Autor des Beitrags: Dr. Olaf Mußmann, Dr. Mußmann & Partner Personal- und Organisationsentwicklung
Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist eine Initiative, die vor allem europäischen, aber auch internationalen Handelsunternehmen und –vereinigungen offen steht. Mit ihrer freiwilligen Mitgliedschaft verfolgen die teilnehmenden Unternehmen und Organisationen das Ziel, eine bessere Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und der Verbesserung der sozialen Standards in der globalen Wertschöpfungskette zu erreichen. Die Mitgliedsunternehmen haben sich auf einen definierten Verhaltenskodex verpflichtet, dessen Einhaltung sie im Rahmen regelmäßiger Audits extern überprüfen lassen.
1. Hintergrund und Entstehungsgeschichte
Im Jahr 2003 gründete die Foreign Trade Association (FTA) die Business Social Compliance Initiative. Die FTA ist die Interessensorganisation des Einzelhandels, der Importeure, Markenhersteller und nationalen Handelsverbände. Mit seiner Initiative reagierte der Verband auf eine veränderte Sicht der Verbraucher, welche mehr Transparenz hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den internationalen Lieferketten einforderten.
Im gesellschaftlichen Wertewandel fragten immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher nach der gesellschaftlichen Verantwortung der global agierenden Handelsunternehmen. Zunehmend geriet dabei in den öffentlichen Fokus, dass in zahlreichen Produktionsländern selbst grundlegende Arbeitnehmerrechte nicht eingehalten werden: Hierzu zählen nach den Definitionen der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und der Vereinigten Nationen (UN) Kinderarbeit, Diskriminierung, Korruption, Unterbezahlung, überlange Arbeitszeiten, ungesunde Arbeitsplätze, Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und andere Verstöße gegen die Menschenrechte. Zunehmend setzte sich eine Sichtweise durch, derzufolge es nicht alleine Sache der nationalen und internationalen Politik sei, für Verbesserungen zu sorgen. In den Blick der Öffentlichkeit geriet zunehmend, dass auch die Wirtschaft über beträchtliche Marktmacht und damit über Einfluss auf Arbeitsbedingungen verfügt. Diese veränderte öffentlichen Wahrnehmung und Kritik hatte Einfluss auf den Einzelhandel. Er erkannte ein neues Imagerisiko, wenn Einzelhändler für Missstände verantwortlich gemacht werden, die den Lieferanten der von ihnen verkauften Produkte nachgewiesen wurden.
Aus Gründen der Imagerisiko-Begrenzung, aber auch aus humanitären Motiven waren viele Unternehmen bereit, mit ihren Möglichkeiten zur Verbesserung der Verhältnisse beizutragen und ihre Marktmacht gegenüber ihren Lieferanten einzusetzen. Als problematisch erwies sich hier allerdings die Komplexität in der Lieferkette, die Vielfältigkeit der Sortimente, die Vielzahl der Lieferanten und Sublieferanten, ein sehr dynamisches Beschaffungssystem mit teilweise kurzfristigen und saisonalen Geschäftsbeziehungen sowie das Aufkommen neuer Beschaffungsformen mit Internetauktionen und internationalen Beschaffungskooperationen. Der FTA ging es nun darum, die Marktmacht des Einzelhandels so zu bündeln, dass einkaufende Unternehmen Einfluss auf ihre Lieferanten nehmen und eine langfristige Verbesserung bei den Sozialstandards herbeiführen können.
Hierzu definierte die FTA unter dem Dach der BSCI einen Verhaltenskodex und erarbeitete ein Auditverfahren, um die Einhaltung zu überprüfen. Für die Unternehmen bedeutet dies Gewinne bei Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Weiter verpflichtete die BSCI die Mitgliedsunternehmen darauf, auch von ihren Lieferanten die Einhaltung sozialer Mindeststandards zu fordern. Dies erzeugt eine allmähliche Durchdringung in der Lieferkette und steigert den Bekanntheitsgrad der BSCI.
2. Inhalte
Grundlage der BASCI ist ein auf den Internationalen Arbeitsnormen basierender Verhaltenskodex. Er verpflichtet die Unternehmen zur Einhaltung ethischer Standards in ihrer Managementpraxis, bei Dokumentationen, Arbeitszeiten, Vergütungen, Vermeidung von Kinderarbeit und Zwangsarbeit, zur Versammlungs- Organisation- und Tariffreiheit, zur Vermeidung von Diskriminierung, zur Einhaltung guter, sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu Gesundheits- und Sozialeinrichtungen sowie zu Bemühungen um den Umweltschutz.
Die Einhaltung dieses Verhaltenskodexes wird mit Audits der Produktionsstätten und Betriebe überprüft. Entsprechen die vorgefundenen Bedingungen nicht den Anforderungen, so ist nachzubessern. Parallel dazu werden von den Unternehmen Anstrengungen zur Aufklärung und Schulung zu den BSCI-Anforderungen innerhalb der Unternehmen und in den Lieferantenbetrieben erwartet. Eine weitere Anforderung sind Bemühungen um einen Dialog mit betroffenen Interessengruppen sowie mit Regierungsorganisationen um die Verbesserung der Rahmenbedingungen einer fairen Produktion erwartet.
