Konstanz (csr-news) – Welche Rolle spielen CSR-Themen im Schulunterricht und in Lehrplänen allgemeinbildender Schulen? CSR NEWS sprach darüber mit Markus Fürnrohr, der Wirtschaft und Mathematik an der Wessenberg-Schule Konstanz unterrichtet und der im Rahmen seiner Diplomarbeit als Handelslehrer Schulbücher auf CSR-Inhalte untersucht hat. Die Fragen stellte Achim Halfmann.
CSR NEWS: Im Rahmen Ihrer Diplomarbeit haben Sie Schulbücher allgemeinbildender Gymnasien auf Inhalte in Richtung CSR untersucht. Was haben Sie vorgefunden?
Markus Fürnrohr: Im Rahmen meiner Diplomarbeit “Ökonomik, Unternehmensethik und Schulbildung” 2010 habe ich 36 Bücher allgemeinbildender Gymnasien in Baden-Württemberg mit wirtschaftlichen Inhalten untersucht. Es ging um die Frage, ob ökonomisch geprägte Inhalte grundlegende Zusammenhänge des marktwirtschaftlichen Systems erkennen lassen. Mit anderen Worten, ob ein ökonomisches Spielverständnis gefördert wird, um eine angemessen reflektierte und belastbare Diskussion um die moralische Qualität oder Unternehmensverantwortung entstehen zu lassen.
Die zugelassenen Schulbücher aus Gemeinschaftskunde, Geographie und Wirtschaft (für Bildungsstandard 10 und Bildungsstandard Kursstufe) enthielten nur unzureichend Inhalte zu wirtschaftlichen Zusammenhängen (13 %). Bei der Beurteilung der Sinnhaftigkeit bzw. Qualität der Aussagen fiel jede vierte als “nicht sinnvoll” durch. Besonders Geographiebücher mit Inhalten zu Themen wie Globalisierung oder Ähnlichem stellten Zusammenhänge zwischen Sachverhalten her, die man nicht unreflektiert stehen lassen dürfte: “Globalisierung geht mit steigender Arbeitslosigkeit einher”. Oder zum Falls Nokia in Bochum 2008: “Erläutern Sie Möglichkeiten der Bürger, gegen Nokia vorzugehen.” Teilweise vielleicht emotional getrieben oder aus einer möglichen Unkenntnis der (Geographie-) Autoren heraus entsteht hier per se ein bitterer Beigeschmack des wirtschaftlichen Handelns und nicht ein Verständnis des globalen Strukturwandels.
Es werden zentrale Probleme angesprochen, deren Ursachen überwiegend auf ökologischen und ökonomischen Wandel zurückgeführt werden. Verbindungen zu fehlenden bzw. fehlerhaften Institutionen gibt es nur selten. Anstatt über eine Revision des bestehenden Rahmens nachzudenken, dienen Fehlentwicklungen als Rechtfertigung für mehr staatliche Markteingriffe. Die Soziale Marktwirtschaft wird hier oft als Beispiel angeführt, also eine Art Beschneidung, um unerwünschte Marktentwicklungen zu verhindern. Dass das Soziale an der Marktwirtschaft eigentlich eine Erweiterung oder sogar Verbesserung der klassischen Marktwirtschaft bedeutet, wird nicht thematisiert.
Wie beurteilen Sie aus Ihrer heutigen beruflichen Erfahrung das Bewusstsein für und das Interesse an CSR-Themen unter Schülern und in der Lehrerschaft?
Aus meiner relativ kurzen Erfahrung im Schuldienst aus der Lehrerperspektive gesehen, ist des Interesse an solchen Themen sehr groß. Man findet einen schnellen und einfachen Zugang über die Konsumentenperspektive, schließlich möchte niemand gerne “verarscht” werden. Dies gelingt beim Thema Marketing sehr gut. Der Schwenk auf die unternehmerische Perspektive ist dann nicht mehr schwierig. Ob sich das Interesse z.B. durch die Skandale der letzten Jahre großartig verändert hat, kann ich leider nicht beurteilen. Allerdings wäre es meiner Meinung nach übertrieben zu sagen, dass ein Bewusstsein vorhanden wäre.
