wirtschaft und Umwelt“, in dem wir ökologische und ökonomische mit wirtschafts- und umweltethischen Modulen verknüpfen.
Prof. Stefan Heinemann (FOM Hochschule): Eine konsequente Integration braucht beides, Grundlagenkurse und eine curriculare Wahrnehmbarkeit in den weiteren Modulen. Wenn ein Kollege aus beispielsweise der Finanzwirtschaft Aspekte der ethischen Betrachtung von harten Zinsstrukturen thematisiert ist dies oft authentischer als der Wirtschaftsethiker, die Grundlagen allerdings sind mithin wesentlich philosophischer und wirtschaftsphilosophischer Natur.
Prof. Estelle L.A. Herlyn (FOM Hochschule): Die Einführungsveranstaltungen sollten als eigenständige Veranstaltung erfolgen. Je spezieller die Fragestellungen werden, desto eher sollten sie in die einzelnen Wissenschaften integriert werden, alleine um bereits in der Lehre klar zu machen, dass Ethik / Nachhaltigkeit ein Querschnittsthema sein muss.
Mag. Günter Horniak (FH Campus Wien): An meinem Studiengang (Bachelor Public Management) haben wir bereits zum einen konkrete Lehrveranstaltungen („Ethik und Compliance“, „Selbstmanagement und Verantwortungskultur“ 1. und 2. Semester) als auch ethische Fragestellungen als impliziter Teil der Lehrveranstaltung (3.-6.Semester). Genau diese „Mischung“ werde ich auch beibehalten. Im 1. Semester bei „Selbstmanagement und Verantwortungskultur“ der Fokus auf Verantwortung für das eigene Handeln, im 2. Semester bei „Ethik und Compliance“ die Verbreiterung auf Gesellschaft und Organisation.
Darauf aufbauend werden die Studierenden in jedem weiteren Semester mit (fachspezifischen) ethischen Fragestellungen konfrontiert. Ein weiterer Vorteil ist der sehr praktische Ansatz im Unterricht, der einen wichtigen Wesensbestandteil der Fachhochschule darstellt und der sich auch in den konkreten Praxisbeispielen widerspiegelt.
Prof. Annette Kleinfeld (Hochschule Konstanz): Beides ist aus meiner Sicht erforderlich – sowohl die eigenständige Vermittlung der Grundlagen wirtschafts- und unternehmensethischen Entscheidens und Handelns als auch deren Anwendung anhand von konkreten, disziplinspezifischen Fragestellungen. Dies kann durch entsprechend gebildete und erfahrene DozentInnen an den jeweiligen Fakultäten umgesetzt werden oder aber im Rahmen von fakultätsübergreifenden Veranstaltungen. An meiner Hochschule haben wir beispielsweise neben der Öffnung wirtschaftsethischer Vorlesungsangebote auch außerhalb unsrer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät im Rahmen des Studium Generale Ringvorlesungen zum Thema Nachhaltige Entwicklung und Angewandte Ethik etabliert, bei denen ProfessorInnen unsrer Hochschule oder Experten von außerhalb die Themen aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen bzw. Anwendungsbereiche beleuchten.
Dr. Thomas Krickhahn (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg): Da sich die ethisch relevanten Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Komplexität und Dynamik aus der Globalisierung, der Internationalisierung und der digitalen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft ergeben, nicht an die disziplinären Grenzen halten, ist vielmehr eine interdisziplinäre Perspektive in der Forschung und Lehre gefragt. Die Lehre in Form einer eigenständigen Vorlesung hat demgegenüber den möglichen Nachteil, die Zielgenauigkeit der praktischen Anwendungssituationen zu verfehlen und die integrierte Einbeziehung in den einzelnen Fachdisziplinen hätte den Nachteil, dass damit möglicherweise viel Redundanz erzeugt wird. Praxisnäher, effektiver und effizienter könnte neben der Vermittlung in Form einer eigenständigen Vorlesung also beispielsweise eine interdisziplinäre Veranstaltung z.B. in Form eines Teamteachings zum Gelingen der Integration ethischer Aspekte beitragen.
