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Dramatische Abnahme der Biodiversität auf Agrarflächen

Hamburg (csr-news) > Die Biodiversität in Deutschland ist vor allem im Bereich der Agrarflächen ernsthaft bedroht. Daran haben bislang weder die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt noch das „Greening“ im Zuge der neuen EU-Agrarförderung etwas ändern können. Dies zeigt eine aktuelle Bestandsaufnahme und Analyse der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz, die jetzt in Berlin von Michael Otto vorgestellt wurde. Die von seiner Stiftung beim Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen, in Auftrag gegebene Studie „Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege“ analysiert die Verluste biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft am Beispiel der Pflanzen und Vögel. So haben sich beispielsweise die Bestände von 15 der 20 typischen Brutvögel in landwirtschaftlich genutzten Lebensräumen kontinuierlich reduziert, bei drei Arten hat sich der Bestand seit 1980 sogar mehr als halbiert. Mindestens genauso dramatisch stellt sich die Situation der Blütenpflanzen der Agrarlebensräume dar, einzelne Arten haben seit den 1950er Jahren mehr als 99 Prozent ihres Bestands eingebüßt.

Als Hauptursache für die fortschreitende Abnahme der Biodiversität haben Institutsleiter Hermann Hötker und Prof. Christoph Leuschner die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft ausgemacht. Die Produktionsförderung für nachwachsende Rohstoffe und die hohe Nachfrage nach Grundstoffen zur Herstellung regenerativer Energieträger wie Biokraftstoffe oder Biogas heizen den Flächenbedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche noch zusätzlich an und gefährden so die letzten Refugien der Biodiversität. „Die Ziele einer Intensivierung der Landwirtschaft auf der einen und die Bewahrung der Biodiversität auf der anderen Seite stehen sich häufig diametral gegenüber. Gerade wegen dieser Interessenskonflikte ist eine enge Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft heute dringend erforderlich“, erklärt Otto. Um den Dialog zwischen den Interessengruppen und den politischen Entscheidungsträgern im Sinne eines partnerschaftlich betriebenen Umweltschutzes zu intensivieren, überreichte Otto die Studie und einen 20-Punkte-Plan den Staatssekretären Jochen Flasbarth im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, und Robert Kloos im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Wesentliche Punkte sind die Untergliederung großer Ackerflächen für mehr Strukturvielfalt und die vermehrte extensive Nutzung von Dauergrünland sowie eine verstärkte Förderung des ökologischen Landbaus und die Ausweisung von Vorrangflächen für die Biodiversität im Acker- und Grünland. Die Studie untersucht darüber hinaus, inwieweit die bisher verfügbaren Instrumente des Naturschutzes wirksam waren und ob sie für die noch zunehmenden Anforderungen ausreichen. Zudem beleuchtet sie alternative Ansätze des Biodiversitätsschutzes in der Agrarlandschaft aus anderen Ländern und prüft deren Übertragbarkeit auf Deutschland. Wie die Studie weiter zeigt, ging die Fläche des artenreichen mesophilen (mittelfeuchten) Grünlands und des Feuchtgrünlands in Norddeutschland seit 1950 um rund 85 Prozent zurück. Die Ursache hierfür war vor allem die Umwandlung in Intensiv-Grünland. Im Ackerland verringerte sich die potenziell für Ackerwildkräuter (Segetalflora) besiedelbare Fläche um etwa 95 Prozent. Selbst eine stärkere Anlage von extensiv genutzten Ackerrandstreifen wird nicht ausreichen, um die Restbestände der Ackerwildkräuter dauerhaft zu schützen.

Auch der Ökolandbau kann nur begrenzte Beiträge zum Artenschutz leisten. Der Umfang von Agrar-Umweltmaßnahmen (AUM) ist in Deutschland derzeit viel zu gering, als dass messbare Auswirkungen auf die Bestandsentwicklung der Ackervögel zu erwarten wären. Zudem ist die Qualität der Maßnahmen oft nicht ausreichend und zu wenig regionen- bzw. artenspezifisch. Grünlandschutzgebiete können zur Bestandsstützung einiger hoch bedrohter Arten zwar beitragen, jedoch den flächendeckenden Negativtrend nicht aufhalten, zumal die Schutzziele in der überwiegenden Zahl der Fälle verfehlt werden. Hinzu kommt, dass in zehn Bundesländern kein regelmäßiges Monitoring der Wirksamkeit von AUM in Bezug auf Agrar-Vogelarten durchgeführt wird. Erfolgreiche Schutzprojekte im Grün- und Ackerland zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass eine intensive Betreuung vorhanden ist. Als Faustregel sollten mindestens 0,1 Personalstellen pro 100 ha Schutzgebietsfläche bzw. ein Viertel der Projektgesamtkosten für Beratung, Betreuung und Monitoring von Agrar-Umweltmaßnahmen verfügbar sein. Für die nächste Zukunft ist mit keiner Verbesserung der Biodiversität auf Agrarflächen zu rechnen. Auch das derzeit anlaufende „Greening“ wird auch in nächster Zukunft mit keiner Verbesserung der Biodiversität auf Ackerflächen zu rechnen sein“, erklärt Hötker. Vielversprechenden Schutz der Biodiversität scheinen Demonstrationsbetriebe mit Biotop-Management-Maßnahmen zu erzielen – und das trotz konventioneller Wirtschaftsweise und ohne Minderung der Wirtschaftlichkeit des Hofes. Das Beispiel der Hope Farm in England demonstriert, wie sich Ökonomie und Ökologie im konventionellen Ackerbau vereinbaren lassen. In Deutschland besteht dringender Bedarf an vergleichbaren landwirtschaftlichen Demonstrationsprojekten, die die Vereinbarkeit von Wirtschaftlichkeit und Naturschutz transparent machen.


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