München (csr-news) – Für den Beitrag zum Thema „Digitale Ethik“ im kommenden CSR MAGAZIN sprach Achim Halfmann mit dem Wissenschaftler.
CSR MAGAZIN: Wie sehen Sie die Bedeutung von Social Media für unsere Gesellschaft?
Prof. Dr. Filipović: Social Media-Plattformen leisten als Intermediäre einen wichtigen Beitrag für das öffentliche Leben und die Demokratie. Am Anfang haben wir angenommen, Social Media würden einen integrierenden Effekt besitzen und die Partizipation fördern. Umso erschreckender war es festzustellen, dass Social Media tatsächlich häufig desintegrierend wirken. Denken Sie etwa an die Phänomene Fake News, Hate Speech und die Erzeugung von Filterblasen.
Die großen Social Media-Konzerne haben sich lange aus ihrer Verantwortung herausgeredet und betont, dass sie nur eine Plattform zur Verfügung stellen. So langsam haben die Unternehmen diese Herausforderung erkannt und es tut sich etwas, aber es ist noch zu wenig.
Sollte der Gesetzgeber also stärker regulierend eingreifen?
Eine Selbstkontrolle ist vorzugswürdig. Es bleibt abzuwarten, was in den kommenden Monaten passiert. Falls das Engagement der Unternehmen nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt, muss die Politik, muss die Rechtsprechung durchgreifen.
Unternehmen sollen Meinungsfreiheit sichern?
In Sachen Meinungsfreiheit stehen wir in Europa zwischen Amerika und China. Wir wollen keine Überbetonung der Redefreiheit, wie wir sie in Amerika erleben. Und wir wollen keine autoritäre Top-Down-Kommunikation nach chinesischem Vorbild. Wenn wir die Meinungsfreiheit stärker schützen wollen, müssen wir auch die Gesellschaft und den Social Media-Nutzer einbinden.
Wäre es nicht wichtig, die Macht der Internetkonzerne zu begrenzen?
Macht besitzen Internetkonzerne sowieso, damit müssen wir leben. Unternehmen verfolgen ökonomische Zwecke, wir sprechen von einer Plattformökonomie. Ihr unternehmerisches Handeln besitzt jedoch einen hohen Impact für gesellschaftliche Diskurse, und heute entwickeln die Social Media-Konzerne dafür eine Sensibilität. Ich wünsche mir, dass sich Unternehmen noch mehr einmischen und gesellschaftliche Diskurse unterstützen. Aber ich erlebe die Digitalkonzerne überwiegend als intransparent und defensiv.
Intransparent sind sie insbesondere in Bezug auf ihre Algorithmen, mit denen sie Beiträge auswerten und ranken.
Tatsächlich begünstigen Algorithmen durch ihren Grad der Personalisierung die Entstehung von Filterblasen. Es wäre eine Alternative, wenn etwa jede 10. Nachricht nicht den Interessen des Nutzers entspricht, sondern Unerwartetes bietet. Das Thema wird in der Zivilgesellschaft diskutiert – denken Sie etwa an die NGO AlgorithmWatch. Einerseits ist nichts gegen eine Forderung nach mehr Transparenz zu den Algorithmen von Social Media-Konzernen zu sagen, andererseits muss den Unternehmen die Grundlage für Forschung, Innovationen und Investitionen erhalten bleiben.
Das Handeln in digitalen Sphären erfordert digitale Kompetenzen, von denen manche sagen, es stehe damit in unserer Gesellschaft nicht zum Besten steht.
Digitale Kompetenzen sind Ergebnisse von Lernprozessen und Lernprozesse brauchen immer Zeit. Angesichts der schnellen technologischen Entwicklung brauchen wir eine Bildungsoffensive nicht nur in Schulen, sondern es geht um ein lebenslanges Lernen. Allerdings gehen die Leute zu digitalen Themen nicht gerne in die Volkshochschulen, da liegt Italienisch höher im Kurs. Auch in den Betrieben könnte mehr an digitaler Bildung geboten werden.
Sie leiten gemeinsam mit einem Kollegen der Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt das „Zentrum für Ethik der Medien und der digitalen Gesellschaft (zem::dg)“. Was bringen Sie dort zu den angesprochenen Themen ein?
Wir kooperieren mit unterschiedlichen Bildungsträgern im deutschsprachigen Raum und bieten Online-Kurse zu Themen der digitalen Ethik und der digitalen Kompetenz. In einem Forschungsprojekt in Kooperation mit Microsoft Deutschland geht es darum, wie die Nachrichtenauswahl in einem Webportal wie MSN gesellschaftlich verantwortlich und qualitativ hochwertig getroffen werden kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Titelbild: Leopold Stübner SJ