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Unternehmen zur Verantwortung ziehen – Erfahrungen mit Menschenrechtsklagen

Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen durch weltweit agierende Unternehmen bleiben meist folgenlos. Das berichtet die Hilfsorganisation Misereor, die zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zahlreiche Beispiele zusammengetragen hat und dabei auch den Verlauf von Klagen untersucht. Auch deutsche Unternehmen sind immer wieder direkt und indirekt an Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden beteiligt, fast nie werden sie zur Verantwortung gezogen.

Aachen/Berlin (csr-news) > Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen durch weltweit agierende Unternehmen bleiben meist folgenlos. Das berichtet die Hilfsorganisation Misereor, die zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zahlreiche Beispiele zusammengetragen hat und dabei auch den Verlauf von Klagen untersucht. Auch deutsche Unternehmen sind immer wieder direkt und indirekt an Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden beteiligt, fast nie werden sie zur Verantwortung gezogen.

Die rund 50 Fälle, die das ECCHR untersucht hat, sind höchst unterschiedlich, aber sie haben eine Gemeinsamkeit. Sie charakterisieren Situationen, wie sie immer wieder und überall auf der Welt auftauchen. Menschen- oder Arbeitsrechte werden ignoriert und die Betroffenen haben kaum Möglichkeiten sich zu wehren. Meist wird das schon beim Blick auf die Kontrahenten deutlich. Da müssen sich beispielsweise einfache Bauern gegen einen international tätigen Großkonzern durchsetzen, weil der ihre Felder verseucht und sie nicht entschädigen will. Oder Arbeiter aus ärmsten Verhältnissen müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Minen, Steinbrüchen, auf Feldern oder in Färbereien arbeiten, ruinieren ihre Gesundheit und haben kaum die Möglichkeit, dafür entschädigt zu werden. „Ein Unternehmen, das für Menschenrechtsverstöße verantwortlich ist, muss zur Rechenschaft gezogen werden“, fordert Ilona Auer-Frege, Leiterin des Berliner Misereor-Büros. Doch das passiert viel zu selten, wie die Untersuchung „Unternehmen zur Verantwortung ziehen: Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen“ zeigt. Das liegt zum einen an der politischen und rechtlichen Situation vor Ort, aber auch an der Rechtslage in den Herkunftsländern der transnationalen Unternehmen. „In Deutschland ist es für Betroffene von Unternehmensunrecht fast unmöglich, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen“, so Miriam Saage-Maaß vom ECCHR. Doch nicht alle Betroffenen kapitulieren angesichts der Ausweglosigkeit. Immer öfter müssen sich Unternehmen deshalb vor Gericht verantworten. Die Betroffenen bekommen dabei meist Unterstützung von entsprechenden Hilfsorganisationen und Anwälten und reichen die Klagen nicht nur in ihrem eigenen Land ein, sondern oftmals auch am Hauptsitz der Unternehmen. Dennoch ist der Weg ein schwieriger und er wird selten begangen. „Im Verhältnis zu den Rechtsverletzungen, die von Unternehmen insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern begangen werden, ist die Anzahl der juristischen Verfahren jedoch verschwindend gering“, schreiben die Autoren der Untersuchung. Neben der schwierigen Situation der Betroffenen sind dafür vor allem die rechtlichen Hürden in den Heimatländern der Unternehmen verantwortlich, auch in Deutschland. „Der Behauptung der Bundesregierung und deutscher Unternehmensverbände, dass in Deutschland ausreichende Klagemöglichkeiten bestehen würden, um Unternehmen für ihre Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen zu können, treten wir mit dieser Publikation daher entgegen: Die Fallbeispiele verdeutlichen, dass deutsche und europäische Unternehmen für die negativen sozialen und ökologischen Folgen ihres Handelns nach geltendem Recht selten belangt werden können“, so die Autoren. Misereror und ECCHR sehen die Bundesregierung deshalb in der Verantwortung, national wie international wirksame Maßnahmen voranzutreiben. „Durch die Unterzeichnung der internationalen Menschenrechtspakte hat sich Deutschland zu ihrer verbindlichen Umsetzung verpflichtet“, erklärt Auer-Frege. Daher sei die Regierung gefordert, sich für wirksame und verbindliche Mechanismen zur Einhaltung von Menschenrechten seitens der Unternehmen einzusetzen. „Die Bundesregierung könnte die prozessualen Hürden zum Beispiel durch Einführung von Gruppenklagen verringern“, so Saage-Maaß. „Vor allem aber muss Deutschland rechtsverbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen und ihre Tochter- oder Zulieferbetriebe im Ausland schaffen“. Auch wenn deutsche Unternehmen eher selten direkt mit den Menschenrechtsverletzungen verbunden sind, so sind sie es über ihre Lieferkette. Und in den Lieferketten deutscher Unternehmen treten Menschenrechtsverletzungen regelmäßig auf, schreiben die Autoren der Untersuchung. Beispielhaft werden deutsche Energiekonzerne genannt, die große Anteile der in Deutschland verwendeten Kohle von kolumbianischen Zulieferbetrieben beziehen, in denen es immer wieder zu Menschenrechtsverstößen kommt. Je verzweigter die Lieferkette ist, umso schwieriger ist es natürlich, die rechtliche Verantwortung von Verstößen festzustellen und zu ahnden. Die Autoren unterstellen den Unternehmen an dieser Stelle Absicht. „Diese Lieferketten sind nicht zuletzt deswegen unübersichtlich und verzweigt, um wirtschaftliche Risiken und arbeitsrechtliche Pflichten aus dem eigenen Verantwortungsbereich auszugliedern“, heißt es in der Untersuchung. Denn tatsächlich müsste einem Unternehmen nachgewiesen werden, dass es Kenntnis von konkreten Menschenrechtsverletzungen hatte und seine Einflussmöglichkeiten nicht genutzt hat. Nicht nur schwierig, sondern in vielen Fällen wahrscheinlich sogar unmöglich, zumal es keine rechtlichen Vorgaben gibt, wie ein Unternehmen auf Menschenrechtsverstöße in der Lieferkette zu reagieren hat. Hinzu kommt die Problematik, dass Verstöße gegen Menschen- oder Arbeitsrechte kaum als geschütztes Rechtsgut im Zivilrecht anerkannt werden. Als geschützte Rechtsgüter im Zivilrecht gelten vor allem Gesundheit, Leben und Eigentum. „Die Zerstörung traditioneller Lebensräume wie auch Wasserknappheit und Wasserverschmutzungen durch Plantagen können mit bestehenden rechtlichen Mitteln kaum erfasst werden, weil sie oft keine Eigentumsverletzung oder Gesundheitsschäden im rechtlichen Sinne darstellen“. Dennoch haben die Verstöße teils gravierende Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen. Aber auch die fehlende Möglichkeit von Sammelklagen im Zivilrecht, oder ein fehlendes Unternehmensstrafrecht erschweren die Begehung des Rechtswegs zusätzlich. Misereor und das ECCHR empfehlen der Bundesregierung einige Maßnahmen, um diese Probleme zu beseitigen. Nach Auffassung der beiden Organisationen stellt sich die deutsche Regierung aber zu oft hinter die Interessen der Wirtschaftsunternehmen. „Deutschland und andere Industrieländer, die sich als Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte bezeichnen, sollten verbindliche Regeln für die Einhaltung der Menschenrechte nicht blockieren, so Auer-Frege. Saage-Maaß: „Stattdessen werden internationale Initiativen immer wieder verhindert“.

 


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