3. Umsetzung
Unternehmen, die sich der BSCI anschließen möchten, haben die Wahl zwischen zwei Formen der Mitgliedschaft: Reguläre Mitglieder können auditierte Handels- und Herstellerunternehmen werden, die sich ihrerseits aktiv an der Lieferantenauditierung und an der Integration von Lieferanten in die BSCI beteiligen. Assoziierte Mitglieder sind am BSCI-Prozess interessiert, aber beteiligen sich nicht aktiv daran. Bedingung für eine Mitgliedschaft ist ein jährlicher Mindestumsatz von 500.000,- Euro. Mitglieder unterzeichnen des Verhaltenskodex, entrichten ihre Mitgliedsgebühren und verpflichten sich zur Überprüfung Ihrer Lieferanten. Außerdem tragen Sie ihre Produktionseinheiten in die BSCI-Datenbank ein.
Voraussetzung für eine Auditierung ist die Anerkennung des Verhaltenskodex der BSCI (Code of Conduct). Der erste Schritt besteht in einer Selbst-Bewertung, die gegebenenfalls mit Beraterunterstützung durchgeführt wird. Es folgt das Audit. Ergeben sich hier Abweichungen von den BSCI-Anforderungen, so sind Korrekturen und entsprechende Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Der Auditierungsprozess erfolgt durch unabhängige zertifizierte Prüforganisationen. BSCI-Zertifikate sind drei Jahre lang gültig und sind anschließend durch ein Re-Audit zu erneuern.
Die interne Organisation der Initiative besteht aus der Mitgliederversammlung, verschiedenen Ausschüssen, dem Supervisory Bord sowie dem Stakeholder Board, über welches der externe Dialog mit den Interessensorganisationen organisiert wird.
Neben dem besseren Risikomanagement, Imagegewinnen und positiven Effekten im Marketing bietet die Teilnahme an der BSCI weitere Vorteile. Die BSCI unterstützt dabei, den Dialog mit kritischen Stakeholdern aus Politik, Gesellschaft und Gewerkschaften besser und effizienter zu gestalten. Intern erhalten die Unternehmen ein glaubwürdiges und transparentes, international anerkanntes Monitoring System für die Umsetzung sozial- und ethikgerechter Beschaffungsrichtlinien. Mit den Audit-Kriterien stellt die BSCI ein umsetzbares System bereit. Mitgliedsunternehmen haben Zugriff auf eine Datenbank, die teure Mehrfach-Audits in den Produzentenländern zu vermeiden hilft. Die gemeinsame Plattform verbessert die Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten durch größere Beschaffungsvolumen und schafft durch ein gemeinsames und standardisiertes Auditsystem eine vereinfachte und schnelle Umsetzung vor Ort bei den Lieferanten. Dies macht die BSCI ebenso zu einem Instrument der Risiko-Absicherung wie auch zu einem Beitrag zur Wertschöpfung.
Auf gesellschaftlicher Ebene ist mit der BSCI ein Instrument entstanden, welches die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern weiter in den öffentlichen Fokus rückt und damit positive Veränderungen einleitet. Zahlreiche Unternehmen setzen Ihre Mitgliedschaft in der BSCI inzwischen in ihrem Marketing ein. Als Organisation beteiligt sich die BSCI oft gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern an der Ausrichtung von Informationsveranstaltungen zum Thema und übt politischen Einfluss auch in den Produktionsländern aus. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen üben jedoch Kritik an der BSCI. Diese bezieht sich zunächst auf die Freiwilligkeit der Teilnahme. Die Vorgaben bleiben für die Branche unverbindlich, und die Audits werden innerhalb der Branche beauftragt. Der Blick von außen, etwa durch externe Nichtregierungsorganisationen, bleibe unberücksichtigt. Weiter wird kritisiert, dass nicht die gesamte Lieferkette betrachtet wird, sondern lediglich die direkten Lieferanten. Argumentiert wird, dass gerade Sublieferanten, auf welche die Einflussmöglichkeiten von Einkäufern allerdings gering sind, zuweilen gravierende Arbeitsrechtsverletzungen begingen. Weiter werden zu geringe Anforderungen in Hinblick auf die geforderte Lohnhöhe und mangelnde Offenlegung der Auditergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit und den Nichtregierungsorganisationen bemängelt. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die häufig geübte Praxis einer zugvorigen Anmeldung von Audit-Kontrollen. Zulieferer erhielten so die Möglichkeit, Missstände zu verbergen. Nicht zuletzt wird kritisiert, dass die BSCI neben dem Ausschluss von Firmen aus der Initiative kaum über Sanktionsmöglichkeiten verfügt, um auf erkannten Verstößen gegen die BCSI-Anforderungen reagieren zu können.
4. Links