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Ratings: Wichtig ist die Nachhaltigkeitsperfomance

Die neuen GRI-Richtlinien G4 verlangen von den Unternehmen eine weitreichende Wesentlichkeitsanalyse. Das könnte die Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten erschweren. Ist das ein Problem für Ratingagenturen? CSR-NEWS hat bei Kristina Rüter, Research Director bei oekom-research nachgefragt.

München (csr-news) > Die neuen GRI-Richtlinien G4 verlangen von den Unternehmen eine weitreichende Wesentlichkeitsanalyse. Das könnte die Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten erschweren. Ist das ein Problem für Ratingagenturen? CSR-NEWS hat bei Kristina Rüter, Research Director bei oekom-research nachgefragt.

Was erwarten sie von den neuen GRI-Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Kristina Rüter: G4 birgt Chancen und Risiken für die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Viel wird davon abhängen, wie die Unternehmen ihre Wesentlichkeitsanalyse durchführen werden und welche Schlüsse sie daraus für ihre Berichterstattung ziehen. Möglicherweise ergibt sich durch G4 auch gar kein besonders großer Unterschied zur bisherigen Praxis. Wesentlichkeitsanalysen sind ja nichts Neues in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach GRI, neu ist nur, dass diese jetzt stärker betont werden und sich auf alle Indikatoren und die gesamte Wertschöpfungskette beziehen. Auch nach G3 entschied die Wesentlichkeitsanalyse der Unternehmen über das Gros der zu berichtenden Inhalte. Nur musste über bestimmte Kernindikatoren pro Branche verbindlich berichtet werden, für die GRI im Prinzip die Wesentlichkeitsanalyse vorweggenommen hatte. Diese Analyse wird jetzt teilweise auf die Unternehmen verlagert. Im Ergebnis kann dadurch die Nachhaltigkeitsberichterstattung umfangreicher werden, sie kann sich aber auch reduzieren, weil Unternehmen bestimmte Themen als ‚not material’ einschätzen und diese dann in der Berichterstattung nicht mehr berücksichtigt werden. Ob dies dann als eine sinnvolle Fokussierung oder ein bedauernswerter Transparenzverlust anzusehen ist, wird sich zeigen. Im Moment ist es aber noch völlig offen, zu welchem Ergebnis die Unternehmen kommen werden.

Wird sich der Blick auf Nachhaltigkeitsthemen durch eine stärkere Einbindung der Stakeholder verändern?

Kristina Rüter: Durch die explizite Betonung der Stakeholdereinbeziehung kann es sein, dass Unternehmen noch einmal stärker analysieren, wer überhaupt ihre Stakeholder sind und welche Erwartungen diese haben. Das kann im Idealfall dazu führen, dass bestimmte Bereiche wie etwa die Lieferkette stärker in den Fokus genommen werden und über diese dann auch umfangreicher und besser berichtet wird. Eine Wesentlichkeitsanalyse kann allerdings auch zu stärkerer Abgrenzung führen beispielsweise gegenüber Bereichen, die vom Unternehmen outgesourct wurden.

Können sich große, international tätige Konzerne überhaupt eine Fokussierung auf ausgewählte Themen leisten?

Kristina Rüter: In vielen Fällen ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit ja zunächst die Auseinandersetzung mit einem Thema und die Zusammenstellung entsprechender Daten und Informationen die Voraussetzung. Nicht jedes Nachhaltigkeitsrisiko ist auf den ersten Blick erkennbar. Um Stakeholdern und Ratingagenturen einen vollständigen Überblick über ihre Aktivitäten, Impacts und Performance zu gewähren, sollten Unternehmen auch über Aspekte berichten, die sie selbst im Kern als nicht so wesentlich betrachten. Wir legen bei unseren Analysen neben branchenspezifischen Indikatoren auch ein breites Set von Kriterien an, die für alle Branchen gelten und stellen über inhaltliche Anforderungen und die Gewichtung der einzelnen Kriterien die angemessene Berücksichtigung Wesentlichkeit für einzelne Branchen und Unternehmen sicher.

Welche Rolle spielt der Standard nach dem ein Unternehmen berichtet für die Analysen?

Kristina Rüter: Wir untersuchen bei unseren Analysen nicht die Qualität oder die Form von Nachhaltigkeitsberichten, sondern die Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen. Nach welchem Standard ein Bericht erstellt wurde, spielt für uns bei der Bewertung der enthaltenen Informationen zunächst keine Rolle. Wichtig ist uns, welche Nachhaltigkeitsleistung ein Unternehmen vorzuweisen hat. Es kann beispielsweise sein, das ein Unternehmen zwar umfangreich über ein Thema berichtet, die dahinter stehende Performance aber schlecht ist und es deshalb von uns auch entsprechend bewertet wird. Ein als gut eingestufter Nachhaltigkeitsbericht nach GRI sagt zunächst mal aus, das ein Unternehmen transparent ist, nicht aber, dass es auch nachhaltig ist. Um die Unternehmen zu bewerten, nutzen wir nicht nur öffentlich zugängliche Informationen, wir treten auch direkt mit den Unternehmen in Kontakt. So fließen in die Bewertung auch Informationen ein, die ein Unternehmen nicht öffentlich berichtet, uns aber auf Anfrage zur Verfügung stellt. Wo ein Unternehmen sich nicht aktiv am Ratingprozess beteiligt, bleiben die Nachhaltigkeitsberichte die wichtigste Informationsgrundlage. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen unterstützt allerdings unsere Anfragen und versorgt uns mit den notwendigen Daten.

Wie werden sie die von G4 geforderten Wesentlichkeitsanalysen vergleichen?

Kristina Rüter: Ein Stück weit betreiben wir ja auch eine Wesentlichkeitsanalyse durch unsere branchenspezifischen Mindestanforderungen. Innerhalb einer Branche oder eines Sektors sind dann aber die gleichen Themen relevant. Abgrenzungen gibt es nur, wenn bestimmte Indikatoren nicht angewendet werden können, etwa weil ein Unternehmen mit einem Thema keinerlei Berührungspunkte hat. Für uns ist also jeder abgefragte Aspekt ‚material’ allerdings werden die einzelnen Indikatoren unterschiedlich gewichtet und die Anforderungstiefe ist unterschiedlich. Bei manchen Aspekten reicht uns eine grundsätzliche Position des Unternehmens bei anderen Aspekten gehen wir in die Tiefe des Managementprozesses und erwarten Ziele, Kennzahlen und Strategien. Je wesentlicher ein Aspekt ist, umso detaillierter wird er von uns analysiert.

Welche Bedeutung haben andere Quellen wie etwa NGOs?

Kristina Rüter: Die sind für uns ganz wichtig. Wir verlassen uns bei unseren Ratings nicht nur auf die Unternehmensinformationen, vor allem wenn es um die Bewertung der Performance geht. Beispielsweise kann ein Unternehmen ein sehr umfangreiches Compliance-Regelwerk haben, und sich dann trotzdem in einen Korruptionsskandal verstricken. Solche Entwicklungen werden natürlich in den Ratings berücksichtigt und führen zu Abwertungen. Das gilt genauso für Menschenrechts- und Arbeitsrechtskonflikte oder Umweltskandale. Oftmals sind es genau diese Punkte, die den Unterschied in der Bewertung ausmachen. Gerade die großen, börsennotierten Unternehmen bewegen sich beim Reporting und in ihren Managementstrukturen häufig auf einem vergleichbar hohen Niveau. Die Berücksichtigung externer Quellen ist dann quasi der Realitäts-Check, wie gut diese Systeme in der Praxis funktionieren.


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