Autorin des Beitrags ist Prof. Dr. Silke Bustamante, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Seine Wortlaut entsprechend bezeichnet der Begriff „Corporate Governance“ die Steuerung bzw. Leitung von Unternehmen. Dabei geht es erstens darum, wie in einem Unternehmen Führungsentscheidungen getroffen werden (sollten), zweitens um Mechanismen und Strukturen, durch welche Entscheidungen kontrolliert und beeinflusst werden. In letzterem Sinne wird Corporate Governance als rechtlicher und faktischer Ordnungsrahmen verstanden, der die Leitung und Überwachung des Unternehmens regelt. Dieser betrifft sowohl die Binnenordnung des Unternehmens (Unternehmensverfassung) als auch die Einbettung des Unternehmens in sein Umfeld und den Umgang mit seinen Stakeholdern. Er bezieht sich sowohl auf rechtliche Regelungen, als auch auf unternehmensspezifische oder allgemeine Richtlinien (z. B. den Deutschen Corporate Governance Kodex), an welche sich Unternehmen freiwillig binden können.
1. Begründung
Vorrangiges Ziel der Corporate Governance ist es, Spielräume und Motivationen für opportunistisches Verhalten zu begrenzen und Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung zu schaffen. Aber auch die Vermeidung sonstiger – nicht notwendigerweise auf Opportunismus beruhender Führungsfehler (beispielsweise aufgrund von Fehlinterpretationen vorhandener Information oder unzureichender Abstimmung von Entscheidungsträgern) – sollte Ziel von CG sein. Wesentlich dafür ist, dass durch Erhöhung der Transparenz und die Etablierung von Kontroll- und Evaluationsmechanismen – die Kontrolle der Unternehmensleitung durch die verschiedenen Interessengruppen des Unternehmens ermöglicht wird.
2. Adressaten
Bei der Diskussion um die relevanten Bezugsgruppen stehen sich Shareholder- und Stakeholderorientierte Ansätze gegenüber. Shareholderorientierte Ansätze stellen den Nutzen der Aktionäre in den Vordergrund. Mechanismen der Corporate Governance sollen sicherstellen, dass die Interessen der Kapitalgeber als zentrale Träger unternehmerischen Risikos befriedigt werden und Manager sich im Einklang verhalten. Andere Anspruchsgruppen sind demnach nicht gesondert zu berücksichtigen, da deren Interessen vertraglich oder gesetzlich abgesichert sind.
Da Verträge häufig unvollständig definiert sind und Informationen nicht gleichmäßig verteilt (z.B. Informationsvorteile von Unternehmen gegenüber Kunden, Mitarbeitern oder Geschäftspartnern) sind, ist es allerdings möglich, dass Manager ihre Handlungsspielräume zu Lasten bestimmter Anspruchsgruppen ausnutzen. Stakeholderorientierte Ansätze sehen daher alle Gruppen, die in vertraglichen Beziehungen mit dem Unternehmen stehen, als potentielle Adressaten der Corporate Governance. Folglich sollte über zusätzliche Strukturen und Prozesse eine Berücksichtigung der Bedürfnisse aller legitimen Anspruchsgruppen gewährleistet werden.
3. Träger und Ebene
Träger der CG sind Führungskräfte des Unternehmens, aber auch der Gesetzgeber bzw. andere regelschaffende Institutionen (z. B. die Grundsatzkommission Corporate Governance und der Berliner Initiativkreis). Sie handeln auf unterschiedlichen „Ebenen“ der Wirtschaft:
Auf der Makroebene geht es um gesetzliche Anforderungen an die Leitung und Überwachung von Unternehmen (festgelegt im BiMoG, AktG, GmbHG und HGB) , aber auch um politische Anreize und Sanktionen, die opportunistisches Handeln unattraktiv machen (z. B. Haftungsregelungen) sowie um übergreifende Richtlinien und Kodizes, die erwünschtes Verhalten formulieren (z. B. Deutscher Corporate Governance Kodex).
Auf der Mesoebene konkretisiert sich CG dabei im Wesentlichen in der innerbetrieblichen Rahmenordnung, die die Entscheidungen der Unternehmensmitglieder maßgeblich beeinflusst. Insbesondere geht es dabei um grundlegende Werte und Ziele, Strukturen und Anreizsysteme sowie Prozesse, die die Führung und Überwachung des Unternehmens steuern.
Auf der Mikroebene impliziert Corporate Governance, dass sich die Unternehmensführung verantwortungsvoll und Sinne der Interessen der wesentlichen Stakeholder des Unternehmens verhält.
4. Grundsätze, Prinzipien und gesetzliche Grundlagen
Die wichtigsten Grundsätze der Corporate Governance sind im Deutschland im Deutschen Corporate Governance Kodex festgehalten. Dieser im Februar 2002 verabschiedete Kodex gibt einen Überblick über gesetzliche Regelungen und Vorschriften und enthält Empfehlungen für die „gute“ Leistung und Überwachung börsennotierter Unternehmen. Für Familienunternehmen, die sich durch ihre Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt und die Identität wischen Leitung und Eigentum auszeichnen, gelten teilweise andere Empfehlungen. Diese sind im Governance Kodex für Familienunternehmen fixiert.