Bei den Lehrpersonen beschränkt sich mein Einblick fast nur auf das Lehrerzimmer der Schulen, an denen ich unterrichtet habe. Meine These dazu ist, dass die Junglehrerschaft im Fach Wirtschaft/Gemeinschaftskunde/Religion etc. sehr gerne zum Thema CSR mehr anbieten möchte, aber aufgrund der Fülle des Lehrplans – oder seiner Restriktionen – sich macht- oder vor allem zeitlos sieht. Zu dieser Gruppe zähle ich mich. Beispielsweise im Rahmen von Seminarkursen am Wirtschaftsgymnasium kann man allerdings aus dem Vollen schöpfen und sich mit Schülern einzelnen Aspekten gezielt widmen. Das von Lehrern gewählte Leitthema des letzten Jahres war zum Beispiel “Geld regiert die Welt – aber wer regiert das Geld?”.
Spielt gesellschaftliche Unternehmensverantwortung in Lehrplänen und Curricula eine Rolle? In welchen Fächern?
Wie eben angedeutet, sind Junglehrer zunächst eher mit der Stofffühle des Lehrplans beschäftigt. Die vorgegebenen Wirtschafts-Lehrpläne enthalten bereits Inhalte und Ansätze, beispielsweise den homo oeconmicus, Gemeingüterproblematik, Soziale Marktwirtschaft etc., jedoch für meinen Geschmack viel zu unreflektiert. Die größte Komponente bei der Herausbildung der oben genannten Zusammenhänge zu Moral, Unternehmensethik und Verantwortung ist in meinen Augen immer noch die Lehrperson, die auf die Zusammenhänge hinführt – oder eben auch nicht. Leider ist das Thema der unternehmerischen Verantwortung nur gering in Schulbüchern oder Lehrplänen verankert, in den größtenteils alten Büchern noch im Bereich Kommunikation und Marketing verortet und als Sponsoringmaßnahme abgetan.
Wie greifen Sie selbst heute CSR-nahe Themen im Unterricht auf?
Ich musste mir selbst bereits eingestehen, dass ich das für meinen Geschmack viel zu wenig tue. Mein eigener Anspruch wird noch sehr stark von der Welle des allgemeinen Bildungsauftrages getragen, für den ich meinen Eid geleistet habe. Ich möchte Schüler soweit wie möglich fördern, selbständig zu denken, selbständig zu handeln, nachzufragen und vor allem kritisch zu sein im Hinblick auf die Konsequenzen ihres Handelns. Nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit ihrem Umfeld, denn alles bewegt sich, beschleunigt vor allem durch die moderne Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Die Bezeichnung “Gesellschaftlicher Wandel” für die Entwicklungen der letzten zehn Jahre klingt für mich immer sehr drastisch. So viel hat sich doch nun wirklich nicht verändert, oder doch? Zumindest verändern sich die Lehrpläne sehr langsam, oder nach einem Regierungswechsel tatsächlich drastisch… im Hinblick auf die Anordnung der Themen.
In der Unterrichtspraxis versuche ich selbst durch an verschiedenen Stellen gezielt eingestreute Fragen, die Schüler emotional und moralisch zu “kitzeln”. “Ist es gerecht, dass die letzten Schwimmwesten bei einem Deichbruch an die Höchstbietenden verkauft werden”? Dabei stelle ich gelegentlich fest, dass auch ich nicht mehr ganz am Puls der Jugend bin. Daher versuche ich, die Schüler so viel wie möglich von sich oder ihrem Umfeld preisgeben zu lassen, um ihnen dann dort die Zusammenhänge deutlich zu machen. Das schafft Vertrauen. Ist das nicht auch die Basis des unternehmerischen Seins? “Ihr würdet doch auch nicht bei XY kaufen, wenn ihr wisst, dass er schon einmal einen Freund übers Ohr gehauen hat?” Es fällt mir schwer, viele meiner eigenen Ansichten zurückzuhalten, schließlich würde ich das Thema CSR als eine stille Leidenschaft von mir bezeichnen und kann meine Emotionen auch nicht verbergen. Doch meine Schüler sollen sich ein eigenes Bild machen, ohne von mir zu viel beeinflusst zu werden. Aber ich hoffe doch genügend, so dass sie sich selbst zumindest die “richtigen” Fragen stellen und sich eine eigene Meinung bilden.
Herzlichen Dank!
CM15_Bildung