Düsseldorf (csr-news) > Während für Großunternehmen CSR schon länger zum Alltag gehört, sehen sich auch immer mehr mittelständische Unternehmen damit konfrontiert. Doch von einer umfänglichen und strukturierten Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie und einer entsprechenden Kommunikation ist ein Großteil der Unternehmen noch weit entfernt. Doch die Erwartungen an die Unternehmen steigen, nicht zuletzt durch die Berichtspflicht der Konzerne, die nun genauer in ihre Lieferkette schauen. In einer umfangreichen Studie unter 229 mittelständischen Unternehmen hat die Beratungsgesellschaft Baker Tilly gemeinsam mit der Technischen Universität Dortmund, den Status quo in Bezug auf die Nachhaltigkeit im Mittelstand untersucht.
Darin schätzen 80 Prozent der Unternehmen für sich die Integration einer nachhaltigen Unternehmensführung als relevant ein. Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) war rund 66 Prozent der Unternehmen bereits vor Durchführung der Umfrage bekannt. 84 Prozent der Befragten verstehen unter einer nachhaltigen Unternehmensführung eine wirtschaftliche, langfristig orientierte und bestandssichernde Orientierung des Unternehmens. Für 59 Prozent bedeutete dies ebenso die Schaffung eines Wertbeitrags für die Gesellschaft und für 58 Prozent geht es auch um fairen Handel und die Verfolgung ethischer Werte. Als Marketinginstrument bzw. Modeerscheinung wird nachhaltiges Unternehmertum nur vereinzelt betrachtet (2 Prozent). Dennoch hat erst jedes zweite Unternehmen auch eine entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie definiert. Als Kernproblem nennt die Studie, dass es keine verbindlichen Vorgaben gibt, die klare Vorgaben und Orientierung für die Definition einer entsprechenden Unternehmensstrategie geben könnten – wie es beispielsweise bei der Bilanzierung nach HGB der Fall ist. So sind auch nur 15 Prozent der befragten Unternehmen mit ihrer Berichtserstattung zu Nachhaltigkeitsaktivitäten wirklich zufrieden.
Die Unternehmen wollen, können aber nicht
„Das Ergebnis unserer Nachhaltigkeitsstudie könnte man auch knapp zusammenfassen mit: Die meisten mittelständischen Unternehmen wollen – können aber nicht“, sagt Martin Weinand, Partner bei Baker Tilly und Co-Autor der Studie: „Die Erklärung dieses Phänomens ist in unseren Augen auch gleich der Lösungsansatz. Es fehlt die verbindliche Orientierung, so wie sie in anderen Unternehmensbereiche vorgegeben ist, wo es primär und unmittelbar um Profitabilität geht. Dagegen muss man beim Thema unternehmerische Nachhaltigkeit konstatieren: ohne feste Parameter, lässt sich auch keine verbindliche Planung erstellen.“ Daher verwundert es auch nicht, dass 23 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen ihre CSR-Maßnahmen noch gar nicht in die unternehmerische Planung einbinden. „Echte Nachhaltigkeit kann natürlich nur dann funktionieren, wenn sie fester Bestandteil der Unternehmensstrategie wird“, so Weinand. Folglich sind auch gerade einmal 28 Prozent bereit, ein jährliches Budget für ihre CSR-Maßnahmen bereit zu stellen.
Hinzu kommt: Entsprechende, interne Aufgabenstellungen werden meist „on top“ innerhalb der bestehenden Abteilungen und Funktionen verteilt, deren primäre Aufgaben in ganz anderen Bereichen liegen. Entsprechend wird Zeitmangel auch als häufigstes Problem bei der Durchführung von CSR-Maßnahmen genannt. „Am effizientesten wäre hier sicherlich eine selbstständige CSR-Abteilung, die primär für die nachhaltige Unternehmensführung zuständig wäre. Allerdings muss beachtet werden, dass nur für wenige mittelständische Unternehmen solch eine Lösung aus finanziellen und strukturellen Gesichtspunkten durchsetzbar wäre, was sich mit dem Ergebnis deckt, dass nur 10 Prozent der befragten Unternehmen eine CSR-Abteilung besitzen“, heißt es in der Studie. Abhilfe könnte auch externe Berater schaffen, doch nur 15 Prozent der befragten Unternehmen nutzen bislang diesen Weg. Nach Auffassung der Autoren sollten deutlich mehr Unternehmen darüber nachdenken externe Unterstützung einzuholen.
An dieser Stelle kommt der finanzielle Rahmen für die CSR-Strategie ins Spiel. Nur 28 Prozent der befragten Unternehmen verfügen über ein jährliches Budget für CSR-Maßnahmen. Die meisten Unternehmen stellen finanzielle Mittel je nach Bedarf oder auf externe Anfragenhin zur Verfügung. Bleibt die Frage nach der Höhe der Ausgaben für CSR. Immerhin weisen rund zwei Drittel der befragten Unternehmen einen Umsatz von über 40 Millionen Euro aus. Gemessen daran, sind die Ausgaben für CSR eher als gering einzuschätzen. Rund 30 Prozent der Unternehmen stellen für ihr CSR-Engagement bis zu 50.000 Euro pro Jahr zur Verfügung, 16 Prozent bis zu 150.000 Euro und weitere 25 Prozent mehr als 150.000 Euro, wobei fast ein Drittel der Unternehmen zu den Budgets keine Angaben gemacht haben.