Es werden vier wichtige Prinzipien der Corporate Governance unterschieden:
- Gewaltenteilung
- Transparenz
- Reduzierung von Interessenskonflikten
- Motivation einzelner Beteiligter
Die gesetzlichen Grundlagen der Corporate Governance sind im Wesentlichen im Aktiengesetz (AktG), im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) und im Handelsgesetz (HGB) verankert (s.o.). Diese werden teilweise durch weitere gesetzliche Initiativen und Artikelgesetze präzisiert und erweitert, so z. B. das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG, 2002), das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG, 2004), das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG, 2005) und Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG).
5. Gestaltungsfelder
Grundsätzlich lassen sich fünf wesentliche Gestaltungsfelder der Corporate Governance identifizieren:
- Die Festlegung der übergeordneten Ziele und Werte, an der sich die Entscheidungen von Unternehmen ausrichten sollen: Insbesondere ist eine Festlegung zu treffen, inwieweit neben den berechtigten Interessen der Eigentümer die Interessen anderer Stakeholder, insbesondere der Mitarbeiter und der Kunden, zu berücksichtigen ist bzw. Unternehmen durch nachhaltiges Wirtschaften einen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leisten wollen.
- Die Strukturen, Prozesse und Anreize, durch welche Führungsentscheidungen beeinflusst werden: Hier geht es um die Definition von grundsätzlichen Führungsorganen, die Abgrenzung der Rollen, Verantwortlichkeiten und Prozessen innerhalb der Führungsorgane sowie die Definition der Zusammenarbeit mit nachgeordneten Entscheidungsträgern. Die Aufteilung von Kompetenzen und Einrichtung gegenseitiger Kontrollen gilt dabei als wichtiges Prinzip der Corporate Governance. Darüber kann die Gestaltung interner und externer Anreize mögliche Interessenkonflikte reduzieren.
- Die Kontroll- und Evaluationsmechanismen der Unternehmensführung: Diese betreffen sowohl externe als auch interne Kontrollen. Interne Kontrollen können durch eine Aufteilung von Führungskompetenzen und die Einrichtung gegenseitiger Kontrollen (z. B. durch Aufsichtsräte, Beiräte oder Mitbestimmungsorgane) geschaffen werden. Als externe Kontrollen gelten der Marktmechanismus (Verzicht auf Transaktion), aber auch die Kontrollen durch sonstige staatliche oder nichts-staatliche Organisationen (z. B. Aufsichtsbehörden, Audits u.ä.)
- Die Personen, welche in Führungs- und Kontrollorganen vertreten sind: Diese sollten nicht nur über die notwendige persönliche und fachliche Kompetenz verfügen, sondern auch persönlich unabhängig sein, damit Interessens- und Rollenkonflikte vermieden werden können.
- Die Kommunikationsaktivitäten, durch welche die Transparenz erhöht und die Unsicherheit bei den Anspruchsgruppen reduziert werden sollen: Die Offenlegung wichtiger Aktivitäten und Entscheidungen (teilweise erzwungen durch Publizitäts- und Offenlegungspflichten) erlaubt die Kontrolle der Unternehmensführung und kann das Vertrauen der Bezugsgruppen erhöhen.
6. Literaturhinweise
-
- Böckli, P. (1999): Corporate Governance: Der Stand der Dinge nach den Berichten “Hanpel“, Viénot“ und OECD sowie nach dem deutschen „KonTraG“, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 71 (1999), 1-16.
- Bustamante, Silke (2013): Corporate Governance: Integraler Bestandteil der Unternehmensverantwortung?”, in: Corporate Governance im Mittelstand, Essen
- Hommelhoff, P./Hopt, K. J./v. Werder, A. (Hrsg.): Handbuch Corporate Governance 2. Auflage, Köln-Stuttgart, 2009
- Haese, D. (2011): Unternehmensleitung und Überwachung in der GmbH im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftereigenverantwortung und externer Regulierung, Nomos, Baden-Baden.
- Kester, W. C. (1992): Industrial Groups as Systems of Contractual Governance, Oxford Review of Economic Policy, 8,3, 24-44.
- Mayer, Colin (1997): Corporate Governance, Competition and Performance, in: Journal of Law and Society, 24 (1), 152 – 176.
- Shleifer A., Vishny R. (1989), “Management Entrenchment: The Case of Manager Specific Investments”, in: Journal of Financial Economics, vol. 25, no. 1, pp. 123-139.
- v. Werder (2008): Führungsorganisation: Grundlagen der Corporate Governance, Spitzen- und Leitungsorganisation, Wiesbaden, Gabler.
- v. Werder (o. J.): „Corporate Governance“, in: Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Corporate Governance, online im Internet:
wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55268/corporate-governance-v7.html, abgerufen am 15.4.2013 - Wentges, P. (2002): Corporate Governance und Stakeholder-Ansatz, Wiesbaden, Gabler.
- Witt, Peter (2002): Grundprobleme der Corporate Governance und international unterschiedliche Lösungsansätz, in: Nippa, Michael / Petzold, Kerstin & Kürsten, Wolfgang (Hrsg.), Corporate Governance. Herausforderungen und Lösungsansätze, Heidelberg, 39-72.
7. Links
- Corporate Governance – Definition Gabler Lexikon
- Regierungskommission Deutscher Corporate Goverance Kodex
- European Corporate Governance Forum der Europäischen Kommission
- Global Corporate Governance Forum
- Governance Kodex für Familienunternehmen
- Europäische Kommission: Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen
- European Corporate Governance Institute (ECGI)
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