Frankfurt/Main (csr-news) – Die Globalisierung erfasst seit Jahren immer größere Teile der Welt. Internationale Investmentstrategien werden vereinheitlicht, neue Märkte und logistische Drehkreuze entstehen. Die sozialen Ausgangslagen der Volkswirtschaften unterscheiden sich jedoch und mit ihnen auch die Werte, auf deren Grundlage Unternehmen operieren. Mit CSR hat sich seit einigen Jahren ein unternehmensethischer Standard etabliert, der je nach Kultur, Branche und Unternehmen verschiedentlich umgesetzt wird. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zählen unter anderem die islamische Kultur- und Rechtsordnung, die tiefe Religiosität der Bevölkerung, sowie der Einfluss internationaler Konzerne zu den prägenden Kontextbedingungen von CSR. Vor diesem Hintergrund stellt sich die spannende Frage, wie es um die Umsetzung von CSR steht und wie die unternehmerischen Werte (Prinzipien) mit den religiösen Werten des Islam in Einklang gebracht werden.
Ein Gastbeitrag von René Rüth
Die nachfolgende Betrachtung verbindet aktuelle Forschungsliteratur und die gegenwärtige Entwicklung in der Praxis.
Globale Werte, lokale Verantwortung
Mit dem Konzept gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme durch Unternehmen, das von den USA ausgehend seit der Jahrtausendwende den Sprung von der Theorie in die Praxis geschafft hat, findet sich heute eine ethische Grundlegung unternehmerischen Handelns, die auch für Unternehmen aus den VAE attraktiv ist. Wie Unternehmen überall auf der Welt wollen auch sie Dank CSR ihre internationale Akzeptanz und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, ein enges Vertrauensverhältnis zu ihren Stakeholdern aufbauen und so starke und solidarische Wirtschaftsregionen etablieren. Was die explizit islamischen Unternehmen von den westlichen unterscheidet, ist indes die religiöse Prägung, die „islamisches CSR“ ihnen bietet.
Wie in allen Ländern findet der heutige CSR-Diskurs auch in der arabischen Welt auf zwei Ebenen statt: Auf einer konzeptuellen Ebene wird nach Anschlusspunkten zwischen den Idealen des CSR und den ethischen Fundamenten des Islam gesucht, der viel stärker als das Christentum beansprucht, sowohl das spirituelle als auch das wirtschaftliche und das politische Leben zu gestalten. Auf einer zweiten, umsetzungsorientierten Ebene findet teilweise in Überschneidung, teilweise ohne Bezug auf die Theorie eine CSR-Praxis in den Unternehmen statt. Beide Punkte sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
Muslimische Philanthropie und kontemporäres CSR Verständnis
Die Forschungsliteratur zur affirmativen Inbezugsetzung von CSR und islamischer Ethik ist zahlreich (Basah/Yusuf 2013, Mohammed 2013). Besonders herausgestellt werden dabei die stellvertretende Herrschaft der Menschen über die Erde im Namen Allahs (khalifah) und die Forderung nach Gerechtigkeit (adl), aufrichtigem Handeln (taqwa) und Mildtätigkeit (ihsan), die leitend für alle Muslime seien. Normativ stehen die Überschneidungen zwischen den Werten des Islam und dem Humanismus, dem sich das CSR verpflichtet weiß, damit zunächst außer Frage. Aus der Perspektive von CSR gilt es aber auch zu klären, ob die philanthropischen und karitativen Ideale des Islam die Pointe von CSR treffen, das von vielen Vertretern gerade nicht als eine bloße Menschenliebe, sondern als eine geglückte Koinzidenz von unternehmerischen und gesellschaftlichen Interessen verstanden wird. Gerade in der arabischen Welt wird CSR jedoch häufig entweder mit zakat, einer moralisch obligatorischen Sozialabgabe, identifiziert oder mit uneigennützigen Spenden. In beiden Fällen besteht jedoch kaum eine Verbindung zwischen dem sozialen Engagement und der wirtschaftlichen Strategie des Unternehmens (Katsioloudes/Brodtkorb 2007, Hawa 2012).