Reporting als Schlüssel zu weniger Willkür und mehr Nachhaltigkeit
Willkür auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung: „Knapp drei Viertel der Unternehmen nutzt dazu nämlich eigene Leitsätze und Konzepte zur Erstellung der Berichte“, erklärt Prof. Christiane Pott Lehrstuhl für Internationale Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie: „Eigene Maßstäbe bei der Kommunikation machen Vergleiche mit anderen Unternehmen jedoch unmöglich. Nachhaltigkeit avanciert damit zur Willkür – und hat es damit schwer, zu einem festen und verbindlichen Bestandteil der Unternehmensphilosophie zu werden.“
Mögliche Hilfestellung könnten standardisierte Rahmenwerke wie zum Beispiel die GRI Richtlinien oder die Leitsätze des UN Global Compact zur Berichterstattung und Kommunikation geben, die jedoch vergleichsweise selten genutzt werden: „Gerade diese Werke sind national und international anerkannt und nicht ohne Grund bei großen kapitalmarktorientierten Unternehmen beliebt. Auch für den Mittelstand wären diese Rahmenkonzepte durchaus zu empfehlen“, so Prof. Pott. Durch eine ausführliche Berichterstattung können nicht zuletzt die Ziele im Bereich Nachhaltigkeit detailliert definiert und im Nachhinein evaluiert werden. „Dies erleichtert nicht nur die Erfolgskontrolle. Auch die Einbeziehung von CSR-Themen in die gesamte Unternehmensstrategie lässt sich hiermit deutlich einfacher gestalten. Auf diese Weise ist das Reporting der entscheidende Schlüssel für mehr nachhaltiges Wirtschaften insgesamt“, resümiert Prof. Pott.
Mit welchen CSR-Aktivitäten beschäftigen sich die Unternehmen:
Quelle: Studie „Nachhaltigkeit im Mittelstand“ – © Baker Tilly
Wirtschaftlicher Erfolg kommt zeitlich verzögert
Viel Luft nach oben haben die mittelständischen Unternehmen auch bei der geografischen Umsetzung: Nur etwa jedes zweite Unternehmen weitet seine CSR-Aktivitäten auch national aus. Oft werden in erster Linie nur lokal und regional ansässige Adressaten erreicht, während eine vollumfänglichere Ansprache aller relevanten Stakeholder-Gruppen nicht stattfindet: „Ein weiteres Indiz für die fehlende strategische Einbindung von CSR-Themen“, konstatiert Weinand.
Oftmals werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen noch als wenig greifbar wahrgenommen und deren konkreter Nutzen für das Unternehmen unterschätzt. Viele Mittelständler stellen sich nicht der Herausforderung einer konkreten Kosten-Nutzen-Rechnung in diesem Bereich. „Natürlich schauen sich Unternehmen intern die Ergebnisse ihrer CSR-Maßnahmen durchaus genau an – Umfragen, Marktanalysen und externe Kontrollen, die ein objektiveres Bild abgeben würden, finden dagegen eher selten statt“, so Anastasia Axjonow von der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie. Die Potenziale sind enorm: „Eine nachhaltige Unternehmensführung kommt nicht nur Umwelt und der Gesellschaft zugute − auch die Unternehmen werden langfristig von ihrem Engagement zweifelsohne profitieren. Mit einer ausgereiften Nachhaltigkeitsstrategie läßt sich großer Nutzen erzielen, der langfristig die Ausgaben für Nachhaltigkeitsbemühungen übersteigen wird. Und genau für diese Kosten-Nutzen-Rechnung ist die Verbindlichkeit zwingend erforderlich“, so Weinand.
Druck auf Mittelstand erhöht sich
Prof. Pott weist zudem auf die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeitsinformationen auch für den Mittelstand hin: „Zwar stehen aktuell vor allem Großunternehmen im Fokus der CSR-Debatte, nichtsdestotrotz können die aktuell voranschreitenden gesetzlichen Verschärfungen zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Großunternehmen durchaus auch eine Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand entfalten. Schließlich handelt es sich bei mittelständischen Unternehmen oftmals um Zulieferer von Großkonzernen, die von ihren Partnerunternehmen eine Ausweitung der CSR-Informationen verlangen können“, so Pott. So lautet das Fazit der Studie, das es nur eine Frage der Zeit sei, bis auch beim Mittelstand die notwendige Expertise für ein professionell implementiertes Nachhaltigkeitsmanagement und eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung vollständig vorhanden sein wird.
Ein Management-Summary der Studie zum Download: https://www.bakertilly.de/fileadmin/Downloads/Studien/Studie_Nachhaltigkeit-i-Mittelst_Mgmt-Summary.pdf
Die komplette Studie können Sie bei Baker Tilly anfordern: https://www.bakertilly.de/ueber-uns/kontakt/?rel=CSR_Studie