Bonn (csr-news) > Kleine landwirtschaftliche Betriebe produzieren einen großen Teil der weltweit angebotenen Agrarprodukte. Dabei müssen sie immer höhere Anforderungen erfüllen, damit ihre Produkte auch nachgefragt werden. Denn längst müssen sie neben der eigenen Existenz auch die hohen Nachhaltigkeitsanforderungen der Lebensmittelkonzerne erfüllen. Dabei sind sie kaum dazu in der Lage, ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig zu produzieren. Zertifizierungsorganisationen sollen das ändern. Ob sie dazu in der Lage sind und welche Herausforderungen dabei bestehen, hat Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut in einem Positionspapier analysiert.
„Evaluierungen zeigen, dass standardsetzende Organisationen zwar eine wichtige Rolle auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit spielen, jedoch nur einen Teil der erforderlichen Veränderungen in Gang setzen können“, schreibt Hütz-Adams in seinem „Positionspapier über die Herausforderungen und Lücken von Zertifizierungsansätzen“. Hütz-Adams betrachtet darin die Theorys of Change, wie sie von Fairtrade, UTZ Certified und der Rainforest Alliance vertreten werden, und vergleicht diese mit den Ansätzen der Initiative Sustaineo, die ihn mit der Arbeit beauftragt hatten. Die Theory of Change ist ein Werkzeug aus der Entwicklungszusammenarbeit für einen Prozess, an dessen Ende ein beabsichtigtes Ergebnis stehen soll. Bei der Organisation Faitrade ist dieses Ergebnis ein veränderter, fairer Markt, mit fairen und nachhaltigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der beteiligten Produzenten. Dafür setzt Fairtrade auf die Einhaltung von Standards, belohnt diese mit fairen, weltmarktunabhängigen Preisen und schafft aufseiten der Konsumenten das notwendige Bewusstsein. Damit die kleinbäuerlichen Betriebe auch in die Lage versetzt werden, die Standards einzuhalten werden sie beispielsweise in entsprechenden Agrarpraktiken ausgebildet. Am Ende sollen bessere, nachhaltig hergestellte Agrarprodukte und verbesserte Einkommens- und Lebensbedingungen stehen. Die Theory of Change bei UTZ Certified ist es, Bauern auf dem Weg zu besseren Unternehmern zu unterstützen. Die Einführung der Standards und die Zertifizierungen sollen diese Verbesserungen sichtbar machen, verbunden mit einer transparenten Kommunikation auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Auch bei UTZ setzt man dabei unter anderem auf entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dadurch sollen die Bauern in die Lage versetzt werden, nachhaltige Qualität zu liefern und durch die damit zu erzielenden höheren Preise auch ihren Lebensstandard zu erhöhen. Um die Einhaltung der Standards nachweisen zu können, werden regelmäßige Audits durchgeführt. Der erwünschte Effekt ist, dass die Landwirte gute Agrarpraktiken umsetzen und ihre Farmen langfristig profitabel im Einklang mit der Natur managen. Gleichzeitig sollen Industrie und Konsumenten diesen Ansatz unterstützen. Die Rainforest Alliance hat sich die Verbesserung des Umweltschutzes zum Ziel gesetzt. Sie setzt auf die Umsetzung der Kriterien des SAN (Sustainable Agriculture Network). SAN stellte Standards auf, nach denen in ökologisch sensiblen Waldgebieten gewirtschaftet werden soll. Dies wird durch ein Kontrollsystem überprüft und mit einem Siegel bescheinigt. Auch die Rainforest Alliance setzt auf Bildung und Aufklärung. Bauern werden in den notwendigen Praktiken zum Schutz der Umwelt, der Einhaltung sozialer Standards und der Achtung der Tiere ausgebildet. Industrie, Handel und Verbraucher werden über die Zusammenhänge aufgeklärt und sollen das System unterstützen.
Werden diese Ergebnisse den Leitlinien von Sustaineo gegenübergestellt, dann zeigen sich zahlreiche Übereinstimmungen, aber auch deutliche Unterschiede. Sustaineo ist eine 2011 gegründete Initiative der drei Unternehmer Michael Otto, Christian Jacobs und Michael R. Neumann. Sie setzen sich für mehr Nachhaltigkeit und Partnerschaft in der Entwicklungszusammenarbeit ein, für eine stärkere politische Koordination und für eine Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der Programme, Initiativen und Projekte. Allen Ansätzen gemein ist das Ziel, Kooperationen auf Augenhöhe zu schaffen und lokale Strukturen zu nutzen und diese auch zu stärken. Unterschiede zeigen sich beim Thema integrierte Förderansätze für Kinder, beim gegenseitigen Austausch und vor allem bei der Wirkungsmessung, die sich bei den Organisationen erst im Aufbau befindet. „Den standardsetzenden Organisationen sind die Lücken in den eigenen Vorgaben bewusst. Alle drei haben in den vergangenen Jahren ihre Anforderungen immer wieder verändert“, schreibt Hütz-Adams. Und sie beschäftigen sich auch mit dem Nachweis der Wirkung, denn wird diese nicht erkennbar sind Verbraucher aber auch Unternehmen enttäuscht und könnten sich von diesen wichtigen Ansätzen abwenden.
Deshalb nennt Hütz-Adams auch Empfehlungen, damit sich die guten Ansätze wirksam weiter entfalten können. So sei beispielsweise eine enge Zusammenarbeit zwischen den standardsetzenden Organisationen, Unternehmen, NGOs, Entwicklungszusammenarbeit und den Regierungen der Anbauländer erforderlich, um weitere Fortschritte zu erreichen. Dazu gehört auch eine gemeinsame Vision. Außerdem müssen über die einzelnen Projekte mehr und bessere Daten erfasst werden, um deren Wirksamkeit zu garantieren und bei Fehlentwicklungen frühzeitig gegensteuern zu können. Es geht aber auch um mehr Gemeinsamkeit bei den Standards, die vereinheitlicht werden sollten um mehr Transparenz zu schaffen und eine gegenseitige Anerkennung von Audits zu fördern. Aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit geht es am Ende ums liebe Geld. Wie die notwendigen Finanzmittel generiert werden könnten, um die notwendigen Investitionen in den Anbauregionen zu leisten, sei eine noch offene Frage, schreibt Hütz-Adams. Deshalb sollten die vorhandenen Modelle evaluiert und die erfolgsversprechenden zu einheitlich angewandten Methoden ausgebaut werden.