Die Verwirklichung der islamischen CSR-Ideale in den VAE lässt sich am besten an den explizit religiösen Unternehmen wie den Islamischen Banken beobachten. Gerade hierzu liegen auch schon umfangreiche Forschungen vor (Hawa 2012, Al-Tamimi 2014, mit Blick auf Sudan: Elhassab Omer 2013). Die Islamischen Banken in den VAE beanspruchen und erklären, sehr hohen Idealen unternehmerischer Verantwortung zu folgen. Die genannten Forschungsarbeiten kommen jedoch zu dem Schluss, dass sich das wirtschaftliche Verhalten dieser Banken praktisch nicht von dem westlicher, rein kapitalistisch orientierter Banken unterscheidet. Die große Mehrheit der befragten VAE-Banken versteht CSR als das Einhalten rechtlicher Vorgaben gegen Geldwäsche und Finanzbetrug. Als wichtigste CSR-Maßnahme bezeichnen sie konsequenterweise auch die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, um Betrug erkennen zu können. – Die hohe Bindungskraft islamischer Normen, die in der konzeptionellen Forschung zu CSR und Islam betont wird, muss damit wohl relativiert werden.
Wird statt auf die islamischen Banken auf die gewöhnlichen Wirtschaftsunternehmen in den VAE geschaut, dann zeigt eine aktuelle Studie der örtlichen Dubai Chamber (Rettab/Ben Brik/Mellahi 2010), dass zwar zwei Drittel der befragten Unternehmen CSR kennen, dass aber 90 Prozent aller Unternehmen keine aktive CSR-Strategie verfolgen. Stattdessen werden die Einhaltung der geltenden Gesetze und wohltätige Gaben an Bedürftige als wichtigste CSR-Leistungen benannt.
Potenzial für gelingendes CSR
Die Forschungsliteratur dokumentiert, dass die arabische Welt ein eigenständiges CSR Verständnis entwickelt hat. Es gründet in der Freigiebigkeit und Mildtätigkeit gegenüber Benachteiligten, die in der muslimischen Welt sehr ausgeprägt sind. – Ein aktueller Blick auf die Praxis zeigt eine spürbare Entwicklung hin zu einer intensiven Auseinandersetzung (mit den Werten und Idealen von CSR) sowie eine Professionalisierung hinsichtlich Implementierung und Reporting, organisiert und unterstützt durch zahlreiche CSR Netzwerke (arabiacsrnetwork.com, csrsummitdubai.com, csrmiddleeast.org), Corporate Training Angebote (arabiacsrnetwork.com/trainings/) sowie überregionalen CSR Events (Arabia/ Africa). Für eine umfassende Implementierung von CSR in den VAE, harmonisiert mit den wegweisenden internationalen Standards (wie GRI), sind das sicherlich sehr positive Voraussetzungen.
Zur Person: Dr. René Rüth ist Gründer und Managing Director des IMEC – Institute for Management Education & Culture in Frankfurt. Dr. Rüth lehrt zudem Marketing, Brand Management sowie nachhaltige Unternehmensführung an führenden deutschen Hochschulen.
Literatur
- Al-Tamimi, H.A.H. (2014): Corporate Social Responsibility Practices of UAE Banks. In: Global Journal of Business Ethics 8 (3), 91-108.
- Basah, M.Y.A. & Yusuf, M.M. (2013): Islamic Bank and Corporate Social Responsibility (CSR). In: European Journal of Business and Management 5 (11), 194-209.
- Chong, B.S. & Liu, M.H. (2010): Islamic banking: Interest-free or interest-based? In: Pacific Basin Finance Journal 17 (1), p. 125-144.
- Elhassab Omer, A. (2013): Corporate Social Responsibility Conduct/Disclosure In the Experience of Sudanese Islamic Banks 2008-2010. PhD-Thesis, Universität Bayreuth.
- Hawa, N. (2012): Factors Shaping the Definition and Practice of Corporate Social Responsibility at Local Banks in the United Arab Emirates. Postgraduate Dissertation, University of London.
- Katsioloudes, M. I., & Brodtkorb, T. (2007): Corporate social responsibility: an exploratory study in the United Arab Emirates. In: SAM Advanced Management Journal 72 (4), 9-20.
- Mohammed, J.A. (2013): Business Precepts of Islam: The Lawful and Unlawful Business Transactions According to Shariah. In: Luetge, C. (Hg.): Handbook of the Philosophical Foundations of Business Ethics. Heidelberg, Berlin: Springer, 883-897.
- Rettab, B., Mellahi, K., & Ben Brik, A. (2010): Corporate Social Responsibility and Corporate Governance in the United Arab Emirates. Centre for Responsible Business, Dubai Chamber of Commerce and Industry, Dubai- UAE. Letzter Zugriff am 12.1.2015 >> unter dieser URL.