Prof. Margit Meyer (Universität Würzburg): Wir haben uns im Master im Bereich Business Management spezialisiert auf nachhaltiges strategisches Marketing Management und leben eine Einheit von Lehre, Forschung und Praxis. Im Grunde bedeutet dies, dass CSR und Responsible Leadership in die „Marktorientierte Unternehmensführung“ integriert wird und aus einer strategischen Perspektive proaktiv genutzt wird, um langfristig/nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und auf Wachstumspfade zu bringen, die Ökonomie und Gesellschaft sowie Ökologie in Einklang bringen. Mehr und mehr wird erkannt, dass wenn die unternehmerische Verantwortung in diesem Sinne wahrgenommen wird, auch ein neues Verständnis für eine verantwortungsbewusste Geschäftsführung entsteht. Wir sprechen dann von „Doing Well by Doing Good“ bzw. „Doing the Right Things“. Verschiedene weltweit ausgerichtete Initiativen entwickeln sich, wie die Initiative des UN Global Compact, die Creating Shared Value Initiative von Porter und Kramer und auch die Initiative von Mackey und Sisodia des Conscious Capitalism und Conscious Business. Diese haben gemeinsam, dass sie CSR und RL aus Sicht von Management Strategien und Theorien betrachten und neu denken. Das heißt, es findet ein Paradigmenwechsel statt und der Sinn erfolgreicher Geschäfte im Kapitalismus wird neu gedacht. Erfolgreiche Geschäfte erbringen einen Social Value und Business Value bzw. Shared Value und der Vorrang des Shareholder Value wird integriert in den Anspruch des „Creating Value for all Stakeholders“ (Kunde, Mitarbeiter, Geschäftspartner, Investoren, Umwelt und Gesellschaft). Diese Diskussion zum Shareholder und Stakeholder Value geht zurück auf Milton Friedman und Edward Freeman und befindet sich im Mittelpunkt der Kapitalismus-Debatte wieder, und zwar zurückgehend bis zu Adam Smith.
Unsere Studenten sind von diesen Themen begeistert. Sie gehören ja zu den Millennials, die auch als „Generation Why“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass Sie durch Sinn bzw. Geschäfte die Sinn machen und einen Social Impact bis Social Purpose verfolgen auf intrinsische Weise motiviert und angezogen werden. Sie arbeiten dann 24/7 und können wirklich nicht genug davon bekommen. Eine besondere Rolle spielen die jungen Frauen, die hier ihr ganzes Potential entfalten können und aufgrund der berühmten „weiblichen Intuition“ einen besonderen Zugang zu diesen komplexen zukunftsorientierten Themen und Herausforderungen finden und sich so richtig ausleben können.
Die Vorlesungen des Marketing Lehrstuhls im Master – wie Strategisches Marketing Management und Strategische Markenführung und Internationales Strategisches Marketing – orientieren sich an diesen strategischen CSR- und RL Ansätzen. Mittlerweile werden viele Masterthesen – oft auch in Kooperation mit der Praxis – darüber geschrieben. In der Forschung fließen die Themen in die Research Paper und Promotionsprojekte am Lehrstuhl mit ein. Das Beste dabei ist, dass wir alle zusammen sehr viel Freude bei der Arbeit empfinden, weil wir etwas „zum Wohle aller und zum Wohle jeden einzelnen tun“ und kraftvoll Zukunft mitgestalten können. Selbst Unternehmen wählen oft eine Mission, die da heißt: Making the World a Better Place!
Etwas philosophischer und auch euphorischer formuliert, könnte es so gelingen, die Kraft des Kapitalismus tatsächlich zu nutzen, um Wohlstand für alle zu schaffen und die ökonomischen Wissenschaften würden dann sogar zu einer Lebenswissenschaft – einer Wissenschaft, die dem Leben dient bzw. der Schaffung eines besseren Lebens auf diesem Planeten, und zwar für die zivile Gesellschaft des 21. Jahrhunderts mit einer hoch entwickelten Ethik und Moral, die – wie gesagt – dem Leben dient. Bis dahin gibt es viel zu tun!
