Berlin (csr-news) – Die zum Jahresanfang in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege treffen bei Beschäftigten zugleich auf Zustimmung und Skepsis. In einer forsa-Umfrage im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) wurde das Pflegeunterstützungsgeld von 89 % der Befragten als sehr hilfreich einschätzen. Die Freistellung zur Begleitung im Sterbeprozess stieß bei 68 % der Befragten auf Zustimmung. Und rund die Hälfte der Befragten fand die Familienpflegezeit von maximal 24 Monaten prinzipiell gut. Forsa befragte im November 2014 bundesweit 2.015 Erwerbstätigen ab 18 Jahren.
Danach will die deutliche Mehrheit der Beschäftigten (94 %) während einer Angehörigenpflege erwerbstätig bleiben können – und zwar überwiegend aus finanziellen Gründen. Dazu erwarten sie vor allem die Möglichkeit zu einer flexiblen Gestaltung ihrer Erwerbstätigkeit durch flexible Arbeitszeitmodelle (88 % der Befragten), Home Office (75 %) und individuelle Absprachen (69 %).
Zugleich offenbarte die Studie erhebliche Ängste von Beschäftigten, die Übernahme familialer Pflege gegenüber dem Arbeitgeber anzusprechen: Aus Sorge um ihren Arbeitsplätz würden 64 % die Pflegesituation verschweigen. Und zwei Drittel der Beschäftigten würden auf die Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit verzichten – 84 % aus finanziellen Gründen und 43 % aus Angst vor beruflichen Nachteilen. „Hier ist vor allem eine andere Unternehmenskultur gefordert, um einen offeneren Umgang mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu ermöglichen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende des ZQP, Ralf Suhr.
Das ZQP spricht sich zugleich für einen Rechtsanspruch auf eine kostenlose und unabhängige Beratung für pflegende Angehörige aus. Suhr dazu: „Ein verbindlicher Beratungsanspruch zu den komplexen Möglichkeiten, Beruf und Pflege miteinander zu vereinbaren, würde die Regelungen stärken und dazu beitragen, bestehende Ängste und Vorbehalte der pflegenden Angehörigen abzubauen.“
Der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH berufundfamilie der Hertie-Stiftung, Stefan Becker, hatte gegenüber CSR NEWS gesagt, Arbeitnehmer hätten heute häufiger pflegebedürftige Familienangehörige zu betreuen als Kinder unter drei Jahren. Dass die Beteiligung an der Pflege auch eine Männeraufgabe sein könne, hätten viele Arbeitgeber und Verbände noch nicht erkannt. Anforderungen an Pflegende seien weniger planbar als eine Kleinkinderbetreuung. So lasse sich etwa selten absehen, wie lange eine Pflegephase dauern werde. Becker: „Da hilft nur – und dafür werben wir auch – der Dialog.“ Arbeitnehmern dürfe deshalb nicht lediglich eine Broschüre in die Hand gedrückt werden. Denn auch nach Beckers Erfahrungen haben viele Arbeitnehmer Angst davor, arbeitslos oder abgestempelt zu werden. „Es fehlt Erfahrungswissen in den Unternehmen: Wie reagiert mein Vorgesetzter darauf?“, so Becker.
Gemeinsam mit dem Hessischen Sozialministerium hat berufundfamilie die Broschüre >> „Beruf und Pflege vereinbaren. Lösungsansätze und Praxisbeispiele aus Hessen“ herausgegeben.
Eine Übersicht zu den gesetzlichen Regelungen, Praxishilfen und Modellen guter Unternehmensführung bietet die Website www.arbeiten-pflegen-leben.de.