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Müll im Meer – Publikation zum Stand der Forschung

Bremerhaven (csr-news) > Synthetische Polymere, die allgemein als Kunststoffe bekannt sind, haben sich zu einem ernsthaften und dauerhaften Problem der Meeresumwelt, als größer Lebensraum der Erde, entwickelt. Erste Berichte hat es bereits in den 1970er Jahren gegeben und seitdem ist der Plastikmüll in den Meeren, weiter gestiegen und auch toxische Verbindungen wie etwa Weichmacher haben zu einer zunehmenden Verunreinigung geführt. Ein Ende scheint nicht in Sicht, denn Kunststoffe haben ihren festen Platz in unserer heutigen Warenwelt. Entsprechend hoch ist die Notwendigkeit die Auswirkungen zu erforschen und Lösungen zu entwickeln. Meeresforscher haben nun den Stand der Wissenschaft zusammengetragen und veröffentlicht.

Melanie Bergmann und Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie Michael Klages vom Sven Lovén Centre for Marine Sciences der Universität Göteborg haben dafür Experten aus aller Welt zusammengebracht. Abschätzungen von Mülleinträgen in die Weltmeere, deren Verteilung und die Auswirkungen auf Mensch und Tier sowie Vermeidungsstrategien sind einige der vielschichtigen Themen, die die Herausgeber in 16 Beiträgen aufgreifen. „Es gibt bereits eine ganze Menge an Forschung über Müll im Meer. Seit der ‘Entdeckung’ der ozeanischen Müllwirbel und des Mikroplastiks hat das Thema noch mal an Fahrt aufgenommen. Umso deutlicher wurde uns, wie wenig über den Verbleib beziehungsweise die Verteilung in den Ozeanen bekannt ist“, sagt Melanie Bergmann. Die Biologin vom Alfred-Wegener-Institut erläutert: „Wir gehen davon aus, dass allein im Jahr 2010 zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Müll ins Meer gelangten.“ Es gebe jedoch eine große Diskrepanz zwischen diesen geschätzten Einträgen und den tatsächlichen Funden, die sich im Bereich von mehreren Größenordnungen abspielt.

Mikroplastik auch im arktischen Meer

Dies ist nicht ausschließlich durch den Zerfall von Kunststoffmüll zu Mikroplastik zu erklären. Ein großes Problem ist momentan, dass viele Studien nicht miteinander vergleichbar sind, weil die zugrundeliegenden Methoden zu unterschiedlich sind. Erste Forschungsergebnisse weisen aber darauf hin, dass die Tiefsee mit unerwartet hohen Müllmengen und Mikroplastik-Konzentrationen eine Senke darstellen könnte. Auch im arktischen Meereis fernab menschlicher Siedlungen wurden kürzlich unerwartet hohe Mengen an Mikroplastik gefunden. Viele Kunststoffe haben eine ähnliche Dichte wie Meerwasser, welche sich je nach Temperatur und Salzgehalt ändert. Ein großer Teil könnte also auch in der Wassersäule, also dem Wasserkörper zwischen Meeresoberfläche und -boden, umherdriften. „Und schließlich sollte nicht unterschätzt werden, wie viel von dem Abfall sich in den Meeresorganismen befinden könnte und mit ihnen verbreitet wird“, ergänzt AWI-Biologe Lars Gutow.

Folgen für Gesundheit noch unbekannt

Einige offensichtliche Auswirkungen von Müll im Meer sind bekannt, wie beispielsweise an Plastik verendete Seevögel sowie strangulierte Meeressäuger und Schildkröten. Bei anderen Auswirkungen, zum Beispiel auf die Bewohner des Meeresbodens oder bei der Weitergabe von Mikroplastik über das Nahrungsnetz, stützt sich die Forschung momentan in erster Linie noch auf Annahmen und schlüssige Indizienketten. Auch die potenziellen Folgen für die menschliche Gesundheit sind bisher weitgehend unbekannt, obwohl es sich um ein globales Umweltproblem handelt. „Wir versuchen Denkanstöße zu geben, wo Forschungsbedarf liegt“, erläutert Gutow. Er arbeitet beispielsweise daran, eine Gefährdungsmatrix für verschiedenste Organismentypen zu erstellen. Physiologen und Toxikologen könnten dann sowohl Tiere, die besonders sensibel auf Mikroplastik reagieren, als auch weniger beeinflusste Arten genauer unter die Lupe nehmen, um zu erforschen, warum sie unterschiedlich auf diese Kleinstpartikel reagieren.

Wachsende Kunststoffproduktion

Überraschend war für die Herausgeber auch die Fülle regulativer Initiativen weltweit, die sich dem Thema Müll im Meer widmen. Diese scheinen global gesehen jedoch keine Wirkung zu zeigen, denn der Anstieg von Müll im Meer scheint ungebremst voranzuschreiten. „Das verwundert nicht, denn auch die industrielle Kunststoffproduktion wächst und stieg beispielsweise zwischen den Jahren 2012 und 2013 um etwa vier Prozent auf 299 Millionen Tonnen an”, berichtet Melanie Bergmann. Im Buch finden sich aber auch positive Beispiele zur Müllvermeidung: „Einige weniger wohlhabende Länder wie Ruanda oder Somalia haben rigoros Plastiktüten verboten, die folglich auch nicht in die Umwelt gelangen können“, erläutert Melanie Bergmann. In Wales und Irland waren nach der Einführung einer Abgabe auf Plastiktüten deutlich weniger Plastiktüten im Umlauf, was sich auch in einer merklich geringeren Anzahl von Plastiktüten an irischen Stränden widerspiegelte. Solche Maßnahmen zeigen, dass Staaten durch gutes Müllmanagement auch mit wenig Geld wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen können.

Die Herausgeber wünschen sich für die Zukunft insgesamt einen verantwortungsbewussteren Umgang mit Kunststoffen. „Kunststoffe sollten wieder als wertvolle Ressource betrachtet und nicht sorglos beispielsweise in Einmal-Verpackungen eingesetzt werden, weil diese scheinbar am billigsten sind. Würden die Kosten von Umweltfolgen, Säuberungsaktionen und Unfällen in der Schifffahrt mit eingepreist, wären solche Produkte keinesfalls so preisgünstig und ein verantwortungsvollerer Umgang eine wünschenswerte Folge“, resümieren die Forscher.

Das Buch „Marine Anthropogenic Litter“ ist als Open Access Publikation frei im Internet verfügbar.

 


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