Berlin (csr-news) > Inzwischen hat in allen Bundesländern die Schule wieder begonnen und die Kampagne „Schulstart mit dem Blauen Engel“ sollte ihre volle Wirkung entfalten. Doch viel zu selten landen Schulhefte mit dem Umweltsiegel in den Schulranzen. Woran liegt das, immerhin genießt der Blaue Engel eine hohe Bekanntheit. Es braucht eine neue strategische und kommunikationspolitische Ausrichtung. Wie die aussehen kann, hat das IÖW im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeitet.
Rund 200 Millionen Schulhefte werden jedes Jahr in Deutschland verkauft, doch nur etwa 10 Prozent davon sind aus recyceltem Papier mit dem Umweltsiegel. Ein breites Aktionsbündnis hat im Sommer für umweltfreundliche Schulhefte aus recyceltem Papier geworben. Handelsketten haben die Aktion unterstützt und die Hefte mit dem blauen Siegel in ihre Regale gelegt. Schüler eines Gymnasiums in Hagen haben in ihrer Stadt überprüft, wie das Angebot in der Praxis aussieht. In 18 Geschäften haben sie nach Papierwaren mit dem Umweltzeichen gesucht, nur in sieben Fällen wurden sie fündig. Für die 11 Geschäfte ohne Recyclingpapier gab’s die Blaue Karte. Der Marktcheck in Hagen findet im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Schulstart mit dem Blauen Engel“ statt. „Unser Ziel ist es, sowohl das Angebot als auch die Nachfrage von Recyclingpapier zu stärken. Insbesondere Papier ist ein einfaches und alltagsnahes Beispiel für produktbezogenen Umweltschutz“, so Ralf-Rainer Braun von der Jury Umweltzeichen. Überall dort wo Eltern oder Schüler kein Recyclingpapier vorfinden, sollen sie den Geschäften „Die Blaue Karte“ zeigen. „Ich hoffe, dass viele von ihnen diese Art des Protests nutzen. Geschäfte sollen im Sinne der Papierwende umdenken und vermehrt Recyclingpapier anbieten“, so Volker Teichert, ebenfalls von der Jury Umweltzeichen. Aber die Verbreitung hakt nicht nur am mangelnden Angebot in den Geschäften. Auch bei den Verbrauchern ist der letztendliche Kaufreiz nicht besonders stark ausgeprägt, obwohl das Umweltsiegel Blauer Engel eine hohe Bekanntheit und Akzeptanz besitzt. „Eine große Mehrheit findet den Blauen Engel sinnvoll, notwendig, sympathisch und vertrauenswürdig“, hat im vergangenen Jahr eine Studie des Instituts für sozial-ökologische Forschung ISOE herausgefunden. Mehr als 2.000 Personen wurden zum Blauen Engel befragt. Dabei zeigte sich, dass die Autorität des Blauen Engel als unabhängiges staatliches Umweltzeichen bei den Konsumenten unbestritten ist. „Nur gut 40 Prozent haben im letzten Jahr bewusst Produkte mit dem Blauen Engel gekauft“, heißt es in der Untersuchung. „Gemessen am Abstand zwischen Bekanntheit und Kaufrelevanz fällt auf, dass der Blaue Engel eine weitaus geringere Bedeutung beim Einkauf hat als vergleichbare Umwelt- und Nachhaltigkeitszeichen“.
Quelle: Weiterentwicklung des Blauen Engel zur Steigerung der Verbraucherwahrnehmung – Eine Positionierungsstrategie
Offenbar hat der Blaue Engel ein Problem. Was ist also zu tun, um das Siegel stärker ins Bewusstsein der Verbraucher zu rücken und sie vor allem auch zum Kauf zu animieren? Diesem Thema haben sich Gerd Scholl und Maike Gossen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW gemeinsam mit der Kommunikationsagentur organic Marken-Kommunikation gewidmet. Im Auftrag des Umweltbundesamtes haben sie nach einer neuen strategischen und kommunikationspolitischen Ausrichtung gesucht. Dazu haben sie Marketingaktivitäten anderer Nachhaltigkeitslabel aber auch Studien zur Kommunikation von Nachhaltigkeitszeichen ausgewertet und darauf aufbauend ein neues Marketing- und Kommunikationskonzept für den Blauen Engel entwickelt. Basierend auf der Akzeptanzstudie des ISOE ergaben sich mehrere Handlungsfelder, um die Akzeptanz des Blauen Engels zu erhöhen. So müsste die produktübergreifende Orientierungsfunktion gestärkt werden und das Umweltzeichen durch eine klarere Fokussierung ein schärferes Profil bekommen. Dann würde sich auch eine Weiterentwicklung des Produktportfolios anbieten, wobei der Fokus auf alltagsnahen Produkten liegen sollte. Die Vorteile und der persönliche Nutzen des Blauen Engels müssen für den Verbraucher erkennbar sein. Dies Fokussierung wurde auch schon in der Akzeptanzstudie angesprochen. Dort heißt es: „Wegen seines umfassenden Anspruchs erscheinen die Eigenschaften, für die der Blaue Engel steht, auf den ersten Blick vielfach diffus und nur schwer zu fassen“. Zudem würde es dem Blauen Engel, trotz zahlreicher Produkte“ an Attraktivität und Aktualität mangeln. Zurzeit gibt es rund 12.000 Blauer Engel-Produkte von 1.500 Unternehmen in 120 verschiedenen Produktgruppen. Dennoch wird der Blaue Engel eher als Siegel für vergangene Umweltthemen in Verbindung gebracht. Vom Aufschwung der Bio-, Öko und Fairtrade-Debatte konnte er praktisch nicht profitieren. Der Blaue Engel ist in die Jahre gekommen, „er ist eine alternde Identifikationsfigur“ so das Fazit der ISOE-Forscher. Und genau da müssen die Maßnahmen ansetzen, um dem Blauen Engel wieder Flügel zu verleihen – er braucht eine klarere und emotionalere Darstellung. Grundsätzlich besitzt der Blaue Engel nach wie vor das Potenzial, denjenigen Verbrauchern Orientierung zu geben, die nachhaltig konsumieren wollen, sich aber von der Informationsflut überfordert fühlen, so die Analyse der IÖW-Forscher. Deshalb sollten sich Kommunikationsmaßnahmen auf die bisherige Kernzielgruppe der umweltorientierten Verbraucher konzentrieren, bevor es an neue Zielgruppen geht. „Um das zu erreichen, muss der Blaue Engel im Alltag dieser Verbraucher wieder an Sichtbarkeit gewinnen“. Mit der „Umweltbotschafterkampagne“, die im Projekt entwickelt und in Form von Anzeigen und Plakaten umgesetzt wurde, wird die Aufmerksamkeit und Identifikation mit dem Blauen Engel gestärkt. Ihre Kernbotschaft „Der Blaue Engel – Gut für mich. Gut für die Umwelt“ verdeutlicht prägnant die Vorteile des Umweltzeichens. Die Kampagne wird nächstes Jahr mit neuen Botschaftern fortgeführt.