Würzburg (csr-news) > Manche Menschen mit geistiger Behinderung streben eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Sie sind dann Hilfskräfte auf dem Bau oder in Gärtnereien, sie assistieren bei der Pflege alter Menschen, sie arbeiten im Einzelhandel oder im Verkauf. Wie eine neue Studie der Universität Würzburg zeigt, kommen sie dabei sehr gut zurecht.
Auf dem Weg ins Berufsleben werden die Menschen mit geistiger Behinderung oft von Integrationsfachdiensten unterstützt, die gleichzeitig auch den Arbeitgebern beratend zur Seite stehen. Was aber passiert nach einem gelungenen Einstieg in den Beruf? „Teilweise wird befürchtet, dass die Beschäftigungsverhältnisse dann nicht mehr lange Bestand haben oder dass die Personen sozial isoliert werden“, sagt Erhard Fischer, Professor an der Universität Würzburg. Doch in einem dreijährigen Forschungsprojekt konnte Fischer belegen, dass sich diese Befürchtungen häufig nicht bewahrheiten.
Stabile Arbeitsverhältnisse sind die Regel
„Die Arbeitsverhältnisse sind in der Regel sehr stabil, wenn das Anforderungsprofil der Stelle zum Leistungsvermögen des Beschäftigten passt“, sagt Tina Molnár-Gebert, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Projekt beteiligt. Beispielsweise seien ein halbes Jahr nach der Vermittlung über die bayerische Fördermaßnahme „Übergang Förderschule-Beruf“ mehr als 80 Prozent der Arbeitnehmer noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Und oft dauere die Stabilität noch länger. Eine Befragung von 107 Betroffenen aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen zeigte, dass ein Drittel davon schon länger als fünf Jahre auf derselben Arbeitsstelle ist. Das sind beeindruckende Zahlen – „besonders wenn man bedenkt, dass noch vor wenigen Jahren die Überzeugung vorherrschte, Menschen mit geistiger Behinderung könnten nur in der geschützten Umgebung spezieller Werkstätten arbeiten“, so Fischer.
Beschäftigte sind am Arbeitsplatz zufrieden
Wie die Betroffenen selbst ihre Situation einschätzen? Das haben die Würzburger Sonderpädagogen ebenfalls mit Fragebögen und Interviews ergründet. „Die Leute empfinden ihre Lebenssituation überwiegend als gut“, fasst Fischers Mitarbeiterin, Christina Kießling zusammen. „Sie fühlen sich an der Arbeitsstelle als gleichberechtigte Kollegen akzeptiert und sind zum Teil sehr stolz auf ihre Leistungsfähigkeit.“ Dazu komme eine hohe Motivation, die sich zum Beispiel am sehr niedrigen Krankenstand zeigt und an der Bereitschaft, für Kollegen einzuspringen.
Fazit des Forschungsteams
In Deutschland bekommt die Inklusion einen immer höheren Stellenwert, Kinder mit und ohne Behinderungen werden zunehmend gemeinsam in Regelschulen unterrichtet. „Nicht jeder junge Mensch mit geistiger Behinderung, der eine inklusive Schullaufbahn hinter sich hat, wird danach in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten wollen, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“, ist sich das Team aus der Sonderpädagogik sicher. Dass dieses Ziel erreichbar ist, zeigt die Studie ganz klar. Insofern sind die Ergebnisse sehr ermutigend – für die Schulabgänger ebenso wie für ihre Familien und für potenzielle Arbeitgeber. Die Studie wird am 17. September offiziell vorgestellt und ist voraussichtlich ab 2016 auch als Buch erhältlich.