Berlin (csr-news) > Veranstaltungen und Konferenzen zum Thema gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen gibt es viele. Um so erstaunlicher fanden Frank Feldmann und Anne Hahn, dass ein themenbezogenes Barcamp noch nicht durchgeführt wurde. Also machten sie sich an die Arbeit und organisierten das erste CSRcamp. Rund 100 Teilnehmer ließen sich von der Idee begeistern und haben gestern in der Berliner Jerusalemkirche die vielfältigsten Aspekte unternehmerischer Verantwortung diskutiert.
„Ab jetzt wird geduzt, alle machen mit, keiner schaut nur zu“, mit diesen klaren Worten wurde jeder Teilnehmer bei der Ankunft begrüßt und hatte als erste Aufgabe, sich und seine Motivation mittels dreier Hashtags auf seinem Namenschild auszudrücken. Barcamps sind eine andere, eine offene und partizipative Form der Konferenzgestaltung. Jeder kann und soll sich einbringen, es werden keine Keynotes und Vorträge gehalten. „Es geht um den Informationsaustausch auf Augenhöhe“, erläutert Mitorganisator Frank Feldmann die Besonderheit von Barcamps. „Das setzt natürlich voraus, sich auf das Veranstaltungsformat einzulassen“. Barcamps haben ihre eigenen Gesetze und entwickeln häufig auch ihre eigene Dynamik. Deshalb sieht Feldmann das CSRcamp auch als sinnvolle Ergänzung zu den etablierten CSR-Konferenzen. „Wir wollen zu diesen Formaten keine Konkurrenz sein“, so Feldmann, „sondern eine Lücke schließen und Interessierten ein alternatives Forum anbieten“. Im Vorfeld bekamen die Organisatoren trotz aller positiver Resonanz auch eine starke Zurückhaltung zu spüren. „Barcamps scheinen im CSR-Umfeld ein noch relativ unbekanntes Format zu sein“, so Feldmann. Tatsächlich hatte die Mehrheit der Teilnehmer in Berlin noch keine Erfahrungen mit Barcamps. Gekommen waren CSR-Manager aus großen Konzernen und mittelständischen Betrieben, Wissenschaftler, Vertreter von NGOs, Berater und Kommunikationsexperten. Für die Premiere waren die Organisatoren mit dem breiten Spektrum und der Anzahl der Teilnehmer sehr zufrieden und wollen mit den gewonnenen Erfahrungen im nächsten Jahr das nächste CSRcamp organisieren.
Das Ergebnis des Pitchs. Auf diese Themen haben sich die Teilnehmer geeinigt.
In den Sessions kann das Format dann seine volle Wirkung entfalten. Alte CSR-Hasen treffen auf noch junge, weniger erfahrene Kollegen und diskutieren die Themen, die sie im Arbeitsalltag beschäftigen. Jeder Teilnehmer kann Vorschläge machen und diese im Rahmen eines Sessionpitchs kurz präsentieren. Bei entsprechendem Interesse werden diese vom Plenum angenommen oder aber verworfen. Eine der zentralen Fragen, die sich in vielen Sessions widerspiegelte: Wie kann Nachhaltigkeit zum Mainstream werden? Hilft Zwang oder ist Überzeugung der richtige Weg, um den Verbraucher für Nachhaltigkeit zu gewinnen? Klar ist: der Personenkreis, der sich ernsthaft für Nachhaltigkeit interessiert, scheint zu stagnieren. Dies mag zum einen daran liegen, dass Begriffe wie CSR und Nachhaltigkeit in ihrer Bedeutung zu unklar sind, zum anderen scheinen sie zu elitär zu wirken, eher auszugrenzen, als einzuladen.
Nachhaltigkeit braucht Aufklärung und das bedeutet nicht nur Produktkennzeichnungen, sondern vor allem auch Bildung – und die sollte möglichst früh beginnen. Trotzt zahlreicher auch sehr erfolgreicher Bildungsprojekte besteht hier noch immer Bedarf. Am Ende konnte man sich auf die Formel einigen: Den Konsumenten durch Aufklärung, Information und Bildung überzeugen. Unternehmen müssten allerdings über Gesetze, Normen und Standards zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet werden. Ganz ohne Zwang scheint es in der Wirtschaft nicht zu funktionieren. Das heißt allerdings nicht, dass immer der Gesetzgeber gefragt ist. Vielmehr helfen schon jetzt Branchenstandards und auch der zunehmende Druck in der Lieferkette, Nachhaltigkeit fester zu verankern.
Wie das in kleineren Betrieben aussehen kann, war Gegenstand einer weiteren Session. Am Beispiel eines mittelständischen Berliner Handwerksbetriebs wurden die Herausforderungen eines internen CSR-Prozesses diskutiert. Dabei zeigte sich, wie wichtig Überzeugungstäter sind. Ohne den festen Willen des Unternehmers lassen sich Hürden – wie Vorbehalte aus der Belegschaft oder auch die Kosten eines solchen Prozesses – kaum überwinden. Wie CSR-Manager die Kosten ihrer Maßnahmen vor der Geschäftsführung vertreten können, war eine weitere Session. Hier wurden höchst unterschiedliche Erfahrungen deutlich, die sich aber auf einen Nenner bringen ließen: Der Mehrwert von CSR-Maßnahmen muss immer wieder kommuniziert werden. Deshalb sollten Wirkungsmessungen zum festen Handwerkszeug einer CSR-Abteilung gehören.
Entscheidend sei, wo im Unternehmen die CSR-Verantwortlichen angesiedelt sind. Ohne Unterstützung durch Geschäftsführung oder Vorstand lässt sich jedenfalls nicht viel bewegen. Zu den heiß diskutierten Themen gehört, wie oftmals auch an anderer Stelle, das Reporting. In dieser Session trafen CSR-Manager aus Großunternehmen mit umfangreichen Nachhaltigkeitsberichten auf Anfänger, die sich erstmals durch den GRI-Prozess wühlen. Und schon daran scheiden sich die Geister. Während für manche nur ein GRI-Bericht ein ernsthaftes Nachhaltigkeitsreporting ist („alles andere sind nur Umweltschutzbroschüren“), sehen andere durchaus Alternativen, wirksam und transparent über die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen zu berichten. „Muss Nachhaltigkeitsreporting „sexy“ sein?“, war eine weitere Kontroverse in dieser Session. Die große Frage dahinter: Wer liest eigentlich die ganzen Nachhaltigkeitsberichte? Klar war: so unterschiedlich die Adressaten der Berichte, so unterschiedlich auch die Anforderungen an die Berichte, und zwar sowohl bezüglich der Berichtstandards als auch der Gestaltung.
Foto: Beim Sessionpitch – Jeder Teilnehmer kann ein Thema vorschlagen und hat rund 30 Sekunden Zeit dafür zu werben. Das Plenum entscheidet ob es über den Themenvorschlag diskutieren möchte.