Übrigens, die weltweit größte Investmentberatung Black Rock Inc. (6,3 Billionen Dollar) orientiert sich in Zukunft an diesen „Doing Well by Doing Good“-Ansätzen und der CEO Larry Fink hat an alle privaten und öffentlichen Unternehmen am Anfang des Jahres 2018 einen entsprechenden Letter auf der Homepage von BlackRock veröffentlicht.
Dr. Daniela Ortiz (FHWien der WKW): Die zwei Dimensionen eines didaktischen Konzepts, die anwendungsorientierte und die affektive, werden aus unserer Sicht am besten vermittelt, wenn zusätzlich zur Vorlesung wirtschaftsethische Themen auch in anderen Fächern der Ausbildung behandelt werden (z.B. in Strategie, Marketing oder Finance).
Prof. Guido Palazzo (Universität Lausanne): Die Integration unternehmensethischer Themen wird in der Regel von denen gefordert, die keine eigenständigen Professuren im Bereich Nachhaltigkeit/Unternehmensethik schaffen wollen. Ich bin daher sehr skeptisch. Man stelle sich vor, es würde argumentiert «Marketing ist so wichtig, wir integrieren das ein wenig in alle Kurse. Der Finanzprofessor macht ein wenig Marketing, der Strategieprofessor etc.». Was man damit eigentlich sagt ist, dass das Thema so irrelevant ist, dass Hinz und Kunz es unterrichten können. Ich bin für eine Integration des Themas in Mainstreamkurse, allerdings nur auf der Basis eines breit aufgestellten und von echten Experten unterrichteten Programms.
Prof. Markus Scholz (FHWien der WKW): Wir sind überzeugt, dass es beides braucht. Wie zuvor erwähnt, muss das Thema Wirtschaftsethik sowohl auf einer kognitiven, wie auch auf einer praxisbezogenen und affektiven Ebene vermittelt werden – letztere impliziert die persönliche Betroffenheit. Durch eine eigenständige Vorlesung können insbesondere kognitiv-intellektuelle Aspekte angesprochen werden. Seit 2012 laden wir jedes Semester zu unseren Vorlesungen international führende ExpertInnen aus Wirtschaft und Forschung als Vortragende ein. Dadurch werden die von uns theoretisch behandelten Themen durch Perspektiven aus der Praxis sozusagen „legitimiert“ bzw. anschaulich dargestellt.
Prof. i.R. Jürgen Schwalbach (Humboldt-Universität Berlin): In vielen Hochschulen ist Wirtschaftsethik ein eigenständiges Fach mit einem eigenen Curriculum. Das Fach wird jedoch überwiegend von nicht einschlägig ausgewiesenen Wirtschaftswissenschaftler/-innen vertreten. Das Ergebnis ist, dass Wirtschaftsethik ein Nischenfach ist, kaum Ausstrahlung auf die anderen wirtschaftswissenschaftlichen Fächer hat und die Vertreter der anderen Fächer wirtschaftsethische Fragen in ihrem Fach nicht berücksichtigen, nach dem Motto: Für wirtschaftsethische Fragen ist der Kollege … zuständig.
Wünschenswert wäre, dass Ethik generell in allen Fächern bzw. Disziplinen der Hochschulen berücksichtigt wird. Die Vorkommnisse der letzten Wochen und Monate zeigen, dass teilweise massive Ethikdefizite in allen Disziplinen zu beachten sind. Die Integration kann jedoch nur gelingen, wenn Ethikkurse Bestandteil des Curriculums in allen Disziplinen werden.
Allerdings sollte Ethik bereits in den Schulen gelehrt werden. Die Hoffnung besteht, dass das Fach Wirtschaft vermehrt in Schulen unterrichtet wird, so dass Wirtschaftsethik Einzug in die Schulen finden könnte.
