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Kompetenzzentrum für nachhaltigen Konsum eröffnet

Wie lässt sich nachhaltiger Konsum umsetzen und verbreiten? Eine Frage mit der sich die Bundesregierung schon in ihrem nationalen Programm für nachhaltigen Konsum beschäftigt hat. Jetzt wurde das Nationale Kompetenzzentrum für nachhaltigen Konsum eröffnet, um das Programm zu koordinieren und umzusetzen.

Berlin (csr-news) > Ob dies gelingen kann, daran haben zahlreiche Wissenschaftler ihre Zweifel. Sie fordern konsequentes Handeln und das bedeutet effektive Maßnahmen und ein angemessenes Budget. „Nachhaltiger Konsum ist leider oft ein unbequemes Thema. Weil es eingeübte Routinen und Konsummuster in Frage stellt. Und sich oft gegen den Mainstream in unserer Gesellschaft richtet“, sagte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes bei der Eröffnung des Kompetenzzentrums. In ihrem Haus ist das Kompetenzzentrum angesiedelt – noch mit knapper Personalausstattung. Die Aufgabe ist klar und doch gewaltig: Nachhaltiger Konsum soll in Deutschland auf eine breite Basis gestellt werden. Das fordert das gleichnamige nationale Programm, die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und nicht zuletzt die Sustainable Development Goals. Noch ist unser Konsumverhalten weit vom Ziel der Nachhaltigkeit entfernt. Die Gründe sind unterschiedlich und reichen von Ignoranz über fehlende Informationen bis hin zum fehlenden Angebot. Es sind immer nur relativ kleine Gruppen die ihr Konsumverhalten hinterfragen und anpassen. Bildung und Information scheinen notwendige Schritte zu sein, die zwar ankommen, am Verhalten der breiten Masse aber zu keinen Veränderungen führen. „Wir brauchen eine wirklich breite Basis, um Veränderungen in der Gesellschaft und im Markt zu erreichen“, so Krautzberger. Und das bedeute auch über Verzicht zu sprechen: „Suffizienz muss Bestandteil der Überlegungen zu einem wirklich nachhaltigen Konsum bleiben – oder besser gesagt werden.“

 

#Nachhaltiger #Konsum ist längst nicht nur ein nationales Thema. Wir brauchen Europa, um notwendige Veränderungen zu erreichen. #knk17

— Maria Krautzberger (@MKrautzberger) 23. März 2017

 

Genau die soll durch das Kompetenzzentrum geschaffen werden. Das Kompetenzzentrum versteht sich dabei als ein zentraler Ansprechpartner für Institutionen und Initiativen, die nachhaltigen Konsum in Deutschland weiter voranbringen wollen. Ihr Handeln soll sichtbarer werden und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Aber auch der gesellschaftliche Dialog über Zukunftsperspektiven einer nachhaltigen Lebensweise in Deutschland soll intensiviert werden. „Wir benötigen ein Bündnis aller relevanten Akteure, damit der notwendige Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit gelingen kann“, so Dietmar Horn, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium.

 

#knk17 PR-Sprech: Verzicht nicht beim Namen nennen? „Besser“ Konsumieren? Konsum = identitätsstiftend? …? Schwer erträgliche Statements!

— Alexandra Perschau (@AlexPerschau_gp) March 23, 2017

 

„Umweltunfreundliche Produkte müssen den wahren Preis tragen“, sagte Johannes Dohm vom Hersteller von Babynahrung Hipp und beschrieb damit eine der zentralen Herausforderungen. Nachhaltiger Konsum kann nur gelingen, wenn die Produkte auch nachhaltig sind. Doch die tatsächlichen Kosten die mit der Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Produkts entstehen, fallen unter den Tisch, werden externalisiert. Krautzberger sprach vom zweiten Preisschild, so wie es Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für bestimmte Produkte schon vorgeschlagen hatte. Wüssten die Verbraucher von den Auswirkungen auf Umwelt und Klima, von Produktionsbedingungen und Ressourceneinsatz, dann würden sie anders konsumieren, so die These dahinter.

Es reiche nicht tolle Reden zu schwingen, sagt Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherpolitik bei der Bundestagsfraktion der Grünen. „Nötig sind effektive Maßnahmen mit konkreten Finanzierungszusagen und ehrgeizigen Zielen. Doch Fehlanzeige – die gibt es nicht im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum.“ Damit beschreibt sie die Kritik, die zahlreiche Wissenschaftler, unter Federführung von Prof. Ulf Schrader von der TU Berlin, im Vorfeld in einem offenen Brief formuliert hatten. Dabei teilen die Wissenschaftler ausdrücklich das formulierte Ziel des nationalen Programms für nachhaltigen Konsum. „Wir teilen das im Programm formulierte Ziel, einen Konsum zu fördern, der „die Bedürfnisbefriedigung heutiger und zukünftiger Generationen unter Beachtung der Belastbarkeitsgrenzen der Erde nicht gefährdet“, schreiben sie in ihrem Brief. Auch das im Programm formulierte Prinzip der geteilten Verantwortung erkennen sie an. Ihre Kritik richte sich deshalb weniger an die im Programm genannten Punkte, als vielmehr an die Auslassung wesentlicher Punkte. Konkret meinen sie die fehlende oder unzureichende Benennung der relevanten Problem- und Handlungsfelder, die Formulierung geeigneter Maßnahmen und die budgetäre Ausstattung des Programms. Beispielsweise würde das bedeutende Thema tierische Lebensmittel im Programm weitestgehend vernachlässigt. Besonders auffällig sei aber der Umgang mit dem Thema Suffizienz, also dem Konsumverzicht. Dieser würde nur im Zusammenhang mit den Handlungsfeldern Forschung und Bildung vorsichtig angesprochen, letztlich sei aber der Grundtenor: „Art und Ausmaß der Konsumnachfrage in Deutschland sind in Ordnung, es kommt nur auf deren möglichst umwelt- und sozialverträgliche Befriedigung an.“ Dabei müsste ein verändertes Konsumverhalten deutlicher herausgestellt werden, so die Forderung der Wissenschaftler.

 

„Umweltunfreundliche Produkte müssen den wahren Preis tragen“

Ja, Johannes Dohms #HiPP Steuer- und Abgabenordnung. Ja! #wahrePreise #knk17

— UnternehmensGrün (@UnternehmensGRU) March 23, 2017

 

Das im nationalen Programm hauptsächlich auf Information und Bildung gesetzt werde, ist nach Ansicht der Wissenschaftler nicht zielführend. Zwar seien derartige Maßnahmen notwendig, die Forschung hätte aber hinreichend gezeigt, dass dies nicht ausreiche um ein verändertes Konsumverhalten in der Breite zu erreichen. „Erforderlich ist ein intelligenter Mix verschiedener Instrumente, zu denen neben „weichen“, primär kommunikativen Maßnahmen auch „harte“ ökonomische und ordnungsrechtliche Maßnahmen gehören“, schreiben sie. Vielmehr würden die aktuellen Rahmenbedingungen ein nicht-nachhaltiges Konsumverhalten begünstigen. Das nationale Programm würde das bedeutende Thema der externen Kosten weitestgehend ignorieren. Kritik äußern die Wissenschaftler auch am fehlenden Finanzierungskonzept: „Zur Frage, wie die zahlreichen vorgeschlagenen Maßnahmen finanziert werden sollen, findet sich im Programm letztlich keine Antwort.“ Für die in Ansätzen genannten Finanzierungsmodelle für einzelne Maßnahmen, beispielsweise der Materialkompass der Verbraucherverbände, sei nach dem ersten Jahr des Programms keine Finanzierung sichergestellt. „Ein Programm, das Konsum wirklich nachhaltiger machen will, wird sich aber nicht nur mit gutem Willen, sondern nur mit einem angemessenen Budget realisieren lassen.“

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