Bonn (csr-news) > Die Anzahl der Weinbauern in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter reduziert, allerdings bei in etwa gleichbleibender Gesamtrebfläche. Wein hat sich zu einem hoch professionellen Geschäft entwickelt, kleine Betriebe die nicht mit der Zeit gehen, können da kaum mithalten. Auch das Thema Nachhaltigkeit hat sich im Weinanbau inzwischen fest verankert. Und das ist wesentlich mehr als einen Biowein zu erzeugen. Vor einem Jahr haben sich Winzer zum Verein Fair’n Green zusammengeschlossen, um einen Nachhaltigkeitsstandard zu etablieren. Jetzt haben sie eine erste Bilanz gezogen.
Als eines der spannendsten Projekte die er je kennenlernen durfte, bezeichnete Ulrich Kelber, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium den Verein Fair’n Green. „Das klare Bekenntnis zum gemeinsamen Ziel der Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Offenheit über den Weg dorthin hat mich von Anfang an überzeugt“, so Kelber. Entwickelt wurde der Ansatz von einigen Winzern in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Athenga und der Hochschule Geisenheim. Wein erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit. In vergangenen 14 Jahren ist der globale Konsum, nach Angaben des Internationalen Weinamtes in Paris (OIV), von 226 Millionen Hektoliter auf 243 Hektoliter gestiegen. Weltweit ist der Pro-Kopf-Verbrauch global leicht gesunken, in Deutschland hat er allerdings im vergangenen Jahr um eine ganze Flasche Wein zugenommen. Knapp über 21 Liter Wein wurden durchschnittlich von jedem Bundesbürger getrunken. Dabei ist der Zuwachs vor allem auf den Konsum heimischer Weine zurückzuführen. Sie erfreuen sich seit einigen Jahren einer zunehmenden Beliebtheit.
Nachhaltigkeit auf einem Weingut setzt an zahlreichen Stellschrauben an. Die reichen vom Ressourcenverbrauch über die Erhaltung von Lebensräumen bis hin zu fairen Arbeitsbedingungen in den Weingütern. Für Fair’n Green bedeutete dies vor allem, nicht nur eine Zertifizierung anhand eines 150 Punkte umfassenden Kriterienkatalogs, sondern eine Begleitung um in der täglichen Praxis konkrete Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten und so die Nachhaltigkeitsperformance der einzelnen Betriebe zu verbessern. „In der Zusammenarbeit mit den Winzern war es uns wichtig ein Nachhaltigkeitssystem zu entwickeln, das praxisnah und zukunftsorientiert ist und Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzeigt“, so der Athenga-Geschäftsführer Keith Ulrich. Das bedeutet, nicht nur kurzfristige Maßnahmen sind gefragt, sondern darüber hinaus auch mittel- und langfristig wirkende Konzepte. Inzwischen haben sich dem Verein insgesamt zwanzig führende Weingüter angeschlossen, um ihre Betriebe an konkreten Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Damit soll nicht nur die Zukunftsfähigkeit der Betriebe sichergestellt werden, sondern ebenso ein hochwertiges und verantwortungsvoll produziertes Produkt entstehen. Cornelius Dönnhoff vom gleichnamigen Weingut: „Uns überzeugt dieses ganzheitliche Nachhaltigkeitskonzept. Es unterstützt uns dabei, nachhaltiges Wirtschaften nicht nur weiterzuentwickeln, sondern Fortschritte objektiv messbar und überprüfbar zu machen. Das Ziel Ressourcen zu schonen bezieht auch soziale und gesellschaftliche Aspekte mit ein. Wir arbeiten alle gemeinsam daran, diese Philosophie mit Leben zu füllen.“ Johannes Haart vom Weingut Reinhold Haart ergänzt: „Fair’n Green unterstützt uns in der heutigen Zeit, die Zusammenhänge unserer Arbeit zu verstehen, um heute und auch noch morgen fit für den modernen Markt zu sein.“ Fair’n Green analysiert die Situation des Weinguts und legt gemeinsam mit dem jeweiligen Winzer einen Entwicklungsplan in eine nachhaltige Zukunft fest. Eva Fricke, vom gleichnamigen Weingut aus dem Rheingau: “Das bietet mir intern eine Qualitätskontrolle, und Hilfestellung den Betrieb nachhaltig weiterzuentwickeln und Schwachstellen aufzuzeigen. Extern bietet die Zertifizierung unseren Kunden eine Qualitätsgarantie.“ Alexander Stodden von der Ahr erläutert „Unsere Tradition ist es, im Einklang mit der Natur alles zu tun, um Wein zur Vollendung zu bringen“. So entwickeln die beteiligten Weingüter auch gemeinsame Projekte, um beispielsweise auf Herausforderungen wie den Klimawandel zu reagieren. Durch Analyse des Klimafußabdrucks (Carbon Footprint) und der Ökobilanz werden Lösungsansätze im jeweiligen Betrieb aufgezeigt. Es folgen konkrete Aktionen wie beispielsweise das Umstellen auf Leichtglasflaschen, die einen deutlich geringeren CO2-Ausstoß verursachen. Dazu Dörte Näkel, vom Weingut Meyer Näkel an der Ahr: „Denn Klimaschutz geht uns alle an und jeder Einzelne macht hier den Unterschied. Wir Winzer erleben bereits heute die Auswirkungen der Klimaveränderungen.“
Neben Fair’n Green haben sich auch andere Initiativen und Siegel im Weinanbau etabliert. Eines davon ist FairChoise, ein, vom Institut für nachhaltige Entwicklung als anspruchsvoll bezeichnetes Label. FairChoise wurde 2010 von Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickelt. Das Programm umfasst 44 pragmatische, messbare und für die Weinerzeugung relevante Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Dafür wurden Rahmenwerke wie der UN Global Compact oder die Kriterien der Global Reporting Initiative GRI herangezogen. Zudem spielen Kriterien des kontrolliert umweltschonenden Weinbaus und Richtlinien von Bioverbänden eine Rolle. Für die Messung der Treibhausgasemissionen wurden das Greenhouse Gas Protocol des World Resource Institutes und des World Business Council for Sustainable Development und das International Wine Carbon Calculator Protocol von Provisor herangezogen. Die Auswertung der Ökonomischen Kriterien erfolgt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim. Am Ende eines Bewertungsprozesses können Weine mit dem FairChoise-Siegel ausgezeichnet werden, wenn sie die genannten Bedingungen überprüfbar erfüllen.
Der Österreichische Weinbauverband hat ein Online-Tool entwickelt, mit dem Winzer eigenständig analysieren können, wie nachhaltig sie wirtschaften. Dafür wurden gemeinsam mit Experten und in mehreren Stufen für unterschiedliche Prozesse (Traubenproduktion, Weinerzeugung, Weingartenanlage, Soziales und Ökonomie) Qualitätsziele definiert und Maßnahmen zur nachhaltigen Umsetzung erarbeitet. Die Winzer geben entsprechende Kennzahlen in das Programm ein und erhalten dann eine Auswertung ihrer Nachhaltigkeit in Form eines Diagramms. Daraus geht hervor, wie weit sie von einem optimal wirtschaftenden Betrieb entfernt sind und welche Verbesserungen mit gezielten Maßnahmen erreicht werden können. In Zukunft soll mit dem System auch eine Zertifizierung möglich sein.
Links zum Thema:
Ecovin Bundesverband ökologischer Weinbau
Hochschule Heilbronn – Nachhaltigkeit in der Weinwirtschaft