Düsseldorf (csr-news) > Das geplante Gesetz, das deutsche Unternehmen zu einer transparenteren Berichterstattung über Arbeitsbedingungen, Umweltbilanz oder Korruptionsbekämpfung verpflichten soll, die sogenannte CSR-Richtlinie, greift entschieden zu kurz. Prof. Walter Bayer, Juraprofessor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und sein Mitarbeiter Thomas Hoffmann haben im Rahmen einer Studie untersucht, wo das geplante Gesetz greifen würde. Sie stoßen auf große Lücken: Lediglich 536 Unternehmen wären von den höheren Transparenzanforderungen erfasst. Das wäre nur ein Bruchteil der mehreren Tausend größeren Unternehmen in Deutschland.
Unter den 536 Firmen sind allein 258 nicht-kapitalmarktorientierte Kreditinstitute und Versicherungen, dies insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Nicht einbezogen wären dagegen „weite Teile des deutschen Mittelstands, aber auch größte Unternehmen, soweit sie die Möglichkeiten des organisierten Kapitalmarkts nicht nutzen“, konstatieren Bayer und Hoffmann. Hintergrund: Laut Regierungsentwurf soll das Gesetz nur für Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten gelten, die „kapitalmarktorientiert“ sind. Breiter erfasst sind lediglich Banken und Versicherungen, die in jedem Fall berichten müssen. Besonders bedenklich finden Bayer und Hoffmann jene, nicht unter das geplante Gesetz fallende Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Rechtsform besonders zugeknöpft geben können und sich zum Teil durch juristische Kniffe auch der Arbeitnehmermitbestimmung entziehen. Solche Praktiken bringen nach Studien der Hans-Böckler-Stiftung mittlerweile mehr als 800.000 Beschäftigte in Deutschland um Mitbestimmungsrechte, rund die Hälfte davon im Einzelhandel.
Gesetz läuft in seiner geplanten Form häufig ins Leere
Die meisten der betreffenden Unternehmen wären auch den neuen Transparenzpflichten entzogen, zeigt Bayers und Hoffmanns Analyse. Das gilt etwa für den Einsatz von Familienstiftungen, wie ihn Aldi Nord und Süd oder Lidl praktizieren. Auch bei den Unternehmen, die in der exotischen und mitbestimmungsvermeidenden Rechtsform einer „Auslandskapitalgesellschaft und Co KG“ firmieren, läuft das Gesetz in seiner geplanten Form häufig ins Leere. So müssten die großen Entsorger ALBA Group plc & Co. KG und Rethmann SE & Co. KG ebenso wenig berichten wie die Textilkette Esprit. Rund 80 Prozent der rund 50 deutschen Unternehmen, die mitbestimmt wären, wenn sie nicht vorher in eine Europäische Aktiengesellschaft umfirmiert hätten, fallen ebenfalls nicht unter die neuen Transparenzregeln. Das gilt etwa für den Schuhhändler Deichmann SE oder die Hansgrohe SE.
„Solche Transparenzverweigerer dürfen auch nach dem neuen Gesetz ihre Geheimwirtschaft gegenüber Kunden, Mitarbeitern und der gesamten Gesellschaft weiter betreiben“, kritisieren Norbert Kluge und Sebastian Sick, Corporate-Governance-Experten der Hans-Böckler-Stiftung. Werde der Entwurf nicht substanziell geändert, „vertut die Bundesregierung eine Chance, neue Impulse für eine nachhaltige Unternehmensführung zu setzen. Das Gesetz bleibt dann weitgehend wirkungslos“, warnen Kluge und Sick. Rechtlicher Spielraum für eine weitergehende Umsetzung besteht durchaus, wie ein Gutachten zeigt: Insbesondere was Beschäftigungsstandards angeht, seien detaillierte Berichtspflichten durchaus verhältnismäßig, schreiben darin die Rechtswissenschaftler Prof. Alexander Roßnagel und Prof. Anja Hentschel von der Universität Kassel.