Prof. Andreas Suchanek (HHL Leipzig): Mit Wirtschaftsethikvorlesungen als „stand alone“-Veranstaltung erreichen wir nicht viel. In Leipzig bieten wir deshalb seit einigen Jahren einen Kurs mit dem sehr allgemeinen Titel „Global Governance and Corporate Responsibility“. Das ist nahezu durchgängig eine Co-Teaching-Veranstaltung, in die etwa auch Marketing, Accounting und Finance einfließen. Unter einem gemeinsamen Case werden dort wirtschaftsethische Perspektiven diskutiert. Besonders spannend waren etwa unsere Sitzungen rund um die Finanzkrise.
Solche Co-Teaching-Veranstaltungen sind auch für die Lehrenden enorm hilfreich, zugleich aber auch harte Arbeit. Denn sie müssen gut vorbereitet sein, was die Kollegen nicht immer ohne Weiteres einrichten können.
Wenn wir wirtschaftsethische Perspektiven auf breiter Front integrieren wollen, brauchen wir starke Rektoren und Dekane und Kollegen mit einer gewissen Methodenkompetenz, die das auch wollen. Für die Studierenden sind solche Veranstaltungen spannend und ich selbst erlebe sie als enorm lohnenswert.
Prof. Rudolf Voller (Hochschule Niederrhein): Ich kann mir – vor allem in Masterstudiengängen – ein eigenständiges Fach gut vorstellen. Zukünftiges Führungspersonal sollte sich intensiv und tiefgehend damit beschäftigen. Als Bestandteil von Lehrveranstaltungen zu Umwelt- und Risikomanagement, Human Resources Management oder Umweltmanagement lässt sich Wirtschaftsethik aber auch integrativ einbringen. Dies würde ich vor allem für Bachelorstudiengänge empfehlen.
Prof. Josef Wieland (Zeppelin Universität Friedrichshafen): Man kann Wirtschaftsethik integrieren, aber ich persönlich präferiere eigenständige Veranstaltungen. Das hebt die Bedeutung der Wirtschaftsethik hervor und unterstreicht ihren Professionalisierungsgrad. Die wirtschaftsethische Diskussion erfolgt auf einem sehr detaillierten und ausdifferenzierten Niveau. Und auch in der Praxis – etwa in den Unternehmen – gibt es inzwischen das Tätigkeitsfeld des Sustainability-Managements.
Dr. Christopher Wickert (VU University Amsterdam): Bezüglich dieser Fragen kann ich nur betonen, dass ich hier die Verankerung insbesondere von CSR als Unterrichtsthema in den regulären Curricula vorziehe. Es kann durchaus einen separaten Kurs geben z.B. „Strategic CSR“, oder „Nachhaltigkeitsmanagement“. Diese sollten dann m.E. aber Pflichtbestandteil eines übergeordneten Studienprogramms sein. Bei uns an der VU haben wir beispielsweise im Master level den MSc Business Administration, und darunter dann 5 Spezialisierungen: Leadership & Change Management, Human Resource Management, International Management, Strategy & Organization, sowie Management Consulting. Alle Spezialisierungen bieten wir unter dem Dach des MSc BA an und alle führen zum selben Abschluss. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, innerhalb dieser 5 Spezialisierungen entweder einzelne Kurse zum Thema CSR/Sustainability anzubieten (z.B. Strategic CSR in der Spez. Strategy & Organization, kann auch von Studenten anderer Spezialisierungen gewählt werden), oder CSR-relevante Themen in die einzelnen anderen Kurse zu integrieren. Wogegen wir uns bewusst entschieden haben ist, einen „stand-alone“ MSc in z.B. CSR oder Sustainability Management anzubieten. Dies würde der Integration von CSR in „the normal way of doing business“ widersprechen und das Thema eher zu einem Silo- oder Spezialfach verkommen lassen, was nicht von der breiten Masse aufgenommen wird.
Also grundsätzlich denke ich, dass CSR eben als ein zentrales „normales“ Thema betrachtet werden muss, wie Marketing, Strategie, Accounting, etc., und in „normalen“ Vorlesung bzw. Programme eben auf die nachhaltigkeitsrelevanten Themen eingegangen wird. Dies führt m.E. zu einer besseren Verbreitung als wenn es einen MSc in CSR gäbe.