Berlin (csr-news) > Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört sicher mit zu den am intensivsten diskutierten Personalthemen der vergangenen Zeit. Inzwischen suchen Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft nach geeigneten Modellen für eine familienfreundlichere Arbeitswelt. Wie sich Unternehmen mit diesem Thema beschäftigen, hat die Managementberatung A.T. Kearney in einer Studie untersucht mit einem klaren Ergebnis.
Deutsche Unternehmen nehmen ihre Verantwortung für das Thema Familienfreundlichkeit immer noch nicht ernst genug. Nur acht Prozent aller von A.T. Kearney befragten Arbeitnehmer gaben an, dass ihr Unternehmen im vergangenen Jahr familienfreundlicher geworden ist. Immerhin mehr als ein Drittel der befragten zeigte sich aber mit der eigenen Situation durchaus zufrieden und gab an, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit ist.
Dabei lassen nach wie vor viele Firmen außer Acht, dass sie es selbst sind, die von einem familienfreundlichen Umfeld profitieren. “Das Ergebnis von Familienfreundlichkeit sind motivierte, loyale Mitarbeiter, die das Unternehmen weiterempfehlen. Das ist in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischen Wandel ein wesentlicher Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg”, sagt Martin Sonnenschein, Managing Director bei A.T. Kearney. Wie die Studie weiter zeigt, bemängeln die meisten Befragten das fehlende Angebot familienfreundlicher Maßnahmen: Nur 12 Prozent der Arbeitnehmer/-innen mit Kindern oder Kinderwunsch sagen, dass ihr Arbeitgeber alle für sie wesentlichen Leistungen anbietet. Von den übrigen 88 Prozent wünschen sich Frauen insbesondere Notfallbetreuungen für ihre Kinder (51%), eine Kinder-Ferienbetreuung (45%) sowie Auszeit- und Sonderurlaubsregelungen (33%). Männern fehlen Spezialangebote für Väter (43%) sowie ebenfalls Notfallbetreuungsmöglichkeiten (41%).Viele Angebot werden, so vorhanden, tatsächlich nachgefragt: 75 Prozent der Mütter, aber nur knapp die Hälfte (48%) der Väter haben bereits familienfreundliche Angebote wahrgenommen. Dabei haben die befragten Mütter am häufigsten Erfahrung mit Teilzeit gemacht (62%), von den Vätern sind dies nur 7 Prozent. Bemerkenswert auch: Möglichkeiten, Tages- und Wochenarbeitszeiten nach individuellen Bedürfnissen zu gestalten, nutzen beide Gruppen bereits in ähnlichem Umfang: ein Drittel der Mütter und 26 Prozent der Väter. Von zu Hause zu arbeiten gelingt bislang nur einem kleinen Teil: 16 Prozent der Mütter und 14 Prozent der Väter. Dies ist die Folge der häufig vorherrschenden Präsenzkultur: mehr als sieben von zehn Beschäftigten geben an, dass ihr Arbeitgeber sehr hohen Wert auf die persönliche Anwesenheit der Mitarbeiter lege.
Großen Nachholbedarf gibt es auch beim Thema Vorbilder: Nur 26 Prozent der Befragten haben nach eigenem Bekunden Führungskräfte, die im punkto Vereinbarkeit mit gutem Beispiel vorangehen. Etwas mehr, drei von zehn Befragten, meinen, dass ihr/e direkte/r Vorgesetzte/r sich glaubhaft und nachhaltig engagiert. Ohne familienfreundliche Führungskräfte scheint keine familienfreundliche Kultur möglich. Nur acht Prozent derjenigen Arbeitnehmer/-innen, die in ihren Führungskräften beim Thema Vereinbarkeit keine Vorbilder sehen, empfinden die Kultur als familienfreundlich. Agieren Führungskräfte hingegen wahrnehmbar als Vorbilder, empfinden 61 Prozent der Arbeitnehmer/-innen auch die generelle Kultur als familienfreundlich. “Es muss für Mütter und Väter möglich sein, familienbedingte Auszeiten zu nehmen oder auch eine Zeit lang die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dass sie dadurch berufliche Nachteile befürchten müssen”, sagt Martin Sonnenschein. “Führungskräfte sind der Schlüssel zu einer familienfreundlichen Kultur. Führungskräfte müssen viel stärker als bisher für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter sensibilisiert werden, und selbst als Vorbilder handeln“.Auch die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden empfiehlt Prof. Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): “Familienpolitik und Unternehmen müssen viel stärker verzahnt werden. Beide haben ja das gemeinsame Ziel, eine familienfreundliche Beschäftigung zu erreichen. Wenn die Politik beispielsweise mit den Vätermonaten beim Elterngeld die Männer ermutigt, ihren Job zu unterbrechen und ihr Kind zu betreuen, muss die Wirtschaft nachziehen. Auch in den Unternehmen braucht es Instrumente und Strukturen, die dies ermöglichen und unterstützen -offene Gespräche bei der Karriereplanung, Führung in Teilzeit oder Führung in Teams.”