Berlin (csr-news) > „Was für einzelne profitabel ist, das sollte für alle anderen nicht schädlich sein“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Herbst beim Auftakt zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte. Mit diesem sollen die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte auch für deutsche Unternehmen Anwendung finden. Auf der 2. Plenumsveranstaltung in der vergangenen Woche wurde über den aktuellen Bearbeitungsstand informiert. Klar ist, noch in dieser Legislaturperiode soll der Aktionsplan vom Bundeskabinett verabschiedet werden.
Bei der 2. Plenumskonferenz im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben über 150 Stakeholder die Gelegenheit genutzt, sich über den aktuellen Erarbeitungsstand zu informieren und Impulse für den weiteren Prozess einzubringen. Ziel der Veranstaltung war es, den Stand der Umsetzung und den Prozess hin zur Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und NGOs zu diskutieren und mit wesentlichen Stakeholdern voranzubringen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat ein sogenanntes „National Baseline Assessment“ (NBA) erstellt und auf der Veranstaltung vorgestellt. Es ist ein Basisdokument zum Status Quo in Deutschland und enthält auch Handlungsempfehlungen. Staatssekretär Jörg Asmussen (BMAS) hob in seiner Begrüßung die Bedeutung der UN-Leitprinzipien „als erstes internationales Rahmenwerk, das sowohl die staatliche als auch unternehmerische Verantwortung für den Schutz und die Achtung der Menschenrechte so präzise wie nie zuvor beschreibt,“ hervor. Ein guter Umsetzungsprozess biete Deutschland erhebliche Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten, um international gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Erst wenige Grundsatzerklärungen
Methodisch orientierte sich die Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NBA) an den Vorgaben der UN-Arbeitsgruppe zu Wirtschaft und Menschenrechten und befasst sich mit allen 31 UN-Leitprinzipien. Neben staatlichen Maßnahmen kommt der Verantwortung von Unternehmen eine große Bedeutung zu. Die Leitprinzipien beschreiben, was von Unternehmen erwartet werden kann und wie Unternehmen diese Erwartungen umsetzen können. Sie haben die Verantwortung, nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen zu ermitteln, zu verhüten, zu mildern und darüber Rechenschaft abzulegen. Tatsächlich, so heißt es in dem Papier, haben deutsche Unternehmen bereits mit vielfältigen Aktivitäten auf diese Verantwortung reagiert, gleichwohl gibt es noch viel zu tun. Rund 900.000 Unternehmen sind im Ausland aktiv, davon ein gutes Drittel auch außerhalb der Europäischen Union. Die UN-Leitprinzipien haben allerdings erst wenige Unternehmen angewendet bzw. umgesetzt. Von den DAX30-Konzernen haben erst sieben eine den Leitlinien entsprechende Grundsatzerklärung erarbeitet, einige mehr versuchen allerdings bereits die Menschenrechtsfolgen ihrer unternehmerischen Tätigkeit abzuschätzen. Aber auch im Mittelstand gibt es erheblichen Nachholbedarf. Von den Unternehmen, die sich dem Global Compact verpflichtet haben, würde bislang nur wenige eine regelmäßige Risikoabschätzung für Menschenrechte durchführen. Für die weitere Ausformulierung des NBA ist die Frage nach staatlichen Regularien zentral. Wo kann oder muss der Staat eingreifen und wo kommen Unternehmen auch ohne staatliche Eingriffe ihrer Verantwortung nach, und zwar unabhängig von Fragen der Haftung und Rechtsdurchsetzung.
Vorbild Frankreich
Im Vorfeld der Konferenz hatten sich bereits die Entwicklungsorganisationen Germanwatch und Misereor zu Wort gemeldet und ambitionierte Maßnahmen gefordert. „Wir brauchen dringend Regeln, die deutsche Unternehmen verbindlich zur Achtung der Menschenrechte im Ausland verpflichten“, sagt Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. „Der Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten, der unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Wirtschaftsverbände erarbeitet wird, bietet dazu eine gute Chance.“ In einer gemeinsamen Studie hatten Germanwatch und Misereor im vergangenen Jahr zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen deutschen Unternehmen eine direkte oder indirekte Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird. Und auch eine aktuelle Studie, der Maastricht University unterstreicht, den dringenden Handlungsbedarf. Von den dort ausgewerteten 1.800 Menschenrechtsbeschwerden betreffen 87 auch deutsche Unternehmen. Die Organisationen verwiesen auf die Debatte in Frankreich. Dort hat die französische Nationalversammlung vor wenigen Wochen in erster Lesung dafür gestimmt, große Unternehmen mit Sitz in Frankreich zu einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte und Umwelt zu verpflichten. Geldbußen bis zu 10 Millionen Euro oder eine zivilrechtliche Haftung für die Verletzung der Vorsorgepflicht sind vorgesehen. Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. „Doch die bisherigen Erfahrungen zeigen: Freiwillige Maßnahmen von Vorreitern unter den Unternehmen sind wichtig, sie verhindern aber nicht das unverantwortliche Verhalten schwarzer Schafe. Dazu bedarf es präventiver Anreize und Vorgaben, damit alle Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen.“
Dokumente zum Thema:
- National Baseline Assessment: Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
- Germanwatch-Studie „Globales Wirtschaften und Menschenrechte – Deutschland auf dem Prüfstand“
- Universität Maastricht “Company Responses to Human Rights Reports: An Empirical Analysis”
- Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: Umsetzung des Rahmens der Vereinten Nationen