Hamburg (csr-news) – Wie lassen sich die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft beziffern? Diese Frage hat der Handelskonzern Otto zum Anlass genommen, um seine Nachhaltigkeitsstrategie auf ein neues Fundament zu stellen. ImpAct wird dieser ganzheitliche Blick in Hamburg genannt – und der hat einerseits das bestehende Nachhaltigkeitsmanagement bestätigt, andererseits aber auch Überraschungen hervorgebracht.
Im Rahmen eines Pressegesprächs präsentierte der Handelskonzern am Montag den neue Nachhaltigkeitmanagementansatz. “Was können wir machen, damit unsere Nachhaltigkeitsbemühungen innerhalb und außerhalb der Otto-Group wirksamer werden?”, beschrieb Hans-Otto Schrader, Vorstandsvorsitzender der Otto Group, die Ausgangslage. Bislang hat der Konzern die Anforderungen aus Politik, von NGOs und Kunden zum wesentlichen Maßstab seines nachhaltigen Handelns gemacht. Nun soll dem Nachhaltigkeitmanagement zusätzlich eine weitere fundierte Grundlage gegeben werden. Die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie reicht bis ins Jahr 2020 und definiert unter anderem konkrete Ziele in Bereichen, die als wesentlich definiert wurden und auf die das Unternehmen Einfluss hat. Im Zentrum der nun angestellten Berechnungen steht die Frage: Wo in der Wertschöpfungskette entstehen bei Otto die größten Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft?
Die Antwort darauf soll eine sehr weitreichende Form der Ökobilanzierung ermöglichen. Um die ökologischen Auswirkungen – beispielsweise den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen oder den Verbrauch von Wasser – vergleichen zu können, werden diese in Euro ermittelt. Dagegen werden die sozialen Auswirkungen in Risikostunden erfasst. Otto ist damit das erste Unternehmen, dass die Risiken, denen Arbeiter in der gesamten Wertschöpfungskette ausgesetzt sind, bewertet – und zwar gleichbedeutend mit den ökologischen Auswirkungen. “Durch diese neuen Erkenntnisse können wir wesentlich faktenbasierter entscheiden, wo wir mit unserem Nachhaltigkeitsmanagement ansetzen”, so Schrader.
Die Grundlage für das Berechnungsmodell hat das – zum Konzern gehörende – Beratungsunternehmen Systain geliefert. Auf Basis einer Input-Output-Rechnung wurde modellhaft die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet – und zwar von der Rohstoffgewinnung über Produktion und Handel bis zum Endverbraucher. Für die Berechnungen wurden die unternehmensinternen Einkaufsdaten sowie externe Datenbanken von der ILO, der UN und der Weltbank genutzt. Dabei werden alle relevanten Nachhaltigkeitsthemen wie CO2-Emissionen, Wasserverbrauch, Landnutzung, Schadstoffbelastungen, aber auch Sozialstandards betrachtet. Heraus kommen die externen Kosten der Unternehmenstätigkeit – ausgedrückt in Euro für die ökologischen Auswirkungen und in Risikostunden für die sozialen Aspekte. Für die Berechnung der letzteren werden Angaben zu Entlohnung, Arbeitszeit, Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Mitbestimmung benötigt. Zwar basieren die Ergebnisse auf einem Modell und sind längst nicht so exakt wie etwa ein Product Footprint, aber sie bilden die Realität hinreichend ab, wie Hubertus Drinkuth, Geschäftsführer von Systain, betonte. “Etwaige Abweichungen lassen sich darüber hinaus sehr gut erläutern”, so Drinkuth.
Doch wie hoch sind nun die externen Kosten des Hamburger Konzerns, der mehr als eine Million Artikel aus über 70 Ländern im Sortiment hat? Konkrete Zahlen gab es zunächst nur für die gesamte Branche, und die sind durchaus beachtlich. Rund 21 Milliarden Euro kosten die Umweltauswirkungen des deutschen Textilhandels in nur einem Jahr. 21 Milliarden Euro, die sich in den Preisen wiederfinden müssten, würden sie ernstgenommen. Zu den ökologischen Auswirkungen gesellen sich die sozialen, und die schlagen für die gesamte Branche mit 3,4 Milliarden Risikostunden zu Buche. Detailliertere Zahlen dazu will Otto noch liefen, näherungsweise lassen sich rund eine Milliarde Euro der ökologischen Auswirkungen auf die Otto-Group herunterrechnen. Mit 56 Prozent entfallen die größten ökologischen Auswirkungen bei Otto auf die Stufe der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung. Wesentlich sind auch die Auswirkungen, die in der Nutzungsphase beim Kunden entstehen: Durch den Gebrauch, die Reinigung und die Entsorgung entstehen hier 28 Prozent der Gesamtumweltfolgen. Die Endfertigung mit neun Prozent und der Handel mit sieben Prozent verursachen deutlich geringere Auswirkungen. Etwas anders sieht es bei den sozialen Risiken aus: Zwar liegen die mit einem Anteil von 61 Prozent überwiegend im Bereich der Rohstoffe, hier trägt die Fertigung mit 38 Prozent allerdings ebenfalls einen beachtlichen Anteil.
Was folgt aus dieser Erkenntnis für das Nachhaltigkeitsmanagement der Otto Group? Johannes Merck, Direktor Corporate Responsibility bei Otto: “Durch diese einzigartige Kombination aus quantitativen Berechnungen und qualitativen Bewertungen können wir sicherstellen, zum einen die richtigen Themen anzupacken und zum anderen die Maßnahmen effizient umzusetzen”. Insgesamt sieht man bei Otto das bestehendes Nachhaltigkeitsmanagement bestätigt, auch wenn einige Aspekte überraschend waren und der Konzern neue potenzielle Handlungsfelder identifizierte. So will das Unternehmen den CO2-Ausstoß in der Lieferkette verringern. Darüber hinaus will Otto die Umweltauswirkungen von Elektro- und Großgeräten stärker in den Blick nehmen und hierfür die bestehende CR-Strategie erweitern. Zudem sollen die Auswirkungen beim Kunden stärker in den Fokus rücken. Wie genau das Aussehen kann ist, noch nicht ganz klar. Sicher ist: die Kundenkommunikation soll entsprechend ausgerichtet und durch die Sortimentsgestaltung versucht werden, den CO2-Ausstoß und den Wasserverbrauch beim Verbraucher zu senken. Die bereits bestehenden Ziele der CR-Strategie wurden durch die Berechnungen weitestgehend bestätigt. So will Otto bis 2020 weiterhin seine standort- und transportbedingten CO2-Emissionen halbieren. Zudem sollen die Sortimente zu 100 Prozent auf nachhaltige Baumwolle und FSC-Hölzer umgestellt werden. Außerdem sollen bis 2015 sämtliche Lieferanten ins unternehmenseigene Sozialprogramm integriert